Jost Aé
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Greifswald, Mai 2007
|
Kritik
des
Bremer Entwurfs
für ein neues
Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
„Soziale
Demokratie im 21. Jahrhundert“
Das gesamte Dokument als PDF-Download
Inhalt:
Einleitung. 3
Vorbemerkung. 7
1. Die Zeit,
in der wir leben. 7
Die Welt
wächst zusammen. 8
Die
beschleunigte Wirtschaft und der Umbruch der Arbeitswelt 10
Die sozialen
Fragen unserer Zeit 13
Politik im
Wandel 15
2. Die
Grundwerte der Sozialen Demokratie. 16
Woher wir
kommen. 16
Unser Bild
vom Menschen. 20
Unsere
Grundwerte. 22
Die Soziale
Demokratie. 26
3. Soziale
Demokratie im 21. Jahrhundert 27
4. Unsere
Ziele, unsere Politik. 32
4.1 Eine
friedliche, freie und gerechte Weltordnung. 32
Multilateralismus:
Stärkung globaler und regionaler Kooperation. 35
Umfassende
Sicherheitspolitik. 36
Neue Risiken. 38
Abrüstung
und Nichtverbreitung. 39
Die
Globalisierung gestalten. 40
4.2 Das
soziale und demokratische Europa. 43
Friedensmacht
Europa. 44
Das soziale
Europa. 46
Das
demokratische Europa. 46
4.3
Solidarische Bürgergesellschaft und demokratischer Staat 47
Die
solidarische Bürgergesellschaft 49
Der soziale
Bundesstaat 50
Sicherheit
in Freiheit 51
Integration
und Einwanderung. 52
Öffentlichkeit
und Medien. 54
Die Kultur
der demokratischen Gesellschaft 54
Kirchen,
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. 55
4.4 Die
Gleichstellung der Geschlechter 56
4.5 Neue
Wertschöpfung und gute Arbeit 57
Wir erneuern
die Soziale Marktwirtschaft 59
Politik für
Vollbeschäftigung. 60
Zukunftsmärkte
brauchen Politik. 61
Eine
strategische und ökologische Industriepolitik. 63
Moderne
Dienstleistungspolitik. 63
Wachstum und
Stabilität 63
Solide
Staatsfinanzen und öffentliche Zukunftsinvestitionen. 63
Wissen und
Qualifikation als Produktivkräfte. 64
Wirtschaftliche
Demokratie und soziale Teilhabe. 64
Selbstständigkeit
und verantwortliches Unternehmertum.. 65
Kapital- und
Finanzmärkte: Chancen nutzen, Risiken kontrollieren. 65
Wettbewerb
braucht Regeln. 66
Verbraucher
und Verantwortung. 67
4.6 Der
Vorsorgende Sozialstaat 69
Neues
Leitbild. 73
Emanzipation,
Teilhabe und Sicherheit 75
Gute Arbeit:
Flexibilität braucht Sicherheit 77
Gesund leben. 80
Menschenwürdige
Pflege. 81
Sicher und
aktiv im Alter 81
Vorsorgende
Sozialpolitik in den Kommunen. 82
4.7 Bildung
in der lernenden Gesellschaft 84
Bildung für
alle. 85
Bildung von
Anfang an. 86
Gemeinsam
lernen. 87
Die
berufliche Ausbildung modernisieren. 87
Das Studium
und die Forschung stärken. 87
Weiterbildung
in der lernenden Gesellschaft 88
4.8 Kinder
und Familien stärken. 89
4.9
Nachhaltiger Fortschritt 92
Technologie
und gesellschaftliche Verantwortung. 93
Ressourcensicherung,
Klimaschutz und natürliche Lebensgrundlage. 93
Mobilität
und Lebensqualität 96
Schutz der
Natur und der Tiere. 97
Entwicklung
ländlicher Räume. 97
Nachhaltige
Landwirtschaft 97
5. Unser Weg. 99
Einleitung
Wenn
nicht alle Zeichen trügen, sieht unsere Parteiführung die Zeit gekommen, die
Sozialdemokratie in Deutschland auch programmatisch auf den seit Schröders
Kanzlerschaft eingeschlagenen Kurs einer endgültig im Kapitalismus angekommenen
und mit ihm versöhnten ehemaligen Arbeiterpartei einzuschwören.
Die
Macht des scheinbar Faktischen und die Lust am Regieren haben der Partei das
kritische und systemüberschreitende Denken ausgetrieben und damit zugleich das
Wesen der Partei grundlegend verändert.
Das,
was viele Genossinnen und Genossen befürchtend an die Wand malen, dass ihre
Partei zu einem Kanzlerwahlverein herabsinken könnte, ist längst eingetreten.
Hunderttausende
haben bereits ihre Konsequenzen gezogen und die Partei verlassen.
Unter
diesen Voraussetzungen wird die programmatische Besiegelung dieser Wende auf
dem Hamburger Parteitag vermutlich ohne große Diskussion über die Bühne gehen.
Die SPD wäre nicht die, die sie schon geworden ist, wenn sie die eigentlichen
Probleme öffentlich thematisieren und diskutieren würde. So wie auch das Ergebnis
der derzeitigen Umfrage unter den Parteimitgliedern auf Grund der
Fragestellungen nicht geeignet sein wird, eine Diskussion um den künftigen Kurs
der Partei anzuregen. Was von den etablierten Linken zu erwarten ist, ist
schwer einzuschätzen, wenn man daran denkt, dass der Bremer Entwurf einstimmig
beschlossen wurde.
„Die
stille Revolution unseres Parteiwesens“
– nämlich die Wandlung der SPD in eine Demokratische Partei amerikanischen Vorbilds,
die sich als eine mit der CDU alternierende oder koalierende Regierungspartei
versteht, als Wirtschaftspartei und, nach jeweiliger Kassenlage, auch als
Anwalt des Sozialen – wird von den in ihr Verbliebenen klaglos hingenommen und
abgenickt, weil Alternativen energisch bestritten oder diffamiert werden.
Diese
konzeptionelle Alternativlosigkeit kommt freilich nicht von ungefähr.
Wenn
man Regierungstätigkeit an sich nicht schon für einen Erfolg hält, sondern sich
die wirklich erfolgreichen Ergebnisse sozialdemokratischer Politik
vergegenwärtigt, kann man zu dem Urteil kommen, dass Sozialdemokraten am
erfolgreichsten in der Opposition waren, die Ära Brandt ausgenommen. Alle
Verbesserungen für die arbeitenden Klassen bis 1914 wurden aus der Opposition
heraus erkämpft. Als die Sozialdemokratie, nicht die deutsche allein, meinte,
aus patriotischer Pflicht ihre klassengebundene Parteilichkeit vernachlässigen
zu müssen, führte dies in die Katastrophe des 1. Weltkrieges.
Nach
dem 2. Weltkrieg gelang es den Konservativen in Verbindung mit den westlichen
Alliierten durch eine Politik der „Klassenkompromisse“ in Wirtschaftsfragen,
die Sozialdemokraten auf lange Zeit von Regierungsverantwortung fern zu halten.
Ein virulenter Antikommunismus, der in Deutschland nicht ohne Tradition ist und
durch Stalinismus und Ulbrichts Herrschaft im Osten belebt wurde, tat ein
Übriges. Unter diesen Umständen musste die SPD hart um die Anerkennung ihrer
„Regierungsfähigkeit“ ringen. Mit dem „Godesberger Programm“ gelang ihr
dies unter Aufgabe ihrer „Klassenzugehörigkeit“ und nicht ohne innerparteiliche
Konflikte.
Trotz
dieses programmatischen Schwenks von einer Arbeiterpartei hin zur Volkspartei
verstand sie es, die Bindungen zu den Gewerkschaften nicht aufzugeben, eher
noch zu festigen. Alle die es wollten und die es nicht wollten spürten, dass es
noch eine linke Partei gab, und man war in der Partei im Großen und Ganzen mit
dem einverstanden, was als links definiert wurde. Das Charisma Willy Brandts
zog auch die Intellektuellen der Republik in seinen Bann. So gelang es der SPD
nach langen Jahren genutzter Opposition, die Gunst der Wähler für eine Regierungsbeteiligung
hinreichend zu gewinnen. Die SPD hätte nicht die vielfältigen Reformen und
Verbesserungen für die „einfachen Leute“ und die durchgreifende Erneuerung des
geistigen Klimas in der Bundesrepublik gegen teils wütende Attacken von CDU und
CSU und ihrer Hintermänner in der Wirtschaft etc... durchsetzen können, wenn
sie nur „zufällig“ an die Macht gekommen wäre, wenn sie nicht über den Wahltag
hinaus eine breite Zustimmung im Volk gehabt hätte.
Noch
unter Brandt begann mit dem „Iseer Entwurf“ für ein neues Parteiprogramm der
letzte Versuch, Ideen für eine in der Perspektive systemüberschreitende
Politik weiterzudenken. Im Berliner Programm sind davon wichtige Elemente
aufgehoben.
So
überraschend der Fall der Berliner Mauer und die Transformation des
„kommunistischen Weltsystems“ für die europäische Sozialdemokratie kam, so
überraschend war auch, in welchem Ausmaß die Ereignisse ihre theoretische
Kompetenz überforderte. Die Depression, in die die Linke allgemein fiel, war auch
ein Indiz für die Illusionen, die sie geglaubt hatte sich theoretisch über das
Wesen des Kapitalismus leisten zu können. Die Soziale Marktwirtschaft mit ihrer
relativ friedlichen Form der Sozialpartnerschaft hatte sie einem ihrer Meinung
nach gewandelten, zahm gewordenen Kapitalismus zuschreiben dürfen, ohne den
externen und doch allgegenwärtigen konstanten Machtfaktor in Rechnung stellen
zu müssen, der diese Wandlung maßgeblich stimulierte: die Existenz eines Systemkonkurrenten.
Das Verständnis für diesen Zusammenhang dämmert nur langsam herauf, obwohl die
Zeichen der Zeit nicht deutlicher sein können.
Die
Verkennung des im Wesen gleich bleibenden Charakters der kapitalistischen
Gesellschaft in den Zeiten des Godesberger Programms war in gewisser Weise aus
den oben genannten Gründen in der politischen Praxis unschädlich. Aber nach dem
Zusammenbruch dieser wie auch immer zu bewertenden Systemalternative wird ein
weiteres Verharren in selbst verordneter theoretischer Abstinenz für die
Sozialdemokratie und nicht zuletzt für die Gesellschaft insgesamt zum
Verhängnis werden. Da hilft auch wenig der nassforsche Slogan: „Revisionisten
aller Landesverbände und Bezirke, vereinigt Euch!“.
Der
„Bremer Entwurf“ eines neuen Grundsatzprogramms gibt nun die Gelegenheit, sich
mit dem Ideen- und Gedankenvorrat der Verfechter des neuen Programms
auseinander zu setzen. Entgegen dem klugen Rat von Peter Glotz, dass die SPD
kein neues Programm braucht, wenn sie die Wahl 2005 gewinnt, haben wir es nun
mit einem solchen zu tun (wir haben die Wahl zwar nicht gewonnen, sitzen mit
unseren Ministerinnen und Ministern aber so gut wie gleichberechtigt in der
Regierung). Seine Begründung war plausibel, wenn auch zynisch: „Wer Wahlen
gewinnt, muss seine Siege nicht philosophisch begründen. Die Siege sprechen für
sich selbst.“
Auch ihm passte das „Berliner Programm“ nicht in den Kram, aber er meinte: „Es
spricht also alles dafür, dass sich die SPD mit einem neuen Programm Zeit
lassen sollte und erst einmal in der eigenen Organisation die – längst
vorliegenden – Analysen der neuen Lage diskutiert…“ (Von einer solchen
Diskussion, die innerhalb der Partei hätte wahrgenommen werden müssen, kann keine
Rede sein. Einige Foren zu bestimmten Themen, die in Berlin werktags um 10.00
Uhr stattfanden, in entsprechend exklusivem Kreis, downloadbare Impulspapiere
und Referate haben die Basis kaum erreicht und können kein Ersatz für eine
lebendige Diskussion in der Partei sein.)
Es
ist nun auch genau das eingetreten, wovor Glotz gewarnt hatte:
„Staatssekretäre, die im Auftrag ihrer Ministerinnen und Minister
Spiegelstriche für einen Programmentwurf fertigen lassen, sind ein Albtraum.“
Dieser
„Albtraum“ beherrscht durchgängig den gesamten „Entwurf“: er ist aus der Sicht
von Ministerial- und Parteibürokratie geschrieben, trägt den Charakter eines
(verquasten) Regierungsprogramms und ist von der Intention bestimmt, die Politik
seit Schröder zu rechtfertigen und verschärft fortzuschreiben.
Diesem
Umstand ist natürlich geschuldet, dass der Umfang des „Entwurfs“ jedes
vernünftige Maß überschreitet, und dass „Grundsätzliches“ so gut wie nicht
erkennbar wird. Wo „Grundsätzliches“ berührt wird, wird der Versuch
ersichtlich, es neu zu interpretieren und umzuschreiben.
Die
Sprache (unabhängig davon, dass verschiedene Handschriften erkennbar sind),
trägt tiefe Spuren des Widerspruchs der zu leistenden Aufgabe: möglichst
geräuschlos den Abschied von wichtigen Grundsteinen der eigenen Identität zu
vollziehen, und doch zu versichern, man bleibe dieselbe Partei. Der Text
flüchtet sich in falsches Pathos, Pseudologik, Plattheiten,
Geschichtsklitterung, Belehrungen und in schlicht Überflüssiges im Überfluss!
Im
Gegensatz zu P. Glotz kommt (Genosse) K. Harpprecht zu folgender Prognose: „Die
Programmkommission, die nun unter Leitung des gescheiten, freilich
traditionalistisch verankerten Wolfgang Thierse tagt, müsste zunächst vor allem
die Makulatur des Berliner Programms der peinlichen Ära Lafontaine beiseite
räumen: Die große Reform kann sie sich nicht leisten. Noch nicht. Soll sie
weiter werkeln. Ihr intellektuelles Training und ihre moralischen Exerzitien
können keinen Schaden anrichten.“ Das erste ist gründlich gelungen! Die „große
Reform“ in Richtung „Demokratischer Partei“ leistet sie sich in der Tat noch
nicht! Was es mit dem intellektuellen Training auf sich hat, liegt vor aller
Augen!
Wenn
eine Prognose erlaubt ist, der man einen bescheidenen Anspruch auf eine gewisse
Wahrscheinlichkeit wird zubilligen müssen, dann die: Die Halbwertzeit eines
neuen Grundsatzprogramms auf der Basis dieses Entwurfs wird die des „Berliner
Programms“ weit unterbieten. Es wird an dem Tag, an dem sich die SPD in der Opposition
wiederfindet, offensichtlich werden, dass es für den nächste Tag nicht mehr
taugt und auch mit einer „großen Reform“ (und das bleibt zu hoffen) kein
Blumentopf mehr in Deutschland zu gewinnen ist. Dann wird darüber zu befinden
sein, ob und welchen Schaden die werkelnden Genossen angerichtet haben!
Im
Folgenden handelt es sich vorwiegend um am Text sich abarbeitende Kritik. Sie
hat nicht den Anspruch, als Grundlage für eine Verbesserung dieses
Entwurfs zu dienen. Man könnte sie aber, wie die vielen anderen Äußerungen von
Unbehagen in der Partei, zum Anlass für die Erarbeitung eines neuen Entwurfs nehmen.
Hervorhebungen
(Fett, Kursiv und Unterstrichen) im Originaltext
(Times New Roman), außer in den Überschriften, sind Bestandteil
der Kritik (Courier New).
1. Die Zeit, in
der wir leben
Das 21. Jahrhundert ist das erste
wirklich globale Jahrhundert.
Der erste Satz ist nicht mehr als
eine Phrase, aber geeignet, auf den Grundton der Ausrichtung des neuen Grundsatzprogramms
einzustimmen, und das Stichwort zu geben.
Nie zuvor waren die Menschen
weltweit so sehr aufeinander angewiesen.
Man kann mit der gleichen Berechtigung
behaupten: nie zuvor waren Menschen weltweit so wenig aufeinander angewiesen...
Ohne Konkretisierung bleiben solche Sätze beliebig, leere Dramatisierung.
Mit dem Zusammenbruch des
Kommunismus und dem Glück der Deutschen Einheit wurden die Zweiteilung
unseres Landes und die politische Spaltung der Welt überwunden.
Weder
durch den Zusammenbruch des Kommunismus noch durch das Glück der
deutschen Einheit, wurde die politische Spaltung der Welt überwunden. Es
wurde die Spaltung der Welt in machtpolitische Einflusssphären zweier unterschiedlicher
Gesellschaftsmodelle aufgehoben. Andere Spaltungen der Welt werden dafür
heute deutlicher sichtbar.
Seither erleben wir den tiefsten
geschichtlichen Umbruch seit der industriellen Revolution - politisch
und wirtschaftlich, sozial und kulturell. Wissenschaft und Technik treiben den Wandel
voran.
Die Dramatisierung mit leeren Begriffen wie Umbruch
und Wandel wird fortgesetzt.
Die Zukunft verheißt große
Chancen und birgt zugleich Gefahren.
Jede
Zukunft birgt Chancen und Gefahren in sich. Um darüber zu belehren, braucht
man kein neues Grundsatzprogramm!
Digitalisierte Medien und andere
technologische Entwicklungen haben die Bedeutung von Raum und Zeit
revolutioniert. Immer mehr Menschen können via Internet in Sekundenbruchteilen
überall auf der Welt miteinander kommunizieren. Informationen und Wissen sind
an fast jedem Ort der Erde per Knopfdruck verfügbar. So entsteht zum ersten Mal
in der Geschichte der Menschheit eine globale Wirtschaft mit einer
weltweiten Arbeitsteilung.
Was hier angesprochen wird, verrät seine politische
Bedeutung erst bei entsprechender Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsteilung erfährt ihre politisch
relevante Dramatik nicht durch den Fakt der technischen Voraussetzungen moderner
Globalisierung, sondern dadurch, dass Globalisierung, neoliberal, sich bestens
als Vehikel imperialer Ambitionen eignet, die dann die systemimmanenten
Widersprüche des Kapitalismus weiter verschärfen.
Die Globalisierung schafft Wachstum
und Zukunftsperspektiven für die Menschen in reichen und armen Ländern.
Und sie bietet die konkrete Chance, Krieg und Hunger, Krankheit und Armut zu
überwinden. Noch leben Menschen in vielen Teilen der Welt in bitterer Not. Aber
in China, Indien und vielen anderen Schwellenländer sind eine dynamische
Entwicklung und zunehmender Wohlstand zu beobachten.
Zukunftsperspektiven und Chancen sind von Globalisierung
an sich gerade nicht zu erwarten, da es Globalisierung immer nur unter
konkreten Bedingungen gibt! Was erwarten wir von der Zukunft, wo wir doch augenscheinlich
schon nicht in der Lage sind, die Chancen der Gegenwart zu nutzen?
Der wachsende Welthandel bringt
unzähligen Menschen lang ersehnte Arbeit in neu entstehenden Fabriken
und Labors.
... lang ersehnte Arbeit: hierzu gehören u. a. zig
Millionen hinter den Mauern von steuer- und gewerkschaftsfreien Wirtschaftszonen
verborgene Arbeitsplätze moderner Lohnsklaverei und die dementsprechend von
ihren Arbeitsplätzen befreiten Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in den so
genannten reichen Industrienationen.
Der globalisierte Kapitalismus darf
jedoch nicht sich selbst überlassen werden. Er lässt alte Ungerechtigkeiten
bestehen und schafft darüber hinaus neue Bedrohungen für Freiheit und Gerechtigkeit,
Gesundheit und Leben.
Werden wir ihn in die Schranken weisen?
Die Lebensbedürfnisse von
sechs Milliarden Menschen, davon immer mehr in industriellen Gesellschaften, drohen
die ökologische Belastbarkeit der Erde deutlich zu überschreiten.
Sind es wirklich die Lebensbedürfnisse(!) von sechs
Milliarden Menschen die den ökologischen Ruin der Erde heraufbeschwören? Bald
sind es neun Milliarden! Es ist die vom System erzwungene Lebensweise!
Ein wachsender Teil der
Weltbevölkerung leidet an den Folgen der Erwärmung der Erdatmosphäre, unter
Wüstenbildung und Wasserknappheit. Menschen aus Regionen, in denen ökologische
Bedingungen zu Hunger führen, wandern in weniger gefährdete Teile der Welt.
ökologische Bedingungen: führen auch zu
Hunger und Flucht; die entscheidenden Bedingungen sind aber die sozialen
und die politischen!
[…]
Das wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Zusammenwachsen der Welt bringt das politische System der
Nationalstaaten unter erheblichen Veränderungsdruck.
Anonymisierte Macht des wirtschaftlichen,
sozialen(!) und kulturellen(!) Zusammenwachsens – leere Phrase zur weiteren
Skizzierung des „ersten wirklich globalen Jahrhunderts“!
Die wirtschaftliche Macht
konzentriert sich in global agierenden Unternehmen. Investitionsentscheidungen
werden im weltweiten Maßstab getroffen. Multinationale Konzerne planen
ihre Gewinnstrategien weltweit, unterlaufen demokratische Aufsicht und
Regulierung und erzwingen politische Entscheidungen auf Kosten der Gesellschaft.
Zentrale Entwicklungen lassen sich nur noch mit gemeinsamen Entscheidungen
vieler Staaten beeinflussen. Europa ist auf diesem Weg weit fortgeschritten.
Konzerne... erzwingen: die Rolle der Politik
wird verharmlost, da bekanntlich sie die Rahmenbedingungen zu setzen
hat. Auch wenn Bestechung, Erpressung oder simple Einfalt im Spiel sind,
Politik kann nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Was die
Sozialdemokratie diesem beklagten Zwang entgegenzusetzen hat, wird ausgespart!
Nach zwei mörderischen
Weltkriegen und dem Holocaust haben die Völker Europas einen Kontinent des
Friedens und der offenen Grenzen geschaffen. Die friedlichen Revolutionen
von 1989 haben die Spaltung Europas in Ost und West überwunden. Die Deutsche
Einheit hat Freiheit und Demokratie für unser ganzes Land gebracht. Auch
wirtschaftlich ist die Entwicklung der neuen Bundesländer dank der
Anstrengungen der Menschen in Ostdeutschland und der Solidarität zwischen
West und Ost vorangekommen.
Menschen in Ostdeutschland: Hat man erwartet, dass sie nur friedliche
Revolution machen können?
Nicht nur in Deutschland, fast
überall in Europa genießen die Menschen Wohlstand und Lebensqualität
wie nie zuvor.
Es ist unwahr, dass die
Menschen in Deutschland Lebensqualität und Wohlstand wie nie zuvor
genießen. Die Statistiken sagen anderes aus. Die Schere zwischen Ost und West
geht weiter kontinuierlich auseinander. In den letzten fünf Jahren stagnierte
die Summe der Arbeitnehmerentgelte in ganz Deutschland bei gleichzeitiger
Steigerung der Summe der Unternehmensgewinne um knapp 30 Prozent und die Kinderarmut
hat sich dank sozialdemokratischer Reformen (Hartz IV) verdoppelt,
wobei der Osten (für den es Kinderarmut bis dahin überhaupt nicht gab und die
deshalb auch nicht gezählt wurde) überproportional betroffen ist (www.paritaet.org/ unter: Aktuelles –
Pressemeldungen).
[…]
Unser Europa ist nicht nur eine
Friedensmacht, sondern auch ein zukunftsfähiges Gesellschafts- und
Wirtschaftsmodell.
Unser Europa: Die Zukunftsfähigkeit des Gesellschafts-
und Wirtschaftsmodells der EU sollte von einer sozialdemokratischen Partei
nicht als erwiesen betrachtet werden, sondern auch in ihrem Grundsatzprogramm
hinterfragt werden.
Das vereinte Europa ist das erste
erfolgreiche Projekt, bei dem Nationalstaaten ihre Interessen bündeln und
freiwillig auf zentrale Souveränitätsrechte verzichtet haben, um gemeinsam zu
handeln. Darum schauen so viele Regionen der Welt mit Interesse und Bewunderung
auf Europa.
Bewunderung: wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Staunen über den bei
uns sichtbaren (unermesslichen) gesellschaftlichen Wohlstand keineswegs
automatisch einhergeht mit einer Bewunderung unserer Lebensweise und
Kultur, zumal sich die politische und soziale Gestaltung der EU noch in einem
Stadium permanenten Experimentierens befindet.
Deutschland gehört zu den Gewinnern
der Globalisierung.
Wo es Gewinner gibt, gibt es auch
Verlierer – hier sind die Konkurrenten Deutschlands gemeint, vielleicht gerade
aus jenen Regionen, die mit „Interesse und Bewunderung“ auf uns schauen. Das
sollte uns zu denken geben. Der ganze Absatz (bis Aber) spiegelt das
Selbstgefühl der deutschen Außenwirtschaft. Wir dürfen es nicht zu unserem machen!
Drei Milliarden neue Teilnehmer
an der Weltwirtschaft sind nicht nur drei Milliarden mögliche Konkurrenten um
Arbeitsplätze, sondern auch drei Milliarden neue Konsumenten. Die deutsche
Wirtschaft hat dank großer Wettbewerbsvorteile vor allem in der Industrie
riesige Chancen. Schon in den vergangenen Jahrzehnten haben wir unseren
Wohlstand auf dem Freihandel mit anderen Nationen gegründet. Den Großteil
unserer Exportwaren liefern wir in die Staaten der Europäischen Union und nach
Nordamerika. Unsere Ausfuhren nach Osteuropa haben einen wachsenden Anteil.
Russland, China und Indien sind für uns noch kaum erschlossene Zukunftsmärkte.
Aber nicht jeder Mensch in
unserem Land hat gewonnen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erleben, wie
selbst florierende Unternehmen verlagert werden. Anonyme Fondsmanager
kaufen und verkaufen Firmen wie Händler ihre Ware auf dem Großmarkt – nicht immer
zum Wohle dieser Firmen, ihrer Belegschaften und ihrer Lieferanten und Kunden.
Dem Finanzkapital erschließen sich durch die Integration neuer Märkte
und neuer Technologien immense Renditemöglichkeiten. Die Logik des schnellen
Profits und überzogener Renditeforderungen führt allzu oft dazu, dass
langfristige Investitionen in neue Arbeitsplätze ausbleiben. Diese Form der
Globalisierung droht die Gesellschaft zu spalten: In jene, die mit ihrem
Vermögen auf den Finanzmärkten profitieren und jene, die die Folgekosten zu
tragen haben.
Aber...: Benannt werden anonyme Fondsmanager, das Finanzkapital
und die Logik des schnellen Profits als die dunklen Mächte, die so gar
nicht zu unserem zukunftsfähigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem
passen wollen!
Der Fortschritt durch technische
Innovationen ersetzt schwere körperliche Arbeit und ermöglicht Chancen für
einen neuen Wohlstand. In der Medizin können wir Krankheiten besiegen,
die früher als unheilbar galten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der
Menschen steigt beständig an. Neue Produkte, Verfahren und Methoden helfen,
kostbare Rohstoffe und Energie zu sparen.
Was ist neu an dem Wohlstand, den
technischer Fortschritt ermöglicht? Soll gesagt werden, dass dem
Wohlstandsbürger durch den technischen Fortschritt ermöglicht wird, die Chance
zu bekommen, ein Auto mit technischen Innovationen zu fahren?
Auch hier haben Sozialdemokraten nicht die
Pflicht, ein Loblied auf den Fortschritt durch Innovation zu singen,
sondern wir müssen fragen: was ist für wen gut, denn Fortschritt
birgt ebenso „die Chance“ in sich, den Wahnsinn des Rüstungswettlaufs zu
beflügeln und durch die Vergeudung von Mitteln neue Armut zu stiften!
Unsere Arbeitsgesellschaft
befindet sich in einem tief greifenden Wandel. Der Wettbewerb wird unter
den Bedingungen der Globalisierung schärfer, das Tempo der Innovationen
steigt und die Vielfalt der Beschäftigungsformen nimmt zu. Qualifikation und
Wissen werden immer wichtiger. Neue kreative Berufe entstehen. Das
traditionelle Normalarbeitsverhältnis – unbefristet und mit geregelten Arbeitszeiten
– verliert an Bedeutung. Das Arbeitsleben vieler Menschen ist von einem Wechsel
zwischen abhängiger Beschäftigung, Nichterwerbstätigkeit, Phasen der
Familienarbeit und Selbständigkeit bestimmt. Der Wandel der Arbeitsgesellschaft
ist gestaltbar. Aber der Sozialstaat ist auf die neuen Formen der Arbeit
noch nicht genügend eingestellt.
Arbeitsgesellschaft: Wovon hier eigentlich
gesprochen wird, ist die Arbeitswelt. Von Arbeitsgesellschaft zu
sprechen hat nur Sinn im modernen Diskurs, der das Ende der Arbeitsgesellschaft,
d. h. von einer Gesellschaft prognostiziert, die vorwiegend auf Erwerbsarbeit
gegründet ist. Diesen Diskurs sollte die Sozialdemokratie nicht opportunistisch
befördern.
Wandel im gesellschaftlichen Bereich ist immer ein gestalteter,
wenn dies auch nicht bewusst von allen wahrgenommen wird. Politiker (nicht „der
Sozialstaat“), „verschlafen“ mitunter Entwicklungen, die sie dann als
schicksalhaft darstellen – auch wenn sie nur beide Augen zugedrückt haben.
In der eng verflochtenen Welt des
21. Jahrhunderts haben viel mehr Menschen und Ereignisse direkten Einfluss auf
unser Leben – selbst wenn sie nach unserem gewohnten Verständnis weit entfernt
sind. Darum erscheint uns die Welt immer schneller, komplexer und unübersichtlicher.
Wenn Milliarden Menschen in Rekordgeschwindigkeit miteinander
kommunizieren, wächst nicht nur das Stimmengewirr, sondern auch die
Schwierigkeit, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.
Ein falsches Bild! Milliarden Menschen
kommunizieren nicht miteinander, schon gar nicht in Rekordgeschwindigkeit
Da Menschen gesellige Wesen sind, kommunizieren sie mit anderen. Die Anzahl
der Menschen, die gleichzeitig miteinander sinnvoll kommunizieren können
ist begrenzt. In einer größeren Menge beginnen Menschen untereinander zu
kommunizieren. Das virtuelle Stimmengewirr von Milliarden untereinander
Kommunizierender, das man poetisch im Äther ansiedeln könnte, ist nicht
hörbar, und muss den Einzelnen nicht am Denken hindern. Was helfen könnte,
wären neue Lehrfächer in geistiger Diätetik und Hygiene, um
sich
u. a. Medien-, Bildungs- und Wissensmülls
effizient erwehren zu können.
Viele fühlen sich vom schnellen
Takt der Zeit und von den neuen Möglichkeiten überfordert. Sie fürchten,
abgehängt und von der Politik vernachlässigt oder gar vergessen zu werden.
Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Menschen mit geringer
Qualifikation werden überdurchschnittlich oft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
Auch Frauen haben trotz bester Bildungsabschlüsse immer noch keinen fairen
Zugang zum beruflichen Aufstieg und häufig auch nicht zu Existenz sichernder
Erwerbsarbeit. Wer Arbeit hat, sieht seine Lebensqualität häufig durch
steigenden Druck, mehr Konkurrenz und das Verlangen nach permanenter
Verfügbarkeit bedroht.
Alles irgendwie richtig; nur ist dies zu
erzählen zu wenig für ein Grundsatzprogramm. Die Arbeitslosenstatistiken zeigen,
dass die Furcht nur zu berechtigt ist!
Lebensqualität ist für die
Menschen in Europa mehr als die Jagd nach Wohlstand. Die Menschen
streben nach intakten Gemeinschaften, in denen es friedlich, gerecht und
solidarisch zugeht, in denen die Geschlechter gleiche Chancen und gleiche
Rechte haben. Mit dem Sinn des Lebens verbinden die meisten den Wunsch, Anerkennung
zu finden und gebraucht zu werden – nicht nur im Beruf. Sie wollen sich Zeit
nehmen, um Beziehungen zu ihrer Familie, zu ihren Kindern und Freunden zu pflegen.
Ein Leben ausschließlich nach der Stoppuhr, nach dem Rhythmus der
neuen Verhältnisse, steht dazu im Widerspruch.
Richtige Kritik an unserem „zukunftsfähigen“ Gesellschafts-
und Wirtschaftssystem, die aber nicht zur Aussage passt: „fast überall in
Europa genießen die Menschen Wohlstand und Lebensqualität wie nie zuvor“.
Dass Lebensqualität für Menschen in Europa etwas anderes sei als andernorts,
grenzt an eurozentrische und zynische Überhebung. (Nebenbei: der Satz liegt
gänzlich daneben, da nirgendwo auf der Welt Jagd nach Wohlstand als
Lebensqualität aufgefasst wird.)
Wir glauben, dass die soziale
Kraft einer Gesellschaft mindestens genauso viel wiegt wie andere
Standortvorteile.
Wir erweisen sozialer Kraft (was immer
das sein soll) keine Referenz, wenn wir sie als Standortfaktor/-vorteil
deklarieren. Sozialdemokraten sollten es nicht nötig haben, bei positiv zu
Würdigendem ständig zuerst nach dessen Nutzen für die Wirtschaft zu schielen.
Im Übrigen ist dieses Argumentieren hier aus Sicht der Wirtschaft völlig fehl
am Platz, denn die Arbeitsplätze werden genau dorthin verlagert, wo die soziale
Kraft in der Gesellschaft die geringste Rolle spielt und wo Soziales
möglichst der Privatsphäre der einzelnen Vereinzelten überlassen wird.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben
Sozialdemokratie, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik
große Fortschritte erstritten. Niemals zuvor konnten so viele Menschen am
kulturellen und sozialen Leben teilnehmen. Und die soziale Absicherung hat
ein hohes Niveau erreicht. Einige dieser Erfolge sind jedoch gefährdet.
Der Abstand zwischen Armen und Reichen vergrößert sich wieder. Und Menschen mit
geringen Qualifikationen oder mit besonderen Schwierigkeiten, einen
Arbeitsplatz zu finden, drohen von den Chancen der Zukunft
abgekoppelt zu werden.
Das Niveau der sozialen Absicherung
ist nicht nur gefährdet, sondern wird kontinuierlich abgesenkt.
Viele Menschen, nicht nur niedrig qualifizierte, finden keinen Arbeitsplatz.
Abkoppelung: von den Chancen der Zukunft droht nicht, sondern
sie findet real statt!
Die Erfüllung des Versprechens,
durch Arbeit für sein eigenes Leben zu sorgen, erscheint vielen gefährdet.
Existenz sichernde Arbeit ist ein von unserer
Verfassung immer noch nicht anerkanntes und ausstehendes Menschenrecht und
nicht etwas, das man nach Belieben versprechen könnte. Dieses Menschenrecht
wird allen Arbeitslosen und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen
verweigert.
Dies betrifft besonders viele
Menschen in den neuen Bundesländern. Die meisten Einwandererfamilien oder
allein erziehende Mütter und Väter kämpfen hart für ihren Lebensunterhalt und
für eine gute Entwicklung ihrer Kinder. Aber manche leben schon in dritter
Generation von Sozialtransfers. Armut vererbt sich häufig, weil viel zu viele
Eltern keine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben und Kinder nicht
ausreichend gefördert werden. Die Chancen auf eine gute Bildung hängen in
Deutschland stärker als anderswo von der Herkunft der Eltern ab. Die Leiter
zum sozialen Aufstieg ist für viele nicht aufgestellt.
Leiter: Um im Bild zu bleiben - sie werden für den Abstieg benötigt!
Chancengleichheit
gründet sich im heraufziehenden Wissenszeitalter
noch stärker als früher auf eine gute Bildung. Dies ist der Schlüssel für eine
berufliche Karriere und für ein selbst bestimmtes Leben. Wissen und Kompetenzen
müssen früh erworben und später immer wieder aufgefrischt werden – im
Kindergarten, in der Schule und in späteren Lebensabschnitten. Eine
erstklassige Bildung für alle wird zur Grundlage, um gesellschaftliche
Spaltungen zu verhindern und Armut zu überwinden.
Chancengleichheit: (einer der neuen Lieblingsbegriffe der
„politisch Modernen“) wird im Horizont eines heraufziehenden Wissenszeitalter
abgehandelt, wobei mit heraufziehend an ein Naturereignis erinnert und
zugleich an Vorsorge gemahnt wird: Eigenverantwortung!
Die wichtigste Voraussetzung für realistische
Chancengleichheit z. B. auf dem Arbeitsmarkt besteht darin, dass es für
jeden Arbeitswilligen einen Arbeitsplatz real auch gibt. Von Chancengleichheit
zu sprechen, wenn hundert Arbeitssuchenden die Möglichkeit gegeben wird, sich
auf nur einen vorhandenen Arbeitsplatz zu bewerben, wäre zynisch.
[...] In vielen Teilen der Welt,
auch in Deutschland, leben die Menschen länger. Seit den 60er Jahren ist die
Lebenserwartung bei uns um zehn Jahre gestiegen. Das ist ein großes Geschenk:
Viele haben die Chance, auch nach der Erwerbstätigkeit noch einen ausgedehnten
Lebensabschnitt zu genießen. Der demografische Wandel verlangt aber auch ein
neues Bild des Alters. Die ältere Generation wird für die aktive Gestaltung der
Gesellschaft künftig stärker gebraucht. Auch die familiären Strukturen
verändern sich. Kinder und Enkelkinder leben nicht unbedingt dort, wo ihre
Eltern und Großeltern leben, die Zahl der Singlehaushalte - auch bei Älteren -
steigt. Mehr Menschen werden im hohen Alter auf die Hilfe der Gesellschaft angewiesen
sein.
demografischer Wandel: Dient vorzugsweise der Dämonisierung von
letztlich nicht exakt zu prognostizierender Bevölkerungsentwicklung und zum
argumentativen Durchpeitschen von „Reformen“. Es wäre sozialdemokratische
Aufgabe, das Phänomen des demografischen Wandels nüchtern zu hinterfragen und
den Begriff nicht unkritisch zur Grundlage eigener Politik zu machen.
Gleichzeitig erfüllen sich immer
weniger junge Männer und Frauen ihren Kinderwunsch. Dies führt zu drastischen
Veränderungen in allen Bereichen des Alltagslebens, von der Arbeitswelt über
die Sozialsysteme bis zur Leistungsfähigkeit ganzer Regionen. Abwanderung
junger Menschen, Rückgang der Bevölkerung und Alterung ganzer Regionen sind
bisweilen schmerzhafte Prozesse. Der schnelle demografische Wandel ist nicht
nur in Ostdeutschland Realität. Keine Region aufzugeben heißt, Menschen
vor Ort dabei zu unterstützen, ihre Heimat lebenswert zu gestalten.
Keine Region aufzugeben: ist Forderung des Grundgesetzes und
Staatsaufgabe!
Heimat lebenswert zu gestalten reicht da nicht aus!
„Lebenswert“ erfreut sich in
politischen Reden und Texten großer Beliebtheit. Obwohl stets falsch gebraucht,
dient doch der Ausdruck dazu, Erfreuliches zu vermitteln, und dabei offen zu
lassen, was konkret zu leisten oder zu fordern wäre. (Ein Auto ist nicht lebenswert
und wird es auch nicht durch besondere Gestaltung, ebenso nicht Haus oder Heimat.)
Religionen und Kulturen sind
zunehmend weltweit verbreitet und vernetzt. Die Menschen finden heute an
fast allen Orten der Welt Angehörige ihrer Kultur, Waren aus ihrer Heimat und
Medien, mit denen sie den Kontakt zu ihren Herkunftsländern lebendig halten.
Und in ihren Heimatländern begegnen sie Angehörigen anderer Kulturen. Besonders
wo soziale Gegensätze aufeinanderprallen, kann das Nebeneinander von
unterschiedlichen Kulturen sowie mangelndes Verständnis für das Fremde zu
Misstrauen und Konflikten führen. Ein friedliches Miteinander erfordert
mehr Wissen über andere Traditionen, Kooperationsbereitschaft und gegenseitigen
Respekt. Keine Religion und Kultur darf Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von
Interessen propagieren.
heute: Das Problem des Miteinanders von verschiedenen Religionen
und Kulturen ist nicht neu und wird auch durch die Globalisierung nicht
wesentlich verändert. Es gab in vergangenen Weltreichen Zeiten großer
religiöser und kultureller Toleranz. Aber auch damit verhält es sich wie mit
allen kulturellen Werten, die dem gesellschaftlichen und individuellen Leben
der Menschen erst das Prädikat human verleihen: sie müssen permanent
gepflegt werden, da sie jederzeit durch Zuspitzungen sozialer
Ungerechtigkeiten und durch die abgründigen Seiten menschlichen Verhaltens
gefährdet sind!
Unsere Städte und Gemeinden sind
durch wirtschaftlichen und technologischen Wandel, demografische Entwicklung
und soziale Integrationsaufgaben besonders gefordert. Zugleich nehmen die
Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu. Angesichts der Globalisierung
wächst die Bedeutung der Kommunen als Orte, in denen Menschen
Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit erfahren.
Globalisierung: wenn die Kommunen nicht genau an dem scheitern
sollen, was ihnen laut Aussage wachsendes Gewicht verleiht, nämlich an der
Globalisierung, dann müssen sie auch an politischer Macht gewinnen, und es muss
die Einsicht wachsen, dass Kommunen entsprechend finanziell auszustatten sind
und nicht durch Steuerreformpolitik usw. finanzieller Austrocknung überlassen
werden.
Im 21. Jahrhundert haben
sich die Bedingungen für politische Institutionen und Parteien verändert. Ihre
Gestaltungsmacht ist infrage gestellt, weil Grenzen an Bedeutung verloren
haben. Wo sich die unterschiedlichsten Lebensstile herausbilden und
immer mehr Akteure Einfluss nehmen, lösen sich viele Menschen von
traditionellen Parteibindungen. Weil die demokratischen Parteien auf die
gesellschaftliche Gestaltung durch Gesetzgebung zielen, unterscheiden sie sich
von anderen Organisationen politischer Mitwirkung. Dieses ist ihre unverwechselbare
wie unverzichtbare demokratische Legitimation und Verantwortung. Das bleibt
so, auch wenn die Parteien an Vertrauen und Ansehen eingebüßt haben.
Im 21. Jahrhundert: Das Jahrhundert hat gerade erst angefangen,
und schon wird gesprochen als habe man es bereits durchlebt!
an Vertrauen... eingebüßt: Es gilt, Versagen und Selbstentmachtung der
Politik zu benennen, da solche Selbstkritik erst zu Hoffnung auf
Wiedererlangung breiter politischer Akzeptanz berechtigte. Die Selbstinszenierung
als Opfer von sich verändernden Verhältnissen ist das Letzte, womit Politiker
sich empfehlen können.
Vertrauen und Ansehen müssen und
können immer wieder neu gewonnen werden, in dem wir überzeugende
Handlungskonzepte entwickeln. Denn wir erleben kein unpolitisches
Zeitalter. Die Sehnsucht der Menschen nach politischer Orientierung ist groß.
Menschen wollen mitgestalten und an einer verständlichen Politik teilhaben.
Viele engagieren sich in Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen,
Bürgerinitiativen, Interessengruppen, oft weltweit vernetzt. Für die politische
Beteiligung sind die Möglichkeiten der neuen Medien eine große Chance:
Noch nie konnten so viele Menschen ihre politische Meinung vernehmbar äußern
und am politischen Gestaltungsprozess aktiv teilhaben.
Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten sind überzeugt: Wir haben es selbst in der Hand, die Zukunft
friedlich, gerecht und solidarisch zu gestalten. Dazu brauchen wir eine
klare, immer wieder erneuerte Analyse der Zeit.
Zukunft gestalten: Was dafür zu tun hier zaghaft angedeutet
wird, verweigert dieser Entwurf! Hier wäre der Ort für eine klare und
erneuerte kritische Analyse sowohl unserer Geschichte als auch unserer
realen Politik. Hier wäre der Ort für überzeugende Grundsätze und Handlungskonzepte
auf der Grundlage dieser Analysen!
[...]
2. Die Grundwerte
der Sozialen Demokratie
Die deutsche Sozialdemokratie war
immer Teil einer großen internationalen Bewegung. Von Anfang an war es unser
Ziel, eine gemeinsame Politik in Europa und der Welt zu verwirklichen.
Die eine große Bewegung war die Arbeiterbewegung.
Es ist nur logisch, dass eine große internationale Bewegung ein gemeinsames Ziel
hat und dafür gemeinsam Politik macht! Symptomatisch ist, das
Programmatische des Ziels hinter der Betonung der Gemeinsamkeit
verschwinden zu lassen. So wird woher wir kommen gerade hier verschwiegen.
In unserer Zeit wachsen das
dafür nötige Wissen, die Einsicht und die Möglichkeiten.
...das dafür nötige Wissen: für gemeinsame sozialdemokratische
Politik in Europa oder für gemeinsam von europäischen Staaten zu
verwirklichende sozialdemokratische Europapolitik?
In unserer Zeit...: Distanzierung von der eigenen Vergangenheit
und indirekt der Anspruch, über das wachsende Wissen, die bessere Einsicht und
die Strategie zur Nutzung der neuen Möglichkeiten schon zu verfügen. Es ist der
Anspruch, an dem das neue Grundsatzprogramm sich messen lassen muss!
Nicht erst das Berliner
Programm von 1989 hat unseren Blick auf die Dimension einer zusammenwachsenden
Welt gerichtet, auf Frieden und Gerechtigkeit und das Leitbild der nachhaltigen
Entwicklung, die die Grundlagen der menschlichen Zivilisation sichert und bewahrt.
Nicht erst das Berliner Programm...: Der Satz ist als solcher unverständlich,
weil man sich nach Sinn und Motivation fragen muss, da er sinnlos und
unmotiviert erscheint und unlogisch in sich ist. In der Tat, das internationale
Moment, gibt es in allen bisherigen Programmen. Ebenfalls stimmt es und wird
keinen wundern, dass Sozialdemokraten schon immer einen Blick auf Frieden und
Gerechtigkeit gerichtet haben (allerdings nie so undifferenziert wie heute).
nachhaltige Entwicklung: wurde im Berliner Programm wohl erstmalig
so explizit gefordert, wenn auch noch nicht in Leitbildmanier. Irgendwie
spricht hier ein unausgegorenes Ressentiment gegen das Berliner Programm, das
ja irgendwo einmal erwähnt werden muss. Gleichzeitig wird gesagt, dass wir
schon vor jenem Programm nicht von gestern sondern von morgen waren, und
wir auf jenes Programm getrost verzichten können. Es wird aber nicht bedacht,
dass diesem Ressentiment die Überzeugungskraft fehlt, zu begründen, warum an
einem neuen Programm gearbeitet werden muss, wird doch gerade noch behauptet,
die neu eingebrachten Begriffe Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und
Dimension einer zusammenwachsenden Welt seien im Grunde alte Hüte.
Dimension einer zusammenwachsenden Welt: Vermutlich gemeint ist das Ausmaß der
Probleme einer zusammenwachsenden Welt, da sich die Dimension(?) der Welt kaum
ändern lassen wird.
Wir arbeiten weiter am Projekt
des gemeinsamen Europa, das 1925 im Heidelberger Programm eine Vision war
und nun vollendet werden kann.
Dieses Projekt wurde nicht als Vision gesehen,
sondern als pragmatischer Schritt. Nur einmal findet Europa in diesem
Zusammenhang im Heidelberger Programm Erwähnung, und zwar im zweiten
Teil, dem Aktionsprogramm, unter dem Punkt „Internationale Politik“: „Als
Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Internationale kämpft die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands in gemeinsamen Aktionen mit den Arbeitern aller
Länder(...) für die Verwirklichung des Sozialismus.
(...)Sie tritt ein für die aus wirtschaftlichen
Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für
die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa(...)“
Seit ihren Anfängen betrachtet
sich die deutsche Sozialdemokratie als Teil einer Freiheitsbewegung, die
in allen modernen Gesellschaften für mehr Demokratie und
Gerechtigkeit eintritt.
Die große internationale Bewegung (s.
o.) wird jetzt näher, aber immer noch ausgesprochen unpräzise, als Freiheitsbewegung
definiert. Wie auch die Inanspruchnahme des Heidelberger Programms, dient
dies der Behauptung, jetzige und zukünftige Politik der SPD stünden in der Kontinuität
ihrer besten Traditionen.
Gleichzeitig wird durch die Einschränkung des
Bezugs auf moderne Gesellschaften wie nebenbei die Distanzierung
und Disqualifizierung von Freiheitsbewegungen in anderen „Regionen“
mitgeliefert (z. B. in Mittel- und Südamerika, über die sich der Entwurf ausschweigt).
Wir sind stolz darauf, niemals
Krieg, Unterdrückung oder Diktatur über unser Volk gebracht zu haben.
Das ist einer der wenigen aus dem Berliner
Programm übernommenen Sätze. Es sollte überdacht werden, ob ein Stolz
über unterlassene Verbrechen für eine Sozialdemokratische Partei schmeichelhaft
ist! Im Berliner Programm machte das allenfalls noch Sinn, da vorher
ausführlich auch Fehler, Schwächen und Versagen sozialdemokratischer Politik
Erwähnung fanden!
[…] Mit der Wiedergründung der
Sozialdemokratischen Partei in der DDR haben sich mutige
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Solidarität mit den
mittelosteuropäischen Bürgerbewegungen zur Freiheit bekannt.
Dieses allzu Wenige über die Gründung der SDP
in der DDR dient der Mythenbildung. Es lohnte sich, sich näher damit
auseinander zu setzen.
Die SPD kann auf die Erfahrung
von anderthalb Jahrhunderten zurückschauen: Vom Einsatz für die
wirtschaftlichen und politischen Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter im 19.
Jahrhundert bis zur Übernahme nationaler Regierungsverantwortung in der
Weimarer Republik, vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus bis zum
politischen Kampf gegen den Kommunismus, vom Aufbau des demokratischen und
sozialen Rechtsstaates in der Bundesrepublik bis zur Erneuerung des wieder
vereinten Deutschlands am Ende des 20. Jahrhunderts. Auf diesem langen Weg sind
viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Opfer von Verfolgung und Mord
geworden. Sie bleiben uns eine dauerhafte Mahnung und Verpflichtung.
Erfahrungen von anderthalb Jahrhunderten: wenn sich dafür in einem so überdimensionierten
Entwurf nicht mehr Platz findet, fällt dieses Verkürzen unter den Verdacht, programmatisch
zu sein! (siehe auch Anmerkungen unter 5. Unser Weg)
Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten haben die Geschichte unseres Landes, seine politische und
soziale Kultur entscheidend geprägt.
Zu wenig über den Charakter dieser Prägung
und die Ergebnisse der Politik der SPD in unserem Land. Keine Differenzierung
zwischen den Zeiten in Opposition und Zeiten in Regierungsverantwortung. Keine
Unterscheidung der unterschiedlichen Regierungen Brandt und Schröder.
In der SPD haben sich Frauen und
Männer unterschiedlicher weltanschaulicher Überzeugungen, Glaubenshaltungen
und Herkunft zusammengefunden. So wurde die SPD die linke Volkspartei,
als die sie sich seit dem Godesberger Programm von 1959 versteht. Sie hat Impulse
und Ideen verschiedener geistiger Strömungen und politischer Bewegungen aufgenommen:
des Christentums und des Humanismus, der Aufklärung, des Sozialismus
und der Gewerkschaften, der Frauenbewegung und der Neuen Sozialen Bewegungen.
Die Veränderungen des vergleichbaren Absatzes
aus dem Berliner Programm sind gravierend. Ähnliche Satzkonstruktion und
Wortwahl täuschen darüber hinweg.
Der Text im Berliner Programm:
„Unsere geschichtlichen Wurzeln
In der Sozialdemokratischen Partei arbeiten
Menschen verschiedener Grundüberzeugungen und Glaubenshaltungen zusammen. Ihre
Übereinstimmung beruht auf gemeinsamen Grundwerten und gleichen politischen
Zielen. Der Demokratische Sozialismus in Europa hat seine geistigen Wurzeln im
Christentum und in der humanistischen Philosophie, in der Aufklärung, in
Marxscher Geschichts- und Gesellschaftslehre und in den Erfahrungen der
Arbeiterbewegung. Die Ideen der Frauenbefreiung sind bereits im 19. Jahrhundert
von der Arbeiterbewegung aufgenommen und weiterentwickelt worden.“
Die Übereinstimmung auf ein Ziel hin, die die
Gemeinsamkeit von Menschen selbst unterschiedlicher weltanschaulicher Überzeugungen
erst plausibel machen würde, wird ausgespart. Es wird ersetzt durch die Gewissheit
dessen, was wir wissen! (siehe unten!)
linke Volkspartei: die geschichtslose Simplifizierung des
Vorgangs, wie aus einer Arbeiterpartei eine linke Volkspartei
wird, ist exemplarisch für den „neuen“ Umgang mit der eigenen Geschichte.
Wir wissen,
dass Not und Furcht nicht
durch diktatorische Mittel, sondern nur durch die Menschen selbst in freier
Entscheidung und gemeinsamer Anstrengung überwunden werden können,
Not
und Furcht: Sollen Menschen, die unter Not und Furcht leiden, sich frei
gegen Ihre Not entscheiden und gemeinsam (vielleicht mit
denen, von denen sie in Not gebracht wurden und werden?) ihre Furcht und
Not durch Anstrengung überwinden?
[…]
dass wir Visionen brauchen, um
konsequente Reformen voranzubringen,
Visionen:? Welcher Vision wurde sich z. B. bei den Hartz-Reformen
bedient, oder bedeutet dieser Verweis auf Visionen, dass wir zu einem
Begriff von Reform zurückfinden wollen, der die Bezeichnung Reform
verdient? Für Notstandsgesetzgebung bedarf es keiner Visionen und beim Voranbringen,
d. h. beim zügigen Durchsetzen konsequenter Reformen sind Visionen eher
hinderlich.
[…]
dass wir die Ergebnisse
unserer Politik immer wieder selbstkritisch überprüfen müssen.
. . . !
Die gleiche Würde aller Menschen
ist Ausgangspunkt und Ziel unserer Politik. In unserem Bild vom Menschen
vereinen sich humanistische und religiöse Vorstellungen mit Ideen
der Aufklärung.
religiöse Vorstellungen: Gedankenlos vom Berliner Programm
abgeschrieben! Was schon oben unglücklich wirkte, bei der Erläuterung der
Aufnahme geistiger Impulse durch die linke Volkspartei (SPD), wo aus dem
Christentum eine geistige Strömung wurde, das verdichtet sich nun zu komplett
Fragwürdigem. Philosophie der Aufklärung war im Wesentlichen auch Kritik an den
Vorstellungen des Menschen über Religion und über sich selbst. Wie sich nun in
unserem Menschenbild Ideen der Aufklärung mit religiösen Vorstellungen
vom Menschen vereinen, bleibt ein Rätsel. Da es guter alter Brauch in der
Sozialdemokratie ist, Religion zur Privatsache zu erklären, sollten wir es
dabei belassen und nicht ein in Teilen religiöses Menschenbild
propagieren! Das widerspricht nicht der Feststellung des Berliner Programms,
dass die Ideen des demokratischen Sozialismus ihre geistigen (nicht
geistlichen!) Wurzeln teilweise im Christentum haben.
Menschen tragen verschiedene
Möglichkeiten in sich.
Wenn man etwas absolut Triviales über den
Menschen sagen will, dann ist dies eine der elegantesten Möglichkeiten.
Sie sind weder zum Guten noch zum
Bösen festgelegt. Sie sind vernunftbegabt und lernfähig. Daher ist
Demokratie möglich.
Aus der Natur des Menschen kann alles Menschenmögliche
abgeleitet werden. Es fehlt das hier Entscheidende, dass der Mensch dank seiner
Vernunft Gut und Böse unterscheiden kann. Die hier suggerierte Beziehung
zwischen der moralischen Indifferenz des Menschen und Demokratie bleibt deshalb
kurzschlüssig! Ebenso, warum Demokratie nötig sei (siehe unten).
Sie sind fehlbar, können irren
und in Unmenschlichkeit zurückfallen.
Es ist ein scheinbar unausrottbares Klischee, dass
der Mensch, unmenschlich agierend, zurückfalle. Als ob es je in der Geschichte
der Menschheit einen Entwicklungszustand hätte geben können, der von Unmenschlichkeit
geprägt gewesen wäre, und aus dem sich die Menschheit erst hätte herausarbeiten
müssen. Dies gilt auch für das einzelne Individuum.
Darum ist Demokratie
nötig. Jeder Mensch trägt Verantwortung für sein Leben. Niemand kann
oder soll sie ihm abnehmen.
Jeder Mensch trägt Verantwortung: Für seine Nächsten und die
Gemeinschaft, der er angehört und so fort. Das sind wir unserem Anspruch
als soziale Wesen schuldig. Eigentlich muss es heißen: Jeder Mensch trägt
Verantwortung für sein Handeln. Die hier gewählte Fassung enthält als
Untertext einen der Kampfbegriffe des neoliberalen Angriffs auf den Sozialstaat:
Eigenverantwortung.
Unser
Verständnis von Politik widerspricht jedem Allmachtsanspruch über
die Menschen. Wenn Politik selbst Glück und Erfüllung verspricht, läuft sie
Gefahr in totalitäre Herrschaft abzugleiten.
Allmacht über oder Anspruch auf...! (Wenn in einem
Satz zu viel gesagt werden soll, kommt es zu solchen Verrenkungen. Hier hilft
schon, über die Menschen wegzulassen, aber das machte den Inhalt nicht
besser, wie im Weiteren ersichtlich.)
Politik kann nie allmächtig sein, wenn sich
auch mitunter ihre Vertreter so gebärden. Politik hat z. B. nicht die Macht,
Menschen glücklich zu machen, sie kann aber versprechen und alles in ihrer
Macht stehende dafür zu tun, Menschen nicht in Verhältnisse zu bringen oder
Verhältnissen zu überlassen, die Glück systematisch verhindern (Krieg,
Inflation, Lohn-Sklaverei, Epidemien, Umweltkatastrophen usw.). Allmachtsanspruch
widerspricht grundsätzlich demokratischen Prinzipien, und somit jeder Politik,
die sozialdemokratisch sein will. Wir kämpfen daher gegen und klären auf über jeden
Allmachtsanspruch.
„Frei und gleich an Würde und
Rechten“, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt, soll
jeder Mensch sein Leben in Gemeinschaft mit anderen selbst bestimmen können. Wir
streben eine Gesellschaft an, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in
Freiheit entfalten kann, ohne die Würde und Freiheit anderer zu
verletzen.
Wir streben...an: Das unterstellt, alle oder doch zumindest
einige könnten in der heutigen Gesellschaft ihre Persönlichkeit nicht in
Freiheit entfalten, ohne die Freiheit und Würde anderer zu verletzten.
Ohne konkrete Vorstellungen von der zukünftigen Gesellschaft bleibt das Streben
nach ihr leeres Gerede.
Wir widersetzen uns jeder
Form der Diskriminierung. Die Würde des Menschen ist unabhängig von
seiner Leistung und seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit. Darum ist die Gesellschaft
bei Behinderung, im Alter, am Lebensanfang und am Lebensende zum Schutz
der Menschenwürde besonders verpflichtet.
Die
allgemeine Würde des Menschen ist zwar unabhängig von seiner Leistung und
seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit; wenn aber gesunde Menschen daran
gehindert werden, ihre gesellschaftliche Nützlichkeit in den gesellschaftlichen
Produktions- und Reproduktionsprozess vollwertig einzubringen, verletzt das
unweigerlich auch ihre Würde und ist an sich schon eine Form der Diskriminierung.
Dies muss mitgesagt werden, wenn wir der Menschen gedenken, die besonderen
Schutzes bedürfen.
Freiheit und Gleichheit, die Freiheit
der Bürgerinnen und Bürger gegenüber obrigkeitlicher Willkür und
ihre Gleichheit unabhängig von Stand, Religion, Herkunft und Geschlecht – das
sind die beiden Grundorientierungen der politischen Moderne. Die
Verbindung von Freiheit und Gleichheit bildet die Grundlage für unser
Verständnis von Gerechtigkeit.
Freiheit... gegenüber obrigkeitlicher Willkür ist schlicht
schlechtes Deutsch!
Auch wenn unsere Grundwerte altmodisch wären,
würden wir für sie kämpfen müssen. Deshalb ist der Bezug auf die „politische
Moderne“ überflüssig. Er gibt unseren Grundwerten keine zusätzliche
Legitimität! (Die Kritik nimmt den Begriff der „politischen Moderne“ hier
sarkastisch auf und verwendet ihn mitunter in Bezug auf unsere Modernisierer
und ihren Rückgriff auf Angebote von neoliberal zubereiteten Exponaten eines
philosophischen Gemischtwarenladens, oder einfach pur, ohne
philosophiegeschichtlichen Hintergrund.)
Unser Freiheitsbegriff sollte weiter gefasst
werden: Freiheit als emanzipatorischer Akt gegen jegliche Willkür. Freiheit
existiert nur dort, wo sie eingeklagt und eingehandelt werden kann und
auch wird. Erziehung zur Freiheit!
(Siehe auch Anmerkung zu 5. Unser Weg)
Das sozialdemokratische
Verständnis von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität erhielt ihren
besonderen Sinn in den politischen und sozialen Auseinandersetzungen des
19. und 20. Jahrhunderts.
Richtig muss es heißen: Das sozialdemokratische
Verständnis von Freiheit...wurde geprägt von und in den politischen Kämpfen.
Der hier versuchte Kausalzusammenhang bedeutet, dass erst durch die sozialen
Auseinandersetzungen ein schon bestehendes sozialdemokratisches
Verständnis... seinen besonderen Sinn erhalten habe.
Es ging darum, neben den
rechtlichen auch die materiellen Voraussetzungen der Freiheit, neben der
Gleichheit des Rechts auch die Gleichheit der politischen und ökonomischen Teilhabe
und der grundlegenden Lebenschancen, also soziale Gerechtigkeit,
zu erkämpfen.
Hier
geht es darum, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit durch einen
schiefen Verweis auf die Geschichte (schief durch die gleichzeitige Einführung
der bei den „politisch Modernen“ beliebten Begriffe Teilhabe
und Lebenschancen) neu zu definieren, d. h., einen
„modernen“ Begriff von sozialer Gerechtigkeit zu prägen.
(Zum Problem des Chancenbegriffs im
sozialdemokratischen Diskurs siehe auch weiter unten!)
Dass dies gründlich misslingt, sollte sofort
einleuchten, wenn man fragt, was unter kapitalistischen Produktionsbedingungen
der rationale Kern von Gleichheit der ökonomischen Teilhabe sein könnte!
Freiheit bedeutet die Möglichkeit,
selbst bestimmt leben, Autor des eigenen Lebens sein zu können.
Die Bedeutungen der Freiheit sind ein
weites Feld. Die Beschränkung auf die Bedeutung von Freiheit als Möglichkeit
von selbst bestimmtem Leben führt allerdings eher, ganz im Sinne der „Politischen
Moderne“, zu einer Verengung unseres Freiheitsbegriffs hin zu einem
individualistischen.
Die freie Entfaltung der
Persönlichkeit hat Voraussetzungen: Dazu zählt die Abwehr von Willkür und
Unterdrückung ebenso wie der Zugang zu den sozialen, ökonomischen,
kulturellen und politischen Bedingungen der Freiheit. Die Teilhabe an
der Gesellschaft und die individuelle Bereitschaft zu verantwortlicher
Gestaltung des eigenen wie des gemeinschaftlichen Lebens sind gleichermaßen
Voraussetzungen von Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen endet dort,
wo sie die Freiheit eines Anderen verletzt.
Die Teilhabe an der Gesellschaft...(ist eine der) Voraussetzungen von
Freiheit: Das ist nicht mehr, als wenn man sagte: Atmen ist eine
Voraussetzung für die Teilhabe an Luft, oder: Luft ist die Voraussetzung für
die Teilhabe an Freiheit. Die Umkehrung der Satzaussage: Freiheit ist Voraussetzung
von Teilhabe an der Gesellschaft wäre ebenso falsch oder richtig, je nach
dem, was dabei konkret vorstellt wird.
Absurditäten, die bei den Versuchen
entstehen, Begriffe wie Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Emanzipation und
viele andere neu zu fassen, um sie für die „heutige Zeit“ als weiterhin
sozialdemokratische gesellschaftsfähig zu machen, haben ihre Ursache in
der Unmöglichkeit dieses Unterfangens selbst, und lassen sich nicht vermeiden!
Gerechtigkeit ist Ausdruck der
gleichen Würde jedes Menschen.
Gerechtigkeit: ist nicht Ausdruck der gleichen (allgemeinen)
Menschenwürde, sondern kann als ein Prinzip von Handeln in der
Anerkennung dieser Menschenwürde zum Ausdruck kommen.
Sie bedeutet gleiche Freiheit
und gleiche Chancen unabhängig von Herkunft oder Geschlecht.
Für eine wirklich gerechte
Gesellschaft reicht die Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger vor
dem Gesetz nicht aus. Gerechtigkeit verlangt vielmehr, dass alle
Menschen die gleichen Chancen haben, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Sie
verlangt, dass alle die gleichen Möglichkeiten erhalten, an Bildung, an
Arbeit, an sozialer Sicherheit, an Kultur und Demokratie teilzuhaben.
eine
wirklich gerechte Gesellschaft: ist eine Art Utopia. Wir sollten die
ideologischen Finger davon lassen. Was hier als Voraussetzungen dafür
„erläutert“ wird (Chancen und Möglichkeiten usw.), taugt
jedenfalls nicht für die Verwirklichung einer gerechten Gesellschaft.
Abstrakte Gleichheit und Möglichkeiten sind nichts als leere Phrasen, solange
ihnen nicht einklagbare Rechte und dafür geeignete Gesetze entsprechen.
Immer noch ist unsere
Gesellschaft durch Privilegien gekennzeichnet. Die ungerechte Verteilung
von Einkommen, Vermögen und Chancen teilt die Gesellschaft in solche,
die über andere verfügen, und solche, über die verfügt wird und deren
Selbstbestimmung und politische Mitwirkung rasch an Grenzen stoßen.
ungerechte Verteilung: Was machen wir aus diesen Einsichten?
Unsere Gesellschaft ist geteilt, gespalten durch institutionalisierte
und staatlich verbürgte und geschützte Ungerechtigkeit, so der Klartext. Welche
Details sind Ursache dieser Ungerechtigkeiten? Sozialdemokraten haben dies
schon einmal gewusst! Aber dies Wissen nötigte zu Konsequenzen, die nicht in
die „moderne politische Landschaft“ passen.
Das beeinflusst auch die
Willensbildung in Politik und Staat. Gleiche Lebenschancen bedeuten
nicht Gleichförmigkeit, sondern Entfaltungsraum für individuelle Neigungen und
Fähigkeiten. Menschen sind verschieden. Aber natürliche Ungleichheiten und
soziale Herkunftsunterschiede dürfen nicht zum sozialen Schicksal
werden. Lebenswege dürfen nicht von vorneherein festgelegt sein. Deshalb
erfordert Gerechtigkeit mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen,
Eigentum und Macht. Eine gerechte Politik garantiert gleiche Zugangsmöglichkeiten
zu öffentlichen Gütern, Chancengleichheit und eine der Leistung
angemessene Einkommens- und Vermögensverteilung. Die Leistung eines jeden
Menschen muss anerkannt und respektiert werden. Wer durch Einkommen und
Vermögen Vorteile genießt, muss angemessen zum Wohl der Gesellschaft beitragen:
Eigentum verpflichtet. Gerechte Politik respektiert die Unterschiede der
Lebensformen, des Glaubens, der Weltschauung und der Kultur. Sie gewährleistet,
dass jeder Mensch, ganz gleich was er leisten kann, frei von Not leben und am gesellschaftlichen
Leben teilhaben kann.
Da konsequentes Handeln, selbst so weit es
das Grundgesetz erlaubte, als Klassenkampf unter Generalverdacht gefallen ist
und tabuisiert wird, bleibt nur, davon zu reden, was Gerechtigkeit erforderte,
was gerechte Politik garantiere, respektiere und gewährleiste
- z. B. mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und
Macht. Das ist: „Kampf“ für ein utopisches Ziel (die wirklich
gerechte Gesellschaft) mit den utopischen Mitteln des Wir-Wissens, Wünschens
und Wollens.
Solidarität bedeutet
wechselseitige Verbundenheit, Zusammengehörigkeit und Hilfe. Sie ist die
Bereitschaft der Menschen, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu
helfen, zwischen Starken und Schwachen, zwischen Generationen, zwischen den Völkern.
Solidarität bedeutet: weit mehr. Der Satze spart eine wesentliche,
sozialdemokratisch relevante Bedeutung des Solidaritätsbegriffs aus: „das
unbedingte Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und
Ziele“ (zitiert nach: Duden - Das große Fremdwörterbuch 2003). Der Rest
ist solidarische Träumerei nach dem Motto: Wenn alle Menschen der Welt!
Solidarität schafft Macht zur
Veränderung. Das ist die Erfahrung der Arbeiterbewegung. Solidarität
ist eine starke Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhält – in spontaner
und individueller Hilfsbereitschaft, mit gemeinsamen Regeln und Organisationen,
im Sozialstaat als politisch verbürgter und organisierter Solidarität.
Macht: nur politische Solidarität, und um die sollte es im
Programm einer sozialdemokratischen Partei gehen, ist eine Macht, die
politische Veränderungen bewirken kann! Gemeint sein dürfte hier nicht die „Solidarität“
des barmherzigen Samariters (die damit nicht klein geredet werden soll).
Sonst könnten wir auch die Macht der Liebe in unser Programm aufnehmen, die
auch so manches verändern kann! Wenn hier mit Solidarität eine solche gemeint
ist, die den Riss, der durch die Gesellschaft geht, kitten soll, dann ist es
genau nicht die der Arbeiterbewegung!
Freiheit, Gerechtigkeit,
Solidarität bilden eine Einheit. Sie sind gleichrangig und gleichwertig. Sie
bedingen, begrenzen und ergänzen einander.
Das erinnert an Dialektik, wirkt mystisch,
ist aber, so generell behauptet, unlogisch. Zumindest sollte Freiheit nicht
Gerechtigkeit begrenzen dürfen!
(s. auch Anmerkung zu 5. Unser Weg)
Wir verteidigen ein Grundwerteverständnis,
das Freiheit nicht auf die Freiheit des Marktes, Gerechtigkeit nicht auf den
Rechtsstaat, Solidarität nicht auf Armenfürsorge reduziert.
Das klingt gut
auf Wahlkampfveranstaltungen, kann allerdings nicht über die Dürftigkeit der
positiven Definitionen unserer Grundwerte hinwegtäuschen!
Die Sozialdemokratie will
die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, garantiert durch
die Grundrechte und orientiert an der Idee der solidarischen
Bürgerschaft. Wir können die Verhältnisse durch gemeinschaftliches und
solidarisches Handeln verbessern.
Früher kämpfte die Sozialdemokratie
für etwas. Heute will sie etwas! Und was sie will – unverbindlicher kann
man es kaum formulieren: gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen!
Können die Grundrechte etwas
garantieren, und wer garantiert die Grundrechte? Gerechte Politik!
Idee der solidarischen Bürgerschaft: diese Idee (bei „google“ fünfzehn mal
erwähnt) ist keine Idee, die sozialdemokratischem Denken Konsistenz verleihen
kann. Ihre Grundtendenz ist das Hoffen auf die Durchsetzung des allgemeinen
Interesses durch den guten Willen aller Bürger bei Ausblendung gravierender
gesellschaftlicher Interessenkonflikte.
Wir sind uns einig in dem
Ziel, für alle Menschen ein Leben in Freiheit, ohne Ausbeutung, frei von Gewalt
und Unterdrückung zu ermöglichen. Im Bewusstsein, dass das Streben nach
einer unseren Grundwerten entsprechenden Gesellschaft eine dauernde Aufgabe
ist, bekennen wir uns zu der unsere Geschichte prägenden Idee des
demokratischen Sozialismus. Er ist kein Dogma und beschreibt
keinen Endzustand, sondern die Vision einer freien, gerechten und solidarischen
Gesellschaft, für deren Verwirklichung wir auch weiterhin eintreten. Die
Arbeit für dieses Ziel und das Prinzip unseres Handelns ist
die Soziale Demokratie. Denn nichts kommt von selbst und jede Zeit
verlangt ihre eigenen Antworten.
Dieser Absatz
ist gewissermaßen der programmatische Höhe- und Wendepunkt dieses Entwurfs! Ein
letztes erinnerndes Aufflackern der Idee des demokratischen Sozialismus
am Horizont der Vergangenheit, ein letztes Bekenntnis zu ihr - und umgehend ihre
umständlich verschämte Ersetzung durch den Begriff der Sozialen
Demokratie! Umständlich, weil nicht einfach gesagt wird: hiermit ersetzen
wir die Idee des Demokratischen Sozialismus, durch den ehedem die
Idee des (schlichten) Sozialismus ersetzt wurde, durch die Idee
der Sozialen Demokratie! Sondern, weil vorerst so getan wird, als werde die
Idee des Demokratischen Sozialismus lediglich bereichert durch den Begriff der
Sozialen Demokratie, der zu verstehen sei als Ausdruck für die Arbeit für
dieses Ziel (Demokratischer Sozialismus) und gleichzeitig als das Prinzip,
nach dem wir dabei handeln. Was diese Begriffsverrenkungen sagen sollen, lässt
sinnvoll sich nicht rekonstruieren. Dramaturgisch fungieren sie jedenfalls als
retardierendes Moment vor der beabsichtigten Inthronisation der Sozialen
Demokratie. Nach einer entspannenden volkstümlichen Phrase ist es dann
soweit. Sie darf im neuen Kapitel auftreten, als hätte es sie immer schon gegeben.
3. Soziale
Demokratie im 21. Jahrhundert
Unter den Bedingungen der Zeit,
in der wir leben, gewinnt die Idee der Sozialen Demokratie neue Bedeutung.
Gewinnt... neue Bedeutung: Diese Wendung ist offensichtlich der
rhetorischer Trick, mit dem gewissermaßen geräuschlos behauptet werden kann,
dieser neu eingeführte Terminus habe schon immer Bedeutung gehabt.
Zugleich wird vermittelt, dass die alte Idee an Bedeutung verliert, was bestens
damit korrespondiert, dass jede Zeit ihre eigenen Antworten (sprich
Termini) verlangt.
Das Zeitalter der
Globalisierung ist Ergebnis menschlichen Handelns und kann deshalb durch
demokratische Politik gestaltet werden.
Es geht nicht um das Zeitalter der
Globalisierung, sondern um das Problem der Globalisierung im Zeichen neoliberaler
Ideologie und Herrschaft (die am Anfang dieses Jahrhunderts deutlicher
zu Tage tritt und tiefe Schatten wirft). Dass die Globalisierung Ergebnis
menschlichen Handelns ist, ist eine triviale Aussage. Wenn sie dennoch hier getroffen
wird, wozu dient sie dann? Erstens greift sie die Auffassung der Neoliberalen
an, dass Globalisierung das Werk von vom Menschen unabhängigen Gesetzen des Marktes
usw. sei, und zweitens verschweigt sie in ihrer allgemeinen Art,
dass dieses menschliche Handeln politisches Handeln von konkreten Menschen
ist, von Politikern, Wirtschaftsbossen usw. Die einfache (scheinbar richtige)
Schlussfolgerung einer Lösung des Problems durch demokratische Politik wird nun
dadurch möglich, dass man demokratische Politik mit menschlichem Handeln
gleichsetzen kann. Da dies menschliche (politische) Handeln, das zu den beklagten
Aspekten der Globalisierung führt, auf diese Weise nicht näher untersucht
werden muss, kann völlig unberücksichtigt bleiben, was zu tun wäre und welche
Strategien zu entwickeln sind, um all die positiven Veränderungen durchsetzen
zu können, von denen in diesem Programmentwurf geredet wird.
Geht man das Problem anders an, wird es
schwieriger: die Misere neoliberaler Globalisierung ist das Ergebnis von Politik,
ob nun demokratisch zustande gekommen oder wie auch immer, zu verantworten von
Politikern usw. die an den Schalthebeln der Macht sitzen (sonst hätten wir
nicht das Ergebnis). Diese Leute haben ihre Gründe (Interessen) und Ideologien,
und viel Geld und vieles andere mehr. Man kann voraussagen, dass sie nicht
davon zu überzeugen sein werden, ab heute oder morgen Globalisierung
sozialdemokratisch oder auch nur demokratisch zu gestalten.
Will man sich realistisch der Lösung von
Problemen dieser Art nähern, wird man die Frage nach den Interessen und
der Macht nicht verdrängen dürfen!
Die im Folgenden rhetorisch aufgestellten
Alternativen zeigen die Dringlichkeit der Probleme, lassen es aber im Weiteren
dabei bewenden:
(s. a. Anmerkungen zu Globalisierung gestalten!)
Unsere Gesellschaft steht vor der
Wahl:
Entweder wir lassen dem Wandel
unserer Zeit freien Lauf - oder wir gestalten ihn im Sinne unserer
Grundwerte.
Dieser Satz lässt das Wesentliche des
einleitenden einseitig vergessen: dass auch dann, wenn wir dem Wandel (unserer
Zeit) freien Lauf lassen, die gestaltenden Kräfte menschlichen Handelns am
Werk sind, nur nicht die unseren.
Entweder wir beschränken
uns auf die bloße Verteidigung des Bestehenden - oder wir bringen die
Potenziale unserer Gesellschaft zu ihrer vollen Entfaltung.
Die Unsinnigkeit der beschworenen Alternative wird
deutlich bei Konkretisierung des Bestehenden. Sie dient der Apologie von
sozialdemokratischer Regierungstätigkeit der letzten Jahre! Wenn man an den
realen Abbau des Sozialstaats denkt, könnte man zynisch auch sagen, die Potentiale
unserer Gesellschaft reichten nicht einmal für die bloße Verteidigung des
Bestehenden!
Entweder wir lassen zu,
dass die ökologische Krise die Grundlagen unserer Zivilisation zerstört - oder wir
schaffen die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise.
Entweder wir lassen es
zu, dass die Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen Privilegierten und
Benachteiligten immer größer wird - oder wir betreiben eine Politik, die
soziale Gegensätze verringert und die allen Menschen die Chance auf eine selbst
bestimmte Lebensgestaltung eröffnet.
Welchen Weg wir
einschlagen - das wird über die Lebensqualität, den Wohlstand und den Zusammenhalt
unserer Gesellschaft entscheiden. Fortschritt braucht Soziale
Demokratie. Dafür wollen wir die Menschen gewinnen.
In diesem Entweder-Oder-Abschnitt (wie auch
im gesamten Entwurf, nur hier besonders markant) ist unablässig die Rede von
einem Wir, das ständig seine Bedeutung ändert. Ein Wir, an das wir
(Sozialdemokraten) appellieren, mal die ganze Menschheit meinend (uns
einbegriffen), mal nur uns Sozialdemokraten, mal alle Angehörigen unserer
Gesellschaft und so fort. Diese Art des Redens lässt in der Schwebe, wer
und was von den genannten Bedeutungen und Bezügen jeweils gemeint ist. Dieses
ganze Entweder-Oder-Spiel ist rein rhetorischer Natur und für eine ernsthafte
Darlegung unserer Grundsätze ungeeignet! Hier kann aber mit Recht gefordert
werden, dass das, was gesagt wird, auch stringentem Denken standhält!
Den politischen Streit mit den Gegnern
der Sozialen Demokratie führen wir mit großem Selbstbewusstsein. Heute
müssen wir uns vor allem mit drei politischen Strömungen innerhalb des
demokratischen Meinungsspektrums auseinandersetzen, die auf je andere Art verhindern,
dass die Menschen ihre Potentiale bestmöglich ausschöpfen können:
Wenn wir mit Gegnern unseres Projekts Soziale
Demokratie politisch streiten, müssen wir sie benennen. Als Partei
müssen wir sie auch in den anderen Parteien verorten können. Wenn wir uns
mit politischen Strömungen auseinandersetzen, müssen wir ihre
verschiedenen Denk- und Glaubensansätze benennen und Ansätze dieses Denkens
(auch in der eigenen Partei) diskutieren und bekämpfen. Das wird weder hier mit
dem allgemeinen Rundumschlag, noch im Weiteren geleistet.
Konservative halten an
überkommenen Privilegien fest und berufen sich auf angeblich natürliche
Ungleichheiten, um anderen Menschen den Zugang zu Lebenschancen, Aufstiegsmöglichkeiten
und Wohlstand zu verwehren.
Eine wohl eher unseriöse Charakterisierung
relevanter konservativer Strömungen.
Marktradikale predigen
Freiheit und Wettbewerb, aber erkennen nicht, dass eine dynamische
Gesellschaft der Freien und Gleichen immer soziale Voraussetzungen hat. Sie
kann nur dort gedeihen, wo gestaltende Politik die Bedingungen für die Teilhabe
und Leistung aller Menschen immer wieder erneuert.
Marktradikale: Dass wir unser Problem mit ihnen auf ein
Problem ihrer Erkenntnisfähigkeit reduzieren, ist eher eines unserer
eigenen Erkenntnisfähigkeit: zuerst müssen wir uns fragen, ob das, was als
Erkenntnisproblem der Marktradikalen behauptet wird, nicht all zu naiv
formuliert wurde. Dies dahingestellt, erkennen sie sehr wohl, was wir
wollen, aber sie wollen es nicht, da die Gesellschaft, die wir
(eigentlich) anstreben, ihren ureigensten Interessen widerspricht. Das wollen wir
wiederum nicht wahrhaben, da unsere Erkenntnisfähigkeit getrübt ist durch das Ausblenden
„der Schärfe“ der unserer Gesellschaft zu Grunde liegenden Interessenkonflikte.
Dieses Ausblenden ist das Kernproblem unserer gegenwärtigen Parteiphilosophie
und damit unserer Partei (als einer noch sozialdemokratischen), und wird deshalb,
je länger der Text, umso ausführlicher auch in diesem Grundsatzpapier zum
Ausdruck kommen müssen!
Populisten leugnen
veränderte Realitäten und klammern sich an überkommene nationalstaatliche
Instrumente. Sie gaukeln den Menschen vor, ein Ausstieg aus der Wirklichkeit
unserer Zeit sei möglich - verbauen ihnen aber gerade dadurch die Zukunft.
Populismus ist keine politische
Strömung sondern ein meist abwertend gebrauchter Begriff zur Kennzeichnung von
auf Volksgunst zielende Vermittlung von Politikinhalten. Der Vorwurf des
Populismus, wie übrigens auch der des Konservativismus, kann zu Recht oder
Unrecht Erscheinungen in allen politischen Strömungen des demokratischen
Meinungsspektrums treffen.
Einig sind wir uns mit allen
Demokraten darin, den Grundkonsens unserer freiheitlichen Demokratie gegen alle
Feinde der offenen und toleranten Gesellschaft zu verteidigen.
Deshalb werden wir entschlossen und gemeinsam gegen rechtsextremistische,
antisemitische, menschen- und verfassungsfeindliche Bestrebungen jeder Art
vorgehen.
offene Gesellschaft: im ihrem Begriff ist ihr toleranter
Charakter schon enthalten. Ohne tolerant aber würde deutlich, dass man
es so auch nicht sagen wollte.
Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten stellen uns der Realität: Die Welt, Europa, unser eigenes
Land verändern sich in schnellem Tempo, wir erleben es tagtäglich bis hinein in
unsere Stadtviertel, Gemeinden, Betriebe oder Schulen. Wollen wir erreichen, dass
die Werte und Ziele der Sozialen Demokratie auch das
21. Jahrhundert prägen, dann kommt es darauf an, die vielfältigen Chancen
der Veränderung unerschrocken zu ergreifen.
Der Wunsch, erreichen zu wollen, dass die Werte und Ziele der Sozialen Demokratie auch
das 21. Jahrhundert prägen,
baut am Mythos einer Ideen-
und Wertekontinuität, die es in der Geschichte der Sozialdemokratie so nie
gab. Dieser Mythos wiederum dient dazu, den gegenwärtigen Versuch, die Partei
endgültig auf einen systemkonformen Weg zu führen, zu einem
geschichtsnotwendigen Prozess, zu einem „realistischen Gehen mit der Zeit“ zu
verklären. In Wirklichkeit ist die Geschichte der Sozialdemokratie in dramatischer
Weise geprägt worden von einem ständigen Auf und Ab im Kampf zwischen,
vereinfacht gesagt, systemkonformen Kräften, Opportunisten genannt, und den
Befürwortern einer Systemalternative, den Linken. Das spiegelt sich auch in den
verschiedenen Programmen, in ihren Zielen und in den jeweiligen Interpretationen
der sozialdemokratischen Grundwerte wider.
Um nichts anderes geht es auch heute! Und
dies wird so bleiben, solange die Partei nicht endgültig mit ihrer systemkritischen
Tradition bricht, aus deren Sicht keine grundlegende Lösung der
dringendsten Probleme unserer Welt innerhalb des kapitalistischen Gesellschaftssystem
zu erwarten ist.
Nur wer handelt, schafft
die Voraussetzungen dafür, dass wir die neuen Risiken und
Gefahren unserer Zeit meistern können.
So entschlossen die Rede auch geführt wird,
der Satz bleibt eine leere Phrase und ist in sich falsch. Er besagt nämlich:
wer handelt, schaffe (für uns) Voraussetzungen dafür, dass wir die neuen
Risiken meistern können! Das ist nicht gemeint, steht aber so da.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen
wir uns vier großen Aufgaben:
(1.) Wir wollen die
Globalisierung freiheitlich, gerecht und solidarisch gestalten.
(s. a. prinzipielle Anmerkung zu
„Globalisierung gestalten“)
Dafür müssen wir politische Handlungsmacht
zurückgewinnen. Das erfordert ein starkes und soziales Europa ebenso wie
eine globale Verantwortungsgemeinschaft von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und
Politik.
Handlungsmacht zurückgewinnen: Wir (Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten)
wollen die Globalisierung nach unseren Werten gestalten, dafür müssen
wir die Handlungsmacht zurückgewinnen, das erfordert die Voraussetzung eines starken
und sozialen Europas, was wiederum eine globale Verantwortungsgemeinschaft
erfordert, und dazu braucht man wiederum dieses und jenes und so ad infinitum.
So kommen wir kaum zum Handeln!
(2.) Wir wollen eine Politik der
neuen Wertschöpfung. Sie ermöglicht qualitatives Wachstum, Wohlstand
und Arbeit für alle sowie die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die
Soziale Marktwirtschaft der Zukunft muss offensiv neue Märkte erschließen,
den technischen Fortschritt in den Dienst der Menschen und der Umwelt stellen
und fairen Wettbewerb garantieren.
„Neue Wertschöpfung“ ist ein Begriff,
mit dem im „modernen“ ökonomischen Diskurs der Versuch unternommen wird,
Profitmaximierung mit Ökologie zu versöhnen nach dem Grundsatz, man darf die
Kuh, die man melken will, weder schlachten noch verhungern lassen. Wie
sozialdemokratische Politik der neuen Wertschöpfung aussehen soll,
bleibt im Dunkeln.
(3.) Wir wollen den Vorsorgenden
Sozialstaat, der Chancen für ein selbst bestimmtes Leben schafft,
gerechte Teilhabe und sozialen Aufstieg ermöglicht und durch
Solidarität Sicherheit gewährleistet.
sozialer Aufstieg: Der Gang durch die
Schichten - Unterschicht, Mittelschicht, Oberschicht?
(Siehe auch Anmerkungen zu 4.6 Der
Vorsorgende Sozialstaat!)
(4.) Und wir wollen auf
allen Ebenen die riesigen Potenziale und Kräfte der Selbstorganisation
einer Aktiven Bürgergesellschaft stärken.
Um dieser Aktiven Bürgergesellschaft
Handlungsspielraum gewähren und Handlungsrecht abtreten zu können, bedürfen wir
zuerst selbst der Wiedergewinnung von Handlungsmacht (s. o.).
Diese Vorhaben
bestimmen die Idee der Sozialen Demokratie für das 21. Jahrhundert. In ihrer
Einheit stellen sie nicht Ökonomie gegen Ökologie, nicht Staat gegen Bürger,
nicht Leistung gegen Solidarität. Sie überwinden alte Gegensätze im
Interesse der Menschen.
Diese Vorhaben: Nicht die Idee bestimmt also unsere
Vorhaben, sondern unsere Vorhaben bestimmen die Idee (der Sozialen
Demokratie). Das ist einer der Schlüssel zum Verständnis des neuen Grundsatzprogramms!
Diese Vorhaben überwinden Gegensätze (es fehlt explizit
nur noch der zwischen Kapital und Arbeit) quasi dadurch, dass sie diese
Gegensätze im Interesse der Menschen veralten lassen. Wir lassen
sie einfach absterben - wären wir doch eher auf die richtigen Vorhaben gekommen!
4.1 Eine
friedliche, freie und gerechte Weltordnung
Die internationale Politik der
deutschen Sozialdemokratie dient dem Ziel, Konflikte zu verhindern und Frieden
zu schaffen. Unsere Prinzipien dafür sind Verständigung und internationale
Solidarität. Wir setzen auf Dialog, den fairen Ausgleich unterschiedlicher
Interessen und auf die Idee, die Macht dem Recht unterzuordnen. Die SPD ist die
Friedenspartei in Deutschland und Europa.
Es gibt keine Partei, die von sich behauptet,
sie wolle mit ihrer Politik Konflikte schaffen und Kriege führen - friedensschaffende
Kriege, wie den Krieg gegen den Terror, ausgenommen.
Diese Zielrichtung der
internationalen Politik der Sozialdemokratie ist für das anbrechende globale
Zeitalter notwendiger denn je. Die Menschheit kann zum ersten Mal in
ihrer Geschichte zentrale Probleme nur noch gemeinsam lösen. Darum arbeiten wir
für die Entwicklung einer gemeinsamen Weltinnenpolitik mit starken Vereinten
Nationen und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung.
Dass sozialdemokratische Friedenspolitik notwendiger
denn je ist – diese Feststellung impliziert zugleich eine Verharmlosung der
Opfer zweier Weltkriege. Zuviel sagende Phrasen geben manchmal mehr her als
bedacht.
[…]
Die
Sozialdemokratie
ist sich der gewachsenen Verantwortung Deutschlands für den Frieden
in der Welt bewusst. Wir nehmen diese aktive internationale Rolle an und wollen
uns nach Kräften dafür engagieren.
Klartext: hier ist vor allem der militärische Aspekt
einer gewachsenen Verantwortung gemeint. Wer bietet uns diese aktive
Rolle so großzügig und „selbstlos“ an? Mit der Phrase „Verantwortung für den
Frieden“ lassen sich Kriege „am schönsten“ führen!
Dabei
stimmen wir uns mit unseren Partnern eng ab und handeln gemeinsam
mit internationalen Institutionen.
Wer sind unsere Partner, also Partner
der deutschen Sozialdemokratie? Es handelt sich hier um den Text des Grundsatzprogramm
einer freien sozialdemokratischen Partei, das durchaus zu berücksichtigen
hätte, dass Partner einer deutschen Regierung nicht die Partner einer oppositionellen
deutschen Sozialdemokratie sein könnten.
Deutsche
Interessen
in der Welt können wirksam nur noch gemeinsam mit unseren Partnern in
der Europäischen Union zur Geltung gebracht werden.
In einem sozialdemokratischen Programm von deutschen
Interessen zu sprechen, ist neu. In der Vergangenheit waren so genannte
deutsche Interessen immer Interessen der deutschen Wirtschaft und des
deutschen Militärs, nie die des deutschen Volkes. Es müsste geklärt werden,
was neuerdings deutsche Interessen in der Welt für Sozialdemokraten sein
könnten!
[…]
Nicht das Recht des Stärkeren,
sondern die Stärke des Rechts schafft internationale Sicherheit.
Das bleibt leere Phrase, solange es Stärkere gibt,
die sich dem Recht nicht unterwerfen, und nicht gesagt wird, wie man dem
begegnen will. Ein an einer internationalen Rechtsordnung Weiterarbeiten reicht
dafür nicht aus!
Deshalb arbeiten wir weiter an
einer gerechten internationalen Rechtsordnung, die allen Menschen ein würdiges
und selbst bestimmtes Leben ermöglicht. Wir legen unserer internationalen
Politik einen umfassenden Sicherheitsbegriff zugrunde. Sicherheit für
alle Menschen setzt Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, Demokratie, soziale,
wirtschaftliche, kulturelle und nachhaltige Entwicklung voraus. Deshalb treten
wir für Multilateralismus und für gleiche Entwicklungschancen in
einer gerechten Weltwirtschaftsordnung ein.
Mulilateralismus an sich sagt noch nichts aus über den Charakter
der Politik, die multilateral durchgesetzt werden soll. Deshalb muss die SPD
nicht grundsätzlich dafür eintreten.
Wir begegnen anderen
Völkern mit Freundschaft, Offenheit und Respekt.
Man kann niemandem mit Freundschaft begegnen;
Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Man kann sie anderen anbieten und für
sie bereit sein; man kann anderen freundlich begegnen.
Zum kulturellen Erbe der
Menschheit haben viele Zivilisationen ihren Beitrag geleistet, den
wir anerkennen.
Das kulturelle Erbe der Menschheit: reicht weit in Zeiten
zurück, da der Mensch noch kein Zivil trug. Warum wollen wir mitteilen, dass
wir das kulturelle Erbe der Menschheit anerkennen, oder, dass wir nicht nur unser
eigenes Erbe anerkennen, oder noch drastischer, dass wir bereit sind anzuerkennen,
dass auch andere ein kulturelles Erbe haben?
Denjenigen, die einen Kampf
der Kulturen beschwören, erteilen wir eine klare Absage. Wir wollen das
Wissen über andere Kulturen und Religionen deutlich erweitern. Wir bekennen
uns zu einer aktiven auswärtigen Kulturpolitik, die Interesse und Verständnis
für unser Land weckt und den Dialog mit anderen Kulturen fördert.
Das Wissen
über andere Kulturen usw. können wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten kaum deutlich erweitern, es sei denn, wir seien in der
Forschung tätig. Wir können allenfalls unser Wissen deutlich erweitern.
Das Bekenntnis zu einer aktiven
auswärtigen Kulturpolitik, was immer das im Unterschied zu einer passiven
auswärtigen Kulturpolitik sein mag, scheint eher einem speziellen Interesse an
der Finanzierung derartiger Aktivitäten geschuldet zu sein, als dass es als
Selbstverständlichkeit ernsthaft einen Platz im neuen Grundsatzprogramm beanspruchen
dürfte!
Deutschland steht wegen
seiner Geschichte in besonderer Verantwortung für Frieden und Verständigung.
Wegen seiner Geschichte - das ist recht harmlos ausgedrückt!
Von deutschem Boden darf
nie wieder Krieg ausgehen.
Von deutschem Boden: ist ein sich auf herkömmliche Kriegsführung
beziehendes Bild. Wir sollten heute präziser ausdrücken, was wir wollen.
Vielleicht: von deutschen Luftwaffenbasen...?
Wir verpflichten uns zur Verantwortung
gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und zu einer lebendigen
Erinnerungskultur.
Verantwortung gegenüber den Opfern: bleibt dies leeres Gerede, oder sind wir
willens, den letzten noch Lebenden eine anständige Rente zukommen zu lassen?
Die Sozialdemokratie bekennt sich
zur besonderen Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht Israels. Auch
deswegen engagieren wir uns für einen umfassenden Frieden im Nahen Osten auf
der Grundlage internationaler Übereinkünfte. Wir setzen uns für die Selbstbestimmung
des palästinensischen Volkes und die Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen
Staates ein.
Lebensfähigkeit ist das Mindeste, was man
einem Staat, für den man sich einsetzt, zubilligen muss. Dies kann vielleicht
in der Terminologie aktueller Außenpolitik noch durchgehen im Gegensatz
zu unwürdigeren Varianten, aber unser Programm sollte sie nicht übernehmen!
Die SPD will die
transatlantische Partnerschaft erneuern. Deutschland, Europa und die Vereinigten
Staaten von Amerika teilen gemeinsame Werte. Auf dieser Grundlage arbeiten
Europa und Nordamerika auch in der NATO eng zusammen. Nach dem Zusammenbruch
des Kommunismus braucht das transatlantische Bündnis jedoch ein neues, am
globalen Zeitalter ausgerichtetes Fundament. Wir wollen die Suche nach einem gemeinsamen
Verständnis von Werten intensivieren und das Bewusstsein für unsere
gemeinsamen Ziele stärken. Eine friedliche Weltordnung ist nur mit den
Vereinigten Staaten erreichbar.
Die SPD will: bedeutet dies die Zementierung eines militärischen
Bündnisses für das globale Zeitalter?
Kommt hier über die gemeinsamen Werte nicht
doch der Kampf der Kulturen zum Vorschein? Gemeinsame Werte verbindet die
gesamte Menschheit. Was trennt die deutsche Sozialdemokratie von wem, von wem
unterscheidet sie sich?
Wo hört die Suche nach einem gemeinsamen
Verständnis von Werten auf, und wo fängt die Kapitulation vor dem Diktat z. B.
durch eine Supermacht an?
Es ist nicht Aufgabe einer Sozialdemokratischen
Partei, ihre Werte passgerecht für eine pragmatische Außenpolitik zu machen.
[…]
Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten wollen, dass alle Nationen, Völker und Menschen von Frieden
und Wohlstand profitieren. In einer Welt mit wachsenden Abhängigkeiten
voneinander werden wir kein Land und keinen Kontinent ausblenden oder
vergessen.
ausblenden oder vergessen: diese gönnerhafte Anmerkung, keinen
Kontinent vergessen zu wollen - darauf muss man erst einmal kommen!
[…]
Regionale internationale
Organisationen sind ein wichtiger Ansatz zur Überwindung von Gegensätzen
und Konflikten zwischen den Völkern. Der Europarat und die Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa haben dies mit ihrer erfolgreichen Arbeit gezeigt.
Deutschland muss beide Institutionen auch künftig unterstützen. Es gilt, auch
in anderen Regionen ähnliche Institutionen auf- und auszubauen.
Es ist hier etwas sehr präzise formuliert, aber die
Hauptsache bleibt unerwähnt. Regionale internationale Organisationen wie der
Europarat sind ein wichtiger Ansatz, aber auch nicht mehr! Es kommt
immer auf die Politik an, die in oder mit ihnen gemacht wird! Wenn man sich
im Grundsatzprogramm mit solchen Organisationen beschäftigt, muss man etwas zu
dieser Politik sagen, nicht nur, dass sie gut war, oder wie oben indirekt, dass
man sie zur Durchsetzung deutscher Interessen braucht.
Die Sozialdemokratie misst der
Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen für die Völkerverständigung hohe
Bedeutung bei. Der Internationale Gewerkschaftsbund, Nichtregierungsorganisationen
und Glaubensgemeinschaften lenken immer wieder den Blick auf akute internationale
Konflikte und entwickeln Lösungsansätze. Diese zivilgesellschaftlichen Gruppen
und staatliche Stellen müssen daher intensiv kooperieren. Wir verstehen uns als
Partnerin bürgerschaftlicher Organisationen, die sich für die Lösung
globaler Probleme engagieren.
hohe Bedeutung: mit solch schulterklopfender
Anerkennung tun wir uns keinen Gefallen.
Mit der Partnerschaft ist es ähnlich
wie mit der Freundschaft (s. o.) – es gehören zwei dazu! Inhaltlich findet sich
von entwickelten Lösungsansätzen internationaler Konflikte oder globaler
Probleme unserer hier erwähnten Wunschpartner in diesem Entwurf keine Spur.
Frieden bedeutet für
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten viel mehr als die Abwesenheit von
Krieg. Die vorbeugende Vermeidung von Konflikten hat für uns absoluten Vorrang.
Jeder Konflikt, der rechtzeitig geschlichtet werden kann, erspart den Menschen
vielfaches Leid. Krisenprävention ist die effizienteste Sicherheitspolitik.
Frieden bedeutet...: Da unsere Auffassung
von Frieden sich nicht wesentlich von der vernünftiger Menschen unterscheidet,
unterscheiden wir uns von anderen vernünftigen Menschen nur dadurch, dass wir
es ihnen und uns in unserem Grundsatzprogramm mitteilen wollen!
Vorausschauende Außenpolitik
hat für uns viele Aspekte. Wir wollen, dass die Europäische Union sich
enger mit den Nachbarregionen Europas vernetzt, um dort Frieden und gute Zukunftsaussichten
für die Menschen zu fördern.
Auf die Darlegung einer Auswahl von den vielen
Aspekten, die vorausschauende Außenpolitik für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
hat, wird glücklicherweise verzichtet. Es ist aber zu hoffen, dass trotz der
Versicherung, dass für uns Außenpolitik vorzugsweise vorausschauend ist,
auch der Aspekt des Zurückschauens ausreichend berücksichtigt wird.
Gute Friedenspolitik
gründet auf politischen Dialog, die Erarbeitung gemeinsamer Interessen
und die Entwicklung von konkreten Perspektiven für die Menschen. Wir sind
überzeugt, dass dauerhafter Frieden nur möglich ist, wo strukturelle Konfliktursachen
wie Hunger und Ressourcenmangel überwunden werden.
Gibt es auch schlechte Friedenspolitik?
Gemeinsame Interessen müssen nicht erarbeitet werden. Gemeinsame Interessen
müssen auf ihre Friedensfähigkeit geprüft werden. Friedenspolitik unterscheidet
sich wesentlich von Interessenpolitik. Friedenspolitik ist Politik, die
von (egoistischen, nationalen usw.) Interessen absieht! Das gemeinsame
Interesse solcher Politik ist der Frieden.
Entwicklungszusammenarbeit ist
für uns nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit und der gerechten Gestaltung der
Globalisierung. Wir betrachten sie als zentralen Baustein einer umfassenden
Sicherheitspolitik. Darum wollen wir die Mittel für
Entwicklungszusammenarbeit stufenweise erhöhen.
Darum: Gewollt oder ungewollt
unglücklich formuliert - den Text kann man auch so verstehen: nicht weil es ein
Gebot der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit ist, sondern weil Entwicklungszusammenarbeit
(u. a.) für unsere Sicherheit wichtig ist, finden wir uns bereit, die
Mittel zu erhöhen.
Wir wollen dafür sorgen, dass die
deutschen Leistungen im Kampf gegen Armut und Unterentwicklung, gemessen am Bruttonationaleinkommen,
bis 2015 auf 0,7 Prozent steigen werden. Der Kampf gegen Armut, auch
durch die Bekämpfung von Korruption, der Einsatz für die Rechte der Frauen, die
Förderung guter Regierungsarbeit und die systematische Entschuldung von
Entwicklungsländern bleiben zentrale Ziele. Wir wollen die Mittel für zivile
Krisenprävention und Krisenreaktion erhöhen und die Instrumente dieser
Politik ausbauen.
0,7 %: Es ist zu wenig,
Prozentzahlen zu nennen, die man als Regierungspartei selbst nie ernsthaft zu
realisieren versucht hat. Wichtig ist die Effektivität und die Kontrolle der Mittelvergabe:
wem nutzt die Hilfe wirklich, und was alles wird als Entwicklungshilfe deklariert.
Wir sollten als Sozialdemokraten uns nicht scheuen, die Gelder fürs Militär
denen für Entwicklungshilfe und zivile Krisenprävention gegenüberzustellen und
die entsprechenden Entscheidungen verantwortungsvoll abzuwägen!
Die SPD lehnt jegliche Form von Angriffs-
und Präventivkriegen ab. Wir wissen, dass es Situationen geben kann, in
denen militärisches Eingreifen notwendig ist.
Wir wissen: dies leider nie
genau! Wir wissen nur, dass militärisches Eingreifen mitunter gewünscht wird.
Und wir wissen, dass es schwer ist, sich den Wünschen von Freunden zu verweigern.
Wir müssen wissen, dass diese nicht näher
definierten Situationen zum Hintertürchen
werden können, durch das unsere generelle Ablehnung von Präventiv-
und Angriffskriegen unterlaufen wird!
Wir wissen zwar, dass es im Prinzip
gewisse Situationen geben kann - aber wir haben im konkreten
Fall immer die Pflicht, nachzuweisen, dass es sich um keine
solchen, militärisches Eingreifen erheischenden, Situationen handelt! Und das
wird nach Lage der Dinge und in Kenntnis der diesbezüglichen historischen
Erfahrungen auch immer möglich sein. Genau dieses Vorgehen machte uns
unterscheidbar von anderen Parteien.
Deutschland kann sich an
diesen Missionen beteiligen, wenn sie durch ein völkerrechtlich bindendes
Mandat der Vereinten Nationen legitimiert sind, der Einsatz dem deutschen
Interesse nicht widerspricht und der Deutsche Bundestag zustimmt.
Muss sich Deutschland beteiligen, wenn alle
dafür genannten Voraussetzungen gegeben sind? Durch kann bleibt dies
offen.
Wir
müssen aber fragen: wer definiert das deutsche Interesse? Die
Bundesregierung? Die deutsche Wirtschaft? Der deutsche Bundestag? Ein
allgemeines, über allen anderen Interessen schwebendes deutsches Interesse
gibt es nicht. Soviel sollten wir an theoretischer Bildung aus unserer
Geschichte mit- und in das Grundsatzprogramm einbringen! Dass der Bundestag
zustimmt und die SPD dagegen stimmt, ist hier nicht vorgesehen. Unsere Fantasie
kann sich nicht bis zu diesem Fall hinab schwingen!
Konflikte können zwar
militärisch entschieden, aber niemals nur militärisch gelöst werden. Deshalb
werden wir darauf drängen, dass ein Einsatz der Bundeswehr stets in ein Konzept
von politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und
kulturellen Maßnahmen eingebettet ist. Die militärische Option
ist und bleibt für uns das letzte Mittel zur Schaffung von Frieden. Auch
zur Stabilisierung des Friedens wollen wir Soldatinnen und Soldaten nur dann
einsetzen, wenn andere Mittel nicht ausreichen.
das letzte Mittel: wann wären die andere Mittel je ausgeschöpft
worden?
Die Bundeswehr leistet bei ihren
internationalen Einsätzen ausgezeichnete Arbeit. Sie genießt aufgrund ihres
professionellen Einsatzes weltweit zu Recht hohes Ansehen. Eine gute Ausbildung
der Soldatinnen und Soldaten ist hierfür ebenso wichtig wie eine gute Ausrüstung.
Die Neuausrichtung der Bundeswehr an den Aufgaben der internationalen
Krisenbewältigung werden wir fortsetzen. Deutsche Soldaten sind als
Staatsbürger in Uniform auch Botschafter unseres Landes, die auf dem Wertefundament
unserer Verfassung agieren müssen.
Das Lob der Streitkräfte gehört in eine Rede
des Verteidigungsministers, aber nicht in unser Parteiprogramm!
Neuausrichtung: die neuen Struck'schen Verteidigungspolitischen
Richtlinien wurden nie von der Parteibasis diskutiert. Sie sollen nun so
nebenbei in das sozialdemokratische Grundsatzprogramm übernommen werden, um
nachträglich legitimiert zu werden.
Die „Verteidigung deutscher Interessen
am Hindukusch“ widerspricht dem
Wesen sozialdemokratischer Politik und der Verfassung.
Militär sollte
für Sozialdemokraten nicht mehr als ein noch unvermeidliches Übel sein.
Seine Überflüssigmachung und Abschaffung muss Ziel und Konsequenz sozialdemokratischer
Friedenspolitik sein!
Der Terrorismus hat eine neue
Dimension erreicht. Terroristische Gruppen agieren global vernetzt, schrecken
nicht vor Selbstmordanschlägen zurück und streben den Besitz von Massenvernichtungswaffen
an. Entstaatlichte, terroristische Gewalt bedroht die ganze Welt. Wir lehnen
jegliche Rechtfertigung von Terrorismus ab. Auch wenn im Kampf gegen den Terrorismus
der Einsatz von Gewalt nicht ausgeschlossen werden kann, gilt für uns: Wir
wenden uns konsequent gegen die Aufweichung des Völkerrechts.
Gegen die Aufweichung des Völkerrechts - und die Einschränkung der Bürgerrechte im
Zuge der Terrorprävention!
Weder das absolute Folterverbot
noch die Regeln zur Behandlung von Kriegs- und Strafgefangenen dürfen
relativiert werden. Die Bekämpfung des Terrors, der auf dem Humus von Perspektivlosigkeit
und Ohnmacht gedeiht, braucht Zeit, aber auch mehr finanzielle Mittel.
Die Bekämpfung der Perspektivlosigkeit und Ohnmacht,
die Humus für das Wachsen von Terrorismus sind, braucht Zeit und muss
mit mindestens der gleichen Intensität und finanziellen Ausstattung forciert
werden wie der Kampf gegen den Terrorismus selbst. Und da könnte viel geleistet
werden!
Wir haben in Europa durch
fairen Interessenausgleich Frieden gesichert. Darum ist Europa
jetzt besonders gefordert, diese Erfahrungen in eine neue Entspannungspolitik
einzubringen.
Wer ist wir? Sowohl eine Entgegensetzung
von wir und Europa als auch eine Identifizierung wäre hier fehl
am Platz, wie es auch die bemühte Logik ist.
Die Versorgungssicherheit mit
Energie, Rohstoffen und Wasser wird im globalen Zeitalter zur
herausragenden Frage der internationalen Sicherheit. Das Gleiche gilt
für den Klimaschutz, den Schutz vor und die Bewältigung von Naturkatastrophen.
Wir orientieren uns dabei an dem Aktionsprogramm „Agenda 21“ der Vereinten
Nationen. Erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sind
Schlüssel zu einer friedlichen Entwicklung. Mit ihrer Hilfe können wir Armut
bekämpfen und Konflikten um knappe Ressourcen vorbeugen.
Nicht das globale Zeitalter macht das
Problem, sondern dass mit diesen knapper werdenden Ressourcen viel Geld
„verdient“ werden soll. Diese Intention ist seit jeher das entscheidende Sicherheitsrisiko
gewesen. Dazu müssten wir Stellung beziehen!
Der Zerfall von Staaten
führt zur Ausbreitung von Anarchie und Rechtlosigkeit. Er ist eine Herausforderung
für die gesamte internationale Staatengemeinschaft. Deutschland und Europa
müssen bereit sein, bei der Wiederherstellung von Staatlichkeit und
zivilgesellschaftlichen Strukturen Verantwortung zu übernehmen.
Sozialdemokraten wissen, dass Staaten nicht einfach so zerfallen!
Das heißt, die jeweiligen Ursachen des Zerfalls – oft koloniales Erbe –
weisen schon auf Lösungen hin.
Die zunehmende Verbreitung
von Massenvernichtungswaffen verlangt die Renaissance einer Politik der
Rüstungsbegrenzung, der effektiven Rüstungskontrolle und Abrüstung. Das ist Konfliktprävention
und vorausschauende Friedenspolitik, wie wir sie verstehen, wie sie zu einem Markenzeichen
der SPD geworden ist, und wie wir sie gemeinsam mit den europäischen Partnern
vorantreiben wollen. Wir bekräftigen unser Ziel einer atomwaffenfreien
Welt und werben dafür, die Urananreicherung unter internationale
Kontrolle zu stellen. Wir setzen uns dafür ein, eine internationale
rechtsverbindliche Ächtung des Einsatzes von Atomwaffen durchzusetzen. Verstärkte
Anstrengungen widmen wir auch der Begrenzung und Kontrolle konventioneller
Rüstungsgüter. Wir wollen ein Verbot von Landminen und Streubomben.
Gerade bei der Abrüstung setzen wir darauf, bestehende multilaterale
Verträge zu stärken und auszubauen.
Nicht die zunehmende Verbreitung verlangt...
Sie sollte nur der Anlass sein, Abrüstungspolitik wieder ernst zu nehmen, denn
auch eine einzige hochgerüstete Supermacht wäre auf Dauer nicht hinnehmbar.
Zu fordern wäre daher wieder ein für alle
geltendes Verbot aller
Massenvernichtungswaffen, also auch chemischer und biologischer Waffen! Nichtverbreitung
zu fordern mit der Option des alleinigen Besitzes, wäre zynisch!
Als Anfang: die Einrichtung atomwaffenfreier
Zonen. Abzug aller auf deutschem Boden stationierten Atomwaffen!
Dann Abrüstung überhaupt, Verminderung der
Truppenstärken usw.
In einem Grundsatzprogramm nur Ziele bekräftigen,
für etwas werben, sich für etwas einsetzen, verstärkte
Anstrengungen widmen, etwas wollen und auf etwas setzen,
das ist zu wenig!
Wir werden auch künftig
sicherstellen, dass Deutschland Herstellung, Besitz und Anwendung von
Massenvernichtungswaffen nicht anstrebt. Wir sind einer strengen Rüstungsexportpolitik
verpflichtet. Rüstungsgüter sind keine normale Handelsware. Die Einhaltung der
Menschenrechte, gute Regierungsführung und ein Verbot, Waffen in
Konfliktregionen zu liefern, sind für uns maßgebliche Kriterien bei Ausfuhrgenehmigungen.
Sicherstellen: können wir dies nur in Regierungsverantwortung!
Dies ist aber kein Regierungsprogramm! Was wir fordern sollten, ist ein Verzicht
auf Herstellung usw.
Wenn der Satz Rüstungsgüter sind keine
normale Handelsware mehr sein soll als eine Binsenwahrheit (die in einem
Grundsatzprogramm nichts zu suchen hat), müssten daraus grundsätzliche
Forderungen folgen, z. B.:
Waffen werden als öffentliche
Daseinssicherung und Daseinsvorsorge(Mittel der Verteidigung) betrachtet. Deshalb
wird Waffenproduktion dem Nonprofitsektor zugerechnet und unter öffentliche
Verwaltung gestellt.
Das Ziel der Sozialdemokratie ist
eine faire Globalisierung, die den Menschen Wohlstand und
Entwicklung bringt.
Der Begriff der Globalisierung ist zu
einem Fetisch der „politischen Moderne“ geworden.
Er dient neoliberaler Ideologie dazu, ihren
Weltbeglückungsanspruch zu legitimieren. Dieser Anspruch aber, in die Praxis
überführt, verstärkt die bekannten Widersprüche nur weltweit und macht die
Spirale der Gewalt unbeherrschbar. Den Gebrauch des Begriffs Globalisierung
gilt es in allen seinen Varianten immer wieder kritisch zu hinterfragen.
Die Globalisierung gestalten: die Fokussierung
auf Globalisierung lenkt ab von dem, was und wie da globalisiert wird.
Wer Globalisierung „sozialdemokratisch“ gestalten will, muss sich
davor hüten, auf den Gebrauch des Globalisierungsbegriffs des neoliberalen
Diskurses hereinzufallen. Dazu gehört als erstes, den Begriff im eigenen
Gebrauch wieder zu entmythologisieren. Die Probleme, die dem Wirken von
Globalisierung zugerechnet werden, sind „bei Lichte betrachtet“ nichts anderes
als die sich verschärfenden Probleme des gegenwärtigen Kapitalismus. Die Bedingungen
für diese Verschärfung, die von Menschen geschaffen wurden und werden, müssen
analysiert werden.
Globalisierung fair gestalten zu
wollen, ohne dafür die grundsätzlichen Voraussetzungen zu benennen, bedeutet in einem
sozialdemokratischen Grundsatzprogramm, die Illusion zu nähren, man könne mit
gerechter Gestaltung der Globalisierungsprozesse die gesellschaftlichen
kapitalistischen Verhältnisse in sozial gerechte transformieren!
Standortkonkurrenz
zwischen Wirtschaftsräumen darf nicht zum weltweiten Druck auf Löhne, zu
schlechteren Arbeitsbedingungen, Sozialleistungen und Umweltnormen führen. Das
international operierende Kapital darf sich nicht seiner sozialen und
ökologischen Verantwortung und seiner Steuerpflicht entziehen. Dazu bedarf
es fairer und wirksamer Regeln für die Finanz-, Rohstoff- und Warenmärkte
sowie international verbindlicher sozialer und ökologischer Standards für einen
funktionierenden Wettbewerb. Daher wollen wir Möglichkeiten zur
Steuerung der Wirtschaften durch internationale Kooperation und
Rahmensetzung zurückgewinnen und erweitern, ohne nationale Politik
aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Auf diese Weise wollen wir
die Millenniumsziele der UN verwirklichen und den Weg zu einer gerechten
Weltwirtschaftsordnung öffnen.
Der mögliche Impuls, den die Schilderung der
„Krankheitssymptome“ unseres Wirtschaftssystems für das Handeln der Sozialdemokratie
vermitteln könnte, verebbt im Beteuern, dass dies alles nicht so sein darf, und
dass man, um Abhilfe zu schaffen, nur dieses oder jenes wollen müsse.
Was hielte man von einem Arzt, der am Bett
eines Kranken etwa sagte: „Diese Bazillen, die den Kranken befallen haben,
dürfen nicht zu Fieber, Schmerz und Verwesung führen, deshalb will ich
Möglichkeiten zur Schmerzbekämpfung durch gute Arznei zurückgewinnen, ohne den
Gesundheitsminister aus seiner Verantwortung zu entlassen, und die Reichen aus
ihrer Solidarpflicht. So will ich den Weg zu seiner Genesung öffnen...“?
In diesem Stil ist der ganze Abschnitt Die
Globalisierung gestalten verfasst!
Wir brauchen auf
internationaler Ebene ein Gremium, das für wirkliche Koordinierung und
Kohärenz in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragen sorgt. Wir
brauchen deshalb bei den UN einen Globalen Rat für Wirtschafts-, Sozial-
und Umweltpolitik, in dem alle Regionen und auch die internationalen Handels-
und Finanzinstitutionen hochrangig vertreten sind. Wir brauchen mehr
Gerechtigkeit im Welthandel.
Ein mehr an Gerechtigkeit
enthält immer noch ein Quantum an Ungerechtigkeit. Wie viel Ungerechtigkeit
wollen wir zulassen? Gerechtigkeit ist unteilbar!
Die Entwicklungsländer wollen
keine Almosen - sie wollen gerechte Chancen auf den Märkten. Dazu müssen
die Industrieländer im Rahmen der WTO ihre Märkte öffnen und die Subventionierung
ihrer Agrarexporte Schritt für Schritt reduzieren und schließlich beenden.
Die Argumentation, warum wir dieses Mehr
an Gerechtigkeit brauchen (nämlich weil die
Entwicklungsländer keine Almosen wollen), hat einen faden Beigeschmack und verliert
sich in beliebigen Details (Welthandel, Agrarsubventionen....). Es wird der
Eindruck erweckt, es gäbe in der Sozialdemokratie nicht die selbstverständliche
Solidarität mit jedem, der mit Almosen abgespeist wird oder werden soll!
Die wirtschaftliche
Globalisierung droht das Primat demokratischer Politik in wesentlichen
Bereichen auszuhöhlen. Wir wollen die Vorrangstellung der Politik verteidigen,
weil nur so nationale und globale Demokratie als Ordnungsprinzip durchgesetzt
werden kann.
Die wirtschaftliche Globalisierung droht...: Falsch! Wo gibt es in der
Weltwirtschaft das Primat demokratischer Politik? Die entscheidende
Frage müsste lauten: Wie können wir die Vorrangstellung
demokratischer Politik gegen die Vorrangstellung neoliberale Politik
(im Prozess der Globalisierung)erkämpfen?
Unkontrollierte
Kapitalbewegungen auf den internationalen Finanzmärkten können ganze
Volkswirtschaften gefährden.
Sie können nicht nur gefährden, sie haben
bereits ganze Volkswirtschaften ruiniert!
[…]
Bei der Durchsetzung von Umwelt-
und Sozialstandards beziehen wir die Macht der Verbraucher bewusst mit
ein. Alle Produkte und Dienstleistungen, die nachweisbar unter Beachtung internationaler
Arbeitsschutzregeln, der Kernarbeitsnormen und durch ökologisch nachhaltige Fertigung
produziert und angeboten werden, sollen ein leicht erkennbares und
verständliches Gütesiegel erhalten. Beim Ziel einer gerechten Globalisierung
sollen auch multinationale Unternehmen in die Pflicht genommen werden. Vereinbarungen,
mit denen sich global tätige Unternehmen gegenüber ihren Beschäftigten und
Kunden auf die weltweite Einhaltung grundlegender Sozialnormen verpflichten,
sind ein geeignetes Instrument zur Durchsetzung von Sozialstandards. Ökologische
Einsicht hat soziale Voraussetzungen. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir ein gemeinsames
Bewusstsein für die Interessen der Menschen und der Umwelt in einer global
vernetzten Welt schaffen können.
Die Macht der Verbraucher als Faktor
für positive Selbstregulation ist ein Argument der Vertreter der radikalen Marktwirtschaft.
Nur in wenigen Fällen jedoch mag durch Organisierung der abstrakten Macht der
Einzelnen konkrete Macht von Vielen werden und dies zu gewünschten Erfolgen
führen. Die Hoffnung auf die Macht der Verbraucher dient dem Ausweichen vor
unverzichtbaren gesetzgeberischen Aktivitäten. Genau hier liegt u. a. ein
Tätigkeitsfeld für die Zurückgewinnung des Primats der Politik.
Das Setzen auf Vereinbarungen mit der
Wirtschaft oder auf freiwillige Verpflichtungen ist blauäugig und verleugnet alle
negativen diesbezüglichen Erfahrungen!
4.2 Das soziale
und demokratische Europa
Seit der Verabschiedung des
Heidelberger Programms im Jahr 1925 kämpfen deutsche Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten für die Einigung Europas.
(Siehe Anmerkung unter 2. Woher wir kommen –
Heidelberger Programm)
Vieles, was damals unerreichbar
schien, ist heute selbstverständliche Wirklichkeit. Die europäische Einigung
aus den Trümmern zweier Weltkriege hat die friedlichste Periode seit Bestehen
dieses Kontinents ermöglicht.
seit Bestehen dieses Kontinents: ist eine der kühnsten Behauptungen in diesem
Entwurf. Sie entspricht etwa der eines Wasserstandsmessers, der äußerte: „dies
ist der höchste Wasserstand seit Bestehen der Elbe!“
Krieg, Vertreibung und Hunger
sind überwunden. Die Menschen genießen Stabilität und Wohlstand. Die
Europäische Union ist ein Friedensprojekt.
Immer wieder drängt sich bei solch schönen
Verallgemeinerungen die Frage auf: wer sind die Menschen (die Wohlstand
genießen)?
Europa ist eine demokratische
und soziale Wertegemeinschaft, nicht nur ein Wirtschaftsraum. Unsere Vorstellungen
von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind in der Europäischen
Grundrechtecharta verankert. Auf diesen Werten basiert das europäische
Gesellschaftsmodell.
Das
europäische Gesellschaftsmodell: wie auch das europäische Sozialmodell
sind reine Fiktionen. Es sind auch keine genuin sozialdemokratischen
Modelle. Das gegenwärtig in Europa herrschende Gesellschaftsmodell heißt noch
immer und teilweise wieder Kapitalismus. Es müsste dann also auch von einem europäischen
Kapitalismus gesprochen werden, was bei der Verschiedenheit seiner
Erscheinungsformen in den einzelnen Ländern kaum möglich ist.
Wenn aber ein einheitlicher europäischer
Kapitalismus (europäisches Gesellschaftsmodell) Ziel sozialdemokratischer
Politik werden soll, ist die Anpassung unserer Vorstellungen von Freiheit,
Gerechtigkeit und Solidarität an den Zeitgeist der „politischen Moderne“ nur
folgerichtig. Nur darf es dann nicht verwundern, dass sich unsere Grundwerte
von denen der anderen, die sie ebenfalls im Munde führen, nicht mehr unterscheiden.
Der so stolz klingende Satz, dass „unsere Vorstellungen von Freiheit,
Gerechtigkeit und Solidarität“ in der Europäischen Grundrechtscharta verankert
seien, erweist sich, recht besehen, als ein für die deutsche Sozialdemokratie
schmachvolles Eingeständnis ihres Establishments, wie weit in Anpassung zu versinken
es für seine „Gesellschaftsfähigkeit“ bereit ist.
Wenn man den Text dieses Entwurfs ernst
nimmt, und die Kritik versucht dies unter Mühen, muss man zu dem Schluss kommen,
dass die Verfasser es genau so meinen, wie sie es noch nicht sagen wollten.
[…]
Die Sozialdemokratie in
Europa steht für eine Politik, die es jedem Menschen ermöglicht, sein Leben
selbst in die Hand zu nehmen und durch Leistung voranzukommen. Wir
stehen dafür, dass Menschen sich auf die Solidarität der Gemeinschaft
verlassen können, wenn sie in Not geraten. Wir wollen ein tolerantes
Europa, in dem Menschen aller Nationen, Hautfarben und Religionen miteinander
leben. Die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen sind ein Reichtum, den
wir sorgsam erhalten wollen.
Muss nun, wo von Europa die Rede ist, wieder
das ganze Werte- und Wunschrepertoire durchdekliniert werden?
Die Europäische Union ist unsere
Antwort auf die Globalisierung.
Es kommt nicht darauf an, die EU pauschal als
unsere Antwort zu vereinnahmen, sondern sie sozial zu gestalten,
sie also zu verändern.
Freiheit und Demokratie,
Wohlstand und Gerechtigkeit in Deutschland können wir im globalen
Zeitalter nur in der Gemeinschaft mit unseren europäischen Partnern sichern.
Auf europäischer und auf internationaler Ebene bündeln wir die Kräfte,
um den globalen Märkten Regeln für mehr Gerechtigkeit, für soziale und
ökologische Verantwortung zu geben. Wir wollen die Europäische
Union zu einer handlungsfähigen Friedensmacht fortentwickeln.
Diese Aussagen bedeuten nicht nur sprachlich
eine völlige Identifizierung von sozialdemokratischer und europäischer Politik.
Die Europäische Union
arbeitet an einer Friedenspolitik, die auf Vorbeugung von Konflikten, einem
umfassenden Sicherheitsbegriff und auf Multilateralismus fußt.
Wenn die SPD gewissermaßen in der Tätigkeit
der EU verschwindet bzw. aufgeht, ist es nur folgerichtig, wenn ihr
Grundsatzprogramm zu einer Werbebroschüre für
die EU verkommt.
Damit Europa zu einer globalen
Friedensmacht wird, muss die Europäische Union ihre außenpolitische
Handlungsfähigkeit verbessern. Wir setzen uns für eine Stärkung der
Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ein.
Die Verbesserung der sicherheits-
und verteidigungspolitischen Fähigkeiten der EU dient auch dem Ziel, den
europäischen Pfeiler im transatlantischen Bündnis zu stärken.
Verteidigungspolitische Fähigkeiten sind ein Euphemismus. Auch Werbetexte aus
dem Verteidigungsministerium sind hier fehl am Platz.
Die Armeen der europäischen
Nationalstaaten sollen noch enger zusammenwachsen. Ziel ist Europäische
Sicherheits- und Verteidigungsunion. Ein erster notwendiger Schritt ist die
Schaffung von Einheiten mit integrierten Kräften unter einem einheitlichen Kommando.
Dies muss und kann mittelfristig nicht alle Bereiche der militärischen Zusammenarbeit
betreffen. Langfristig streben wir die Schaffung einer europäischen Armee an,
deren Einsatz parlamentarisch legitimiert werden muss.
Einsatz parlamentarisch legitimiert: Beim Einsatz der Bundeswehr waren schon
wenig Vertrauen fördernde Beispiele parlamentarischer Legitimation zu erleben.
Den Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands kann doch nicht im
Ernst in ihrem Grundsatzprogramm zugemutet werden, langfristig nach einer
europäischen Armee zu streben, oder anders, das Streben von ehrgeizigen
Politikern aus dem Dunstkreis des Verteidigungsministeriums und der Rüstungslobby
zu unterstützen! Wir streben doch wohl langfristig und sofort nach Abrüstung
und Überflüssigmachung jeder Armee und jeglichen Militär-Unwesens?!
Eine umfassende
Sicherheitspolitik erfordert, dass die Europäische Union ihr politisches und ökonomisches
Gewicht bündelt. Hierzu muss Europa in den wichtigen internationalen
Organisationen mit einer Stimme sprechen. So können die Staaten Europas
wirksam auf eine faire und sozial gerechte Verteilung des global
erwirtschafteten Wohlstands und eine Demokratisierung der internationalen
Regime und Organisationen hinwirken. Europa darf in seinen entwicklungspolitischen
Anstrengungen nicht nachlassen.
So einfach ist das: Europa muss nur
seine Gewichte bündeln und mit einer Stimme sprechen (am besten
mit der aus dem sozialdemokratischen Hauptquartier), und schon wird im sicherheitspolitischen
Interesse der global erwirtschaftete Wohlstand gerecht verteilt werden können!
Oder ist gemeint, dass wir den Wohlstand gerecht verteilen, den wir
global erwirtschaftet haben, oder den, der global von anderen
erwirtschaftet wurde? Das hieße allerdings, dass alle anderen dem zustimmen
müssen, wenn unsere Politik von Erfolg gekrönt sein soll.
[…]
Europa hat den größten
Binnenmarkt der Welt geschaffen und eine einheitliche Währung eingeführt. Jetzt
gilt es, die soziale Dimension der EU zu stärken – denn sie ist der
zentrale Teil unseres europäischen Gesellschaftsmodells. Deshalb wollen
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in einem europäischen Grundgesetz die soziale
Dimension gleichgewichtig neben das Wettbewerbsprinzip stellen. Die
in der Europäischen Grundrechtecharta festgelegten sozialen Grundrechte müssen
Wirklichkeit werden.
gleichgewichtig: Dieses Reden von Gleichgewichtigkeit ist
ein ideologischer Taschenspielertrick, um vom Problem der sozialen
Gerechtigkeit abzulenken. Soziale Dimension ist ein Ausdruck für den „Raum“,
den Soziales in einer Gesellschaft einnimmt. So wie Soziales an sich noch nicht
die Idee der Gerechtigkeit enthält, so bleibt auch Soziale Dimension in
Hinsicht auf Gerechtigkeit wertfrei. Wenn Sozialdemokraten diesen Begriff sich
aneignen, läge es in ihrer Tradition, den Aspekt der Gerechtigkeit mitzudenken
und einzufordern. Dann aber ginge es nicht mehr, die Soziale Dimension gleichgewichtig
neben das Wettbewerbsprinzip zu stellen. Der Klartext dieses unreflektiert
verlockenden Bildes von Gleichgewichtigkeit hieße dann: Sozialdemokraten wollen
soziale Gerechtigkeit gleichgewichtig neben Profitmaximierung stellen! Es wird
deutlich, dass dies im realen Leben ein nicht einmal schöner Traum bleiben
muss.
[...]
[…]
Je weiter die Vertiefung der
politischen Integration voranschreitet, umso dringlicher stellt sich die
Aufgabe, eine echte europäische Demokratie zu bauen. Eine wichtige
Grundlage ist eine Europäische Verfassung. Sie weist den Weg zu einer
Exekutive der Europäischen Union, die durch das Parlament gewählt und
kontrolliert wird.
Die Europäische Union bringt
Personen und Organe der europäischen, der nationalen, der regionalen und der
kommunalen Ebene im politischen Entscheidungsprozess zusammen. Sie muss ihre
demokratische Legitimität folglich aus unterschiedlichen Quellen
beziehen. Ziel unserer Politik ist es, die Europäische Union als eine
funktionstüchtige und beteiligungsoffene Mehrebenendemokratie
weiterzuentwickeln.
Man sieht förmlich die Quellen
demokratischer Legitimation sprudeln und - sogleich versiegen, wenn man daran
denkt, welche Schwierigkeiten es unseren eigenen Kadern aus dem modernen politischen
Establishment schon bereitet, sich eine demokratische Legitimierung der
Europäischen Verfassung durch das Volk vorzustellen.
[…]
Wir treten dafür ein,
dass die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten enger in die europäische
Politik einbezogen werden. Ihre Informations- und Beteiligungsrechte sind
nachhaltig zu stärken. Nationale Parlamente müssen streng kontrollieren
können, ob die Europäische Union das Prinzip der Subsidiarität bei ihren
Regelungen wahrt. Nationale Parlamente und das Europaparlament sind auf ihren
Ebenen gleichermaßen verantwortliche Partner bei der demokratischen Kontrolle
der EU.
Gleichermaßen verantwortlich: Der Bundestag soll eine Instanz zur
(demokratischen) Kontrolle der EU sein. Er soll für diese Kontrolle in gleichem
Maß Verantwortung tragen wie das Europaparlament. Das entspräche der in etwa
analogen Forderung, die Landesparlamente und der deutsche Bundestag seien
gleichermaßen verantwortliche Partner bei der Kontrolle der Bundesrepublik
Deutschland!
[…]
Eine europäische Demokratie ist
nur dann dauerhaft lebensfähig, wenn sie auf dem politischen Engagement und dem
öffentlich artikulierten Willen der Bürgerinnen und Bürger in Europa ruht.
Stärker noch als bisher muss daher die europäische Politik in einer
europäischen Öffentlichkeit debattiert werden. Europa braucht den
demokratischen Streit um politische Alternativen.
politische Alternativen: Vor dem Streit braucht es
erst einmal überhaupt politische Alternativen! Das neue Grundsatzprogramm
wäre der Ort zum Einbringen sozialdemokratischer Alternativen. Das wäre besser,
als davon zu reden, dass Europa politische Alternativen braucht!
Deshalb wollen wir die direkten
Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken.
Hier muss Konkretes
eingefordert werden!
Ebenso sind starke europäische
Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen unabdingbar. Unser Ziel
ist es, die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) zu einer politisch starken
Mitglieder- und Programmpartei weiterzuentwickeln. In Zukunft sollen die
Mitglieder der sozialdemokratischen Parteien in Europa die SPE bilden. Wir setzen
uns für die Erarbeitung eines sozialdemokratischen Grundsatzprogramms für
Europa ein.
Ein Sozialdemokratisches Grundsatzprogramm
für Europa: Ein
überzeugender Beitrag hierzu wäre u. a, ein überzeugendes Grundsatzprogramm
für die eigene Partei zu entwickeln. Erst wenn die Mitglieder
unserer Partei wieder wissen, wozu sie gebeten werden (wofür sie kämpfen sollen
und wollen), wird die politische Stärke der Mitgliedschaft zu einer auch
quantitativen Stärkung der Mitgliederzahlen in der SPD führen.
4.3 Solidarische
Bürgergesellschaft und demokratischer Staat
Jede Demokratie lebt durch
das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Darum wollen wir eine starke,
vitale Bürgergesellschaft, in der die Menschen die Freiheiten der
Meinung, der Vereinigung und Versammlung ausgiebig nutzen. Nur dann
kann unsere Gesellschaft die Kraft zur beständigen Erneuerung
aufbringen. Eine selbstbewusste Bürgerschaft gestaltet und organisiert
ihr Zusammenleben in einem handlungsfähigen Staat.
Jede Demokratie: lebt immer nur durch das Engagement ihrer
Bürgerinnen und Bürger. Je nach Verfasstheit der jeweiligen Demokratie wechselt
allerdings der Kreis der an ihr Beteiligten. (siehe Griechenland und Rom der
Antike usw.)
beständige Erneuerung: was soll beständig (ständig?) erneuert
werden? Der Kapitalismus, die Wettbewerbsfähigkeit, die Sozialsysteme? Welchen
Aspekt von Erneuerung betonen wir - den der Anpassung der Menschen an die
„Gesellschaft“ (das System) oder umgekehrt? Oder betonen wir den Aspekt der Veränderung
dessen, an das der Mensch sich, ohne Schaden zu nehmen, nicht anpassen darf?
selbstbewusste Bürgerschaft: wenn wir alle Schichten und Klassen
einbeziehen, dann haben wir selbstbewusste Bankiers, selbstbewusste
Unternehmer, selbstbewusste Arbeiter, selbstbewusste Arbeitslose,
selbstbewusste Ein-Euro-Jobber - also alles was wir jetzt auch haben, nur selbstbewusst.
Und dann? Das Angebot der Verfasser lautet: Nur dann kann unsere Gesellschaft...
handlungsfähiger Staat: bekanntermaßen geht die Meinung, was ein
handlungsfähiger Staat ist, weit auseinander. Manche halten eine Diktatur für
am handlungsfähigsten!
Hinter der Beliebigkeit dieses Redens steht
der Wunsch der Menschen (und insonderheit der Sozialdemokratie): alle gesellschaftlichen
Probleme auf der Welt möchten sich durch den guten Willen der im Grunde guten
Menschen lösen lassen. Die Geschichte zeigt aber, dass Politik, die auf dieser
Hoffnung ruht, regelmäßig zum Scheitern verurteilt ist. Nebenbei: in Diktaturen
gaukeln Begriffe wie Volksgemeinschaft, oder sozialistische
Menschengemeinschaft repressiv den Menschen vor, sie seinen in einem
solchen Reich ohne innergesellschaftliche Widersprüche angekommen. Dies sollte
auch weiterhin der Propaganda in Diktaturen vorbehalten bleiben.
[…]
Wir wollen starke
Parlamente. Sie sind das Herz demokratischer Willensbildung. Und wir wollen,
dass Abgeordnete von einer wachen diskutierenden Öffentlichkeit begleitet und
angespornt werden. Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des
Volkes mit. Damit haben sie eine herausgehobene Stellung in unserer
parlamentarischen Demokratie. Wir nehmen den Auftrag der Parteien ernst, die
stetige politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen sicherzustellen.
Wir wollen neue Begeisterung für die Demokratie wecken, eine
höhere Wahlbeteiligung und mehr direkte Einmischung erreichen. Wir stehen für
mehr Demokratie und mehr direkte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen
und Bürger als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie. In gesetzlich
festzulegenden Grenzen sollen Volksbegehren und Volksentscheid in Gemeinden,
Ländern und Bund parlamentarische Entscheidung ergänzen.
Willensbildung: ...und das Volk sollte bei der Willensbildung
der Parteien und Regierungen mitwirken! Das wird ohne politisches Streikrecht,
das Recht auf Generalstreik und die Einrichtung von Volksentscheiden auch als
Korrektiv(!) parlamentarischer Beschlüsse in letzter Konsequenz nicht möglich
sein! Der Wahlzettel alle fünf Jahre genügt nicht.
...ergänzen: Formen direkter Bürgerbeteiligung sollten die
gesellschaftlichen Möglichkeiten politischer Entscheidung erweitern und sich
nicht darauf beschränken lassen, politische Entscheidungen durch Parlamente zu
ergänzen.
[…]
Gutes Regieren in einem
handlungsfähigen Staat erfordert den Abbau von nutzloser Bürokratie. Wir
brauchen eine kraftvolle Modernisierung der Verwaltung, damit sie
ihre Aufgaben bei raschem Wandel zeitgemäß erfüllt. Öffentliche Mittel dürfen
an keiner Stelle verschwendet werden. Wir wollen keinen
vormundschaftlichen, sondern einen aktivierenden Staat, der den Bürgerinnen
und Bürgern dient und der die Aufgaben, die sie ihm zuweisen, zielbewusst,
wirksam und wirtschaftlich erledigt.
Dass wir keinen vormundschaftlichen Staat
usw. wollen, darf nicht alternativlos dazu führen, dass wir einen „aktivierenden
Staat“ wollen und diesen Begriff in unserem Programm festschreiben. Die Philosophie
und die Konzepte, die hinter diesem Begriff stehen, sind unausgegoren und in
sich widersprüchlich und versuchen, Neoliberalismus mit Elementen des Sozialstaats
zu versöhnen. Sie nennen sich modern und führen zu Ergebnissen wie die
Hartz-Gesetzgebung.
Wer Ämter und Mandate übernimmt,
trägt große Verantwortung.(…) Wir wollen Politikerinnen und Politiker,
die mit der Gesellschaft verbunden bleiben und sich an Aufrichtigkeit, Offenheit
und Klarheit orientieren.
In unserem Grundsatzprogramm müssen wir
zuerst von unseren Mandatsträgern sprechen. Durch mehr Demokratie bei
den Auswahlverfahren, könnten z. B. Kungelei, unseriöse Absprachen auf
Parteitagen usw. erschwert werden. Wenn man es ernsthaft wollte, gäbe es viele
konkrete Schritte auf dem Weg, das allgemeine intellektuelle und sittliche Niveau
von Politikern zu heben. Bloße Appelle wie diese tragen dazu nicht bei.
[…]
Eine starke
Bürgergesellschaft bietet uns Heimat in Zeiten stürmischen Wandels. Wo Menschen
sich für Menschen einsetzen, sind Verantwortungsbereitschaft,
Gerechtigkeitssinn, gegenseitige Anerkennung, Solidarität und Mäßigung beim
Gebrauch individueller Freiheit erfahrbar. Aus dieser gelebten
gesellschaftlichen Solidarität wächst neuer Zusammenhalt – gegen die
Vereinzelung des Menschen und die Fliehkräfte des modernen Lebens. Wo wir
soziale Probleme gemeinsam lösen, finden wir Orientierung, Vertrauen und
Sicherheit.
Wenn ein Grundsatzprogramm auch nicht verwissenschaftlicht
sein soll, darf es doch auch nicht hilflos in Bürokratenlyrik verfallen. Diese
kann nicht den notwendigen analytischen Verstand ersetzen!
Alles auch weiter unten zur solidarischen
Bürgergesellschaft und zu starken Kommunen Geschriebene fällt unter
die illusionären Aspekte des aktivierenden Staats und ist im Stil eines
Regierungsprogramms einer Partei der neuen Mitte verfasst.
[…]
Der demokratische und
soziale Bundesstaat gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für den
Erfolg der Bundesrepublik Deutschland. Wir halten an diesem Prinzip
fest. Es bedeutet: Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo sie nahe an
den Aufgaben und Problemen sind. Wir folgen auch hier der Idee der
Subsidiarität. Das heißt: Die kleinere politische Einheit hat Vorrang
vor der größeren.
Dass der Bundesstaat (und damit die
nach dem 2. Weltkrieg auch aus machtpolitischen Gründen von den Alliierten bevorzugte
Bundesstaatlichkeit) eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg Deutschlands
ist, bleibt eine leere Behauptung, solange nicht gesagt wird, was unter dem
behaupteten Erfolg zu verstehen sein soll, und inwieweit dieser Erfolg dann plausibel
in Relation zur Bundesstaatlichkeit gebracht werden kann. Die Frage nach
heutigem Sinn und der Tragfähigkeit dieser Bundesstaatlichkeit sollte von der
deutschen Sozialdemokratie nicht tabuisiert, sondern diskutiert werden und muss
hier nicht ohne Not festgeschrieben werden!
Dass
dieser Bundesstaat ein demokratischer und sozialer ist, das
könnte unserer Auffassung nach einer der wichtigsten Voraussetzungen für den
Erfolg Deutschlands sein.
[…] Wir übertragen
politische Entscheidungsgewalt auch in Zukunft auf die Europäische Union, wenn
der größere europäische Rechtsraum mehr Sicherheit und Wohlstand für die
Menschen fördert. Aber wir verzichten nur dann auf nationalstaatliche
Kompetenzen zugunsten europäischer oder internationaler Institutionen, wenn
deren demokratische Kontrolle gesichert ist.
Es ist illusorisch, zu behaupten, wir könnten
nach unserem Belieben politische Entscheidungsgewalt auf die EU übertragen oder
nicht übertragen.
[…] Unser Leitbild ist
die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Jede Kommune und jedes Land hat eigene
Stärken, die wir unterstützen wollen.
eigene Stärken:
müssen von uns nicht unterstützt werden.
Was wir aber unterstützen sollten, sind
charakteristische Besonderheiten, die die Einmaligkeit und Liebenswürdigkeit z.
B. eines „Ortes“, einer Landschaft oder eines Landes ausmachen und die ohne
finanzielle Hilfe nicht erhalten oder ausgebaut werden können, da „der Markt“
dafür kein Interesse zeigt.
Eine freie und offene
Gesellschaft gründet auf die verlässliche Einhaltung von Regeln und auf sozialen
Zusammenhalt. Wo das nicht gilt, geht mit der Sicherheit auch die Freiheit
verloren. Sicherheit ist ein grundlegendes öffentliches Gut. Menschen müssen
ohne Furcht vor Zwang und Verbrechen leben können, damit politische
Freiheit und Teilhabe gedeihen.
Der Begriff der Offenen
Gesellschaft gehört ins Repertoire des bürgerlichen Liberalismus. Man muss
den Begriff nicht für unser Grundsatzprogramm reklamieren!
Was folgt, sind politische Banalitäten Mit
Pseudologik aufbereitet. Was hier aber relevant sein könnte, sind Probleme der
Balance von Freiheit und Sicherheit, des Verletzens von „Regeln“ durch Bürger
oder Staat, der Überwachung und der Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten.
Der Rechtsstaat bindet alle
Machtausübung an Recht und Gesetz. Allein diese Bindung legitimiert die
Befugnis zur Durchsetzung der Rechtsordnung. Der Staat hat das Gewaltmonopol
inne. Wir widersetzen uns allen Bestrebungen, die Pflicht des Staates,
die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, auf Private zu übertragen oder
Sicherheit gar wie eine beliebige Ware zum Kauf feilzubieten.
Privatisierung dieser Pflicht des Staates
beinhaltet bereits, Sicherheit zur Ware zu machen.
Die Sicherheit in unserem Land
ist von innen wie von außen bedroht: durch Kriminalität, Extremismus und
Terrorismus. Diese bekämpfen wir konsequent mit den Mitteln des demokratischen
Rechtsstaats. Sicherheit im Inneren ist Aufgabe der Polizeien von Bund und Ländern.
Das Verbot der Willkür und der Folter gilt absolut. Der freiheitliche
Rechtsstaat hat seine Prinzipien zu wahren. Das ist das erste Gebot der
geistigen Abwehr von Extremismus und Terrorismus.
Gebot der geistigen Abwehr: Das ist durchaus auch ein Gebot für die praktische
Abwehr von Extremismus und Terrorismus.
Rechtsextreme bedrohen unsere
Freiheit und unsere Demokratie. Gegen Ideologie und Gewalt des
Rechtsextremismus leisten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
entschiedenen Widerstand. Extremismus, Rassismus und Antisemitismus haben
keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Muss heißen:...dürfen keinen Platz in
unserer Gesellschaft haben, denn sie haben leider viel zu viel Platz!
Sozialdemokraten sollten generell für ein
Verbot verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen kämpfen. Ein Staat
der an die Bürger appelliert und selber seine Pflicht nicht tut, wird als
schwach oder scheinheilig wahrgenommen.
Religiös motivierter Extremismus
ist ebenso entschlossen in die Schranken zu weisen. Menschenrechte sind auch
unter Berufung auf religiöse Regeln und Riten oder Traditionen nicht relativierbar.
Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Traditionen findet dort ihre Grenze,
wo Menschenrechte verletzt werden. Unterdrückung, Gewalt, Verweigerung der
Selbstbestimmung, Zwangsverheiratung, Zwangsprostitution oder so genannte
Ehrenmorde an Frauen müssen mit allen rechtlichen Mitteln verhindert und
geahndet werden. Betroffene Frauen und Mädchen müssen soziale Hilfen und Rechtsbeistand
erhalten.
Toleranz...findet dort ihre Grenze: Das ist ein Beispiel für Populismus von der
unterschwelligen Art! Dieser Satz unterstellt, das anderen Kulturen
Menschenrechtsverletzungen wesentlich sind und wir sie nur eben bis zu diesem
Punkt tolerieren dürfen. Wir stellen andere Kulturen gewissermaßen unter
Generalverdacht, indem wir sie der unseren gegenüberstellen.
Beweis: Kämen wir auf die Idee in unser
Grundsatzprogramm zu schreiben, wir tolerierten unsere Kultur, unsere
christliche Religion, unsere Traditionen nur, insoweit Menschenrechte nicht
verletzt werden?
Zum adäquaten Ausdruck muss kommen, was,
unabhängig von der eigenen oder von anderen Kulturen, gemeint ist:
„Verletzungen von Menschenrechten, wie auch
immer motiviert, finden bei Sozialdemokraten keine Toleranz!“
Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis
nach umfassender Sicherheit. Dazu zählen menschliche Zuwendung, Geborgenheit
und Anerkennung. Dieses Bedürfnis wächst, wenn Menschen Veränderungen
ausgesetzt sind, die sie nicht kontrollieren können, die ihre Existenz bedrohen,
ihr Wissen entwerten oder ihre Wertevorstellungen in Frage stellen. Familie und
Nachbarschaft, das gesamte Netzwerk gesellschaftlicher Beziehungen in Vereinen,
Gewerkschaften, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften, Organisationen
bürgerschaftlichen Engagements und Hilfswerken bildet eine kostbare soziale
Voraussetzung des persönlichen Sicherheitsgefühls. Weil dieses Netz etwas
leistet, was der Staat und die Politik nicht selbst leisten können, haben
wir ein außerordentliches Interesse an der Freiheit und Vitalität mitmenschlicher
Beziehungen und bürgerschaftlicher Organisationen.
...tiefes Bedürfnis: Menschen haben so manche Bedürfnisse. Aber
unser Grundsatzprogramm sollte nicht individualpsychologisches Halbwissen mit
diffuser Andeutung gesellschaftlicher Probleme (Veränderungen) vermengen
und die Bekundung unseres außerordentlichen Interesses daran darbieten!
Deutschland ist ein
Einwanderungsland. Einwanderinnen und Einwanderer haben unser
Land wirtschaftlich und kulturell enorm bereichert.
Muss es nicht ehrlicherweise auch heißen:
Deutschland hat sich auf Kosten der Einwanderer (Gastarbeiter) enorm bereichert?
Im Zeitalter von Globalisierung
und demografischem Wandel wird die Aufgabe, unsere Gesellschaft für Menschen
aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu öffnen, noch wichtiger. Wir
brauchen und wollen mehr qualifizierte Einwanderinnen und Einwanderer. Und
wir wollen unser Land konsequent auf die Zukunft als Einwanderungsgesellschaft
vorbereiten.
Deutschland ist ein Einwanderungsland: und dann, vier Sätze weiter: wir wollen
unser Land auf seine Zukunft als Einwanderungsgesellschaft
vorbereiten. Ist das Nonsens? Zumindest verwirrend! Gemeint ist doch lediglich:
wir müssen die Fakten anerkennen und unsere Gesellschaft entsprechend einrichten...
[…]
Als Einwanderungsland streben
wir die Einbürgerung der zu uns kommenden Menschen an. Wir wissen:
Dieser Schritt ist nicht das Ende der Integration, sondern eine wichtige
Etappe, die eine volle politische Teilhabe ermöglicht.
Die Einbürgerung sollten die Einwanderer
anstreben. Wir (Sozialdemokraten) sollten zu den Bedingungen Stellung
nehmen!
Wir wollen den Dialog zwischen
den Religionen und Kulturen – insbesondere mit dem Islam – intensiver und
breiter führen und verbindlicher gestalten. Wir wollen Ängste und Berührungsängste
abbauen und den wechselseitigen Respekt stärken. Deutschland ist unsere gemeinsame
Heimat.
Deutschland ist nicht die Heimat aller
Einwanderer (hier Lebender, oder sind nur die Eingebürgerten gemeint?)! Der Heimatbegriff
darf hier vermieden werden.
Wir stehen zu dem Grundrecht
auf Asyl für politisch Verfolgte. Daraus folgt die Verantwortung,
Menschen Schutz und Zuflucht zu geben, die vor Gewalt, vor geschlechtsspezifischer,
staatlicher und nicht staatlicher Verfolgung und Diskriminierung aus ihrer
Heimat fliehen. Wer über lange Zeit in Deutschland geduldet war, soll einen
gesicherten Aufenthaltsstatus bekommen. Wir setzen uns für eine gemeinschaftliche
Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene ein. Sie muss auch dafür sorgen,
die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen.
Weil das Recht auf Asyl politisch
Verfolgter im Grundgesetz steht, bedarf es keiner Erwähnung, dass wir dazu
stehen! Interessanter wäre unsere Haltung zur Asylgesetzgebung: ob und
wie wir sie prinzipiell weiterhin ausgestalten wollen.
[…]
Die Sozialdemokratie war von
Anfang an auch eine Kulturbewegung.
Es darf, um hier Geschichtslosigkeit zu
vermeiden, erwähnt werden, dass die Entstehung der Sozialdemokratie eng mit der
Geschichte der Arbeiterbewegung verknüpft war, dass die Partei aus ihr
hervorging, Teil ihrer Kultur wurde und diese ihrerseits politisch stark prägte.
Wir stehen in der Tradition eines
weiten Kulturbegriffs. Er reicht über die Künste hinaus und bezieht auch
kulturelle Bildung, geschichtliches Erbe und die Formen unseres Zusammenlebens
ein. Wir brauchen eine politische Kultur, die unsere Demokratie stützt.
weiter Kulturbegriff: unter Kultur wurde auch von anderen nie nur
Kunst verstanden.
politische Kultur: Wenn
wir die Ursachen dieses beklagten Mangels nicht aufzeigen können, werden wir
ihn durch Appelle auch nicht beheben können, so wie man der Versteppung einer
Landschaft nicht mit dem Ruf beikommen kann: wir brauchen eine Bodenkultur!
Über politische Kultur wäre vielleicht in
einem Absatz „Innerparteiliche
Demokratie“ trefflicher zu
sprechen; ist es doch nicht die schlechteste Übung, bei sich selbst zu beginnen!
Kultur ist in besonderer Weise
der Raum, in dem sich die Gesellschaft ihrer Werte- und Zielvorstellungen
vergewissert. Sie stärkt die Menschen, schafft
Zugehörigkeit, das Bewusstsein von Verwurzelung und trägt damit zum
gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.
[…]
Friedliche Vielfalt wird
nur möglich sein, wenn wir uns unserer geistigen Wurzeln aus christlich-jüdischer
Tradition, Humanismus und Aufklärung versichern. Nur eine sowohl wertefundierte
wie tolerante Kultur kann sich gegen den Versuch behaupten, Kultur und Religion
zur Begründung von Ausgrenzung zu missbrauchen.
Mit den genannten geistige Wurzeln wird zur Begründung friedlicher Vielfalt
zu kurz gegriffen. Da Menschwerdung nicht ohne gleichzeitige kulturelle Entwicklung
zu denken ist, müssen wir uns unserer und der allen Menschen gemeinsamen
Wurzeln vergewissern.
(s. a. Anmerkungen zu 4.1)
Kultur ist ein öffentliches Gut.
Sie zu fördern, ist Aufgabe der Bürgergesellschaft und des Staates. Privates,
bürgerschaftliches Engagement ist nötig. Wir begrüßen und fördern es. Doch
der Staat hat eine nicht delegierbare Verantwortung. Wir bekennen uns zu
Deutschland als einem Kulturstaat.
begrüßen, bekennen? Können wir uns solche Peinlichkeiten nicht
ersparen?
Er sichert die Vielfalt der
Kulturlandschaft, die kulturelle Bildung, die Pflege unseres Erbes und unserer
Erinnerungskultur. Er fördert die Künste und übernimmt Verantwortung für die
soziale Absicherung freier künstlerischer Existenzen. Er wirbt für unsere
Kultur im Ausland.
Der Staat als Kulturstaat, wie er hier
beschrieben wird, ist ein Staat der Träume von unten und ein Albtraum für oben,
wenn es um seine Finanzierung geht.
Kreative Potenziale – von
künstlerischen Freiräumen bis zur wachsenden Kulturwirtschaft – werden in den
kommenden Jahrzehnten, in denen Innovationen über die Zukunft entscheiden,
immer wichtiger.
Kreative Potentiale: muss heißen, Potentiale für Kreativität.
Kreative Potentiale existieren in den Köpfen von Menschen.
[…]
Wir bekennen uns zum christlich-jüdischen
und humanistischen Erbe Europas und zur Toleranz in Fragen des Glaubens.
Wir verteidigen die Freiheit des Denkens, des Gewissens, des Glaubens und der
Verkündigung.
In einer religiös und
weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft muss sich die Achtung vor dem Andersdenkenden
bewähren.
Was soll hier das Bekenntnis einer auf
kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes bedachten Sozialdemokratie zu einem
christlich-jüdischen Erbe? In dieser exklusiven Form und überhaupt ist
das eher kontraproduktiv.
(S. a. Anmerkung unter 2. unser
Bild vom Menschen)
Grundlage für die an Religionsfreiheit
orientierte Gestaltung unserer Gesellschaft ist die Verfassung des
freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates.
Es muss nicht immer wieder betont werden,
dass wir wissen, was im Grundgesetz steht!
.
Für uns ist das besondere
Engagement der Kirchen, der Religions- sowie der Weltanschauungsgemeinschaften unersetzlich.
Dies gilt besonders bei der Vermittlung von demokratischen Werten und
ihrer sozialen Verantwortung für das Gemeinwohl. Wir suchen das Gespräch mit
ihnen und die Zusammenarbeit in freier Partnerschaft bei gemeinsamen Aufgaben. Wir
achten ihr Recht, ihre inneren Angelegenheiten autonom zu regeln.
unersetzlich: Das ist übertrieben! Besser: „wir Sozialdemokraten
schätzen das Engagement der Kirchen ... besonders bei der Vermittlung allgemeinmenschlicher
Werte und im sozialen Bereich hoch ein“! Hier muss aber generell gefragt
werde, ob wir in unserem Programm mit Komplimenten und Wertschätzungen
hausieren müssen.
Für die Vermittlung demokratischer Werte sind
Kirchen usw. nicht gerade prädestiniert, auch wenn es in ihnen demokratische
Bewegungen gibt. Das muss nicht im Programm stehen, da es sich aus unseren zu
formulierenden Grundsätzen ableiten lässt.
4.4 Die
Gleichstellung der Geschlechter
Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten erstreben eine Gesellschaft, in der Männer und
Frauen gleich, frei und solidarisch miteinander leben.
Hier geht es um das Verhältnis zwischen den
Geschlechtern in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen bis hin zu
den privaten, ja intimsten Beziehungen. Dieser erste Satz kann nur durchgehen,
wenn man ihn oberflächlich zur Kenntnis nimmt.
Wenn aber die Sozialdemokratie eine Gesellschaft
erstrebt, in der Frauen und Männer gleich, und frei und solidarisch miteinander
leben dürfen, muss sie sich auch die Frage stellen und beantworten, wie eine
Gesellschaft beschaffen sein muss, damit in ihr Frauen und Männer als
gleiche und freie und miteinander solidarische Menschen leben können. Da
reicht nicht aus, dass wir dieses und jenes erstreben, wünschen, wollen,
brauchen müssen usw. Da sollte unser Grundsatzprogramm wieder ein gewisses
utopisches Moment, auch was den Weg betrifft, enthalten, ohne das Zukunft nicht
gestaltbar ist.
[…] Die SPD ist vorangegangen:
sie hat gleiche Bildungschancen für Mädchen geschaffen und
für Frauen die bessere Beteiligung in den demokratischen
Parteien, Parlamenten und Regierungen durchgesetzt. Sie war wegweisend und
bahnbrechend, auch für andere Parteien und Institutionen.
Gemeint ist hier: gleiche Bildungschancen für
Mädchen und Jungen! Gleiche Bildungschancen gibt es auch
heute noch nicht, weder für alle Mädchen, noch für alle Jungen.
bessere Beteiligung: ob sich Frauen auf Veranlassung der SPD in
der CDU besser beteiligen (als wer? Mädchen sollen sich im Sprachunterricht oft
besser beteiligen als Jungen) ist hier wohl nicht relevant. Dass der Anteil an
Frauen in den Parlamenten usw. gewachsen ist, mag in der Tat ein Verdienst der
SPD sein. Aber wegweisend und bahnbrechend?
Dennoch erhalten Frauen
immer noch weniger Lohn als Männer, Frauen haben schlechtere Berufs- und
Aufstiegschancen. Frauen haben die Last der Vereinbarkeit von Beruf und
Familie überwiegend zu tragen.
Dennoch? Ist die SPD hier nicht genügend vorangegangen?
Der Entwurf ist durchzogen von Feststellungen,
dass Etwas noch nicht so ist, wie wir es wünschen, ohne konkrete Hinweise,
warum, und wie sozialdemokratische Politik darauf zu reagieren hätte. Strategische
Fragen werden völlig vernachlässigt. (s. auch im Weiteren!)
Wir wollen eine
Gesellschaft mit gleichen Rechten und Möglichkeiten für alle Menschen: beim
Zugang zu Bildung, Ausbildung, Beruf, Aufstieg, Ehrenamt und politischer Arbeit
haben, unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität, sozialer und
ethnischer Herkunft oder Religionszugehörigkeit.
Wir wollen, dass Frauen
und Männer gleichermaßen Erwerbs- und Hausarbeit, Kindererziehung und
gesellschaftliches Engagement ausüben können.
Wir wollen, dass junge
Frauen ihre Vorstellung von einem selbst bestimmten Leben verwirklichen können.
Sie wollen beides: Beruf und Familie. Auch Männer wollen Erzieher und Begleiter
ihrer Kinder sein. Dieses partnerschaftliche Leitbild der gemeinsamen
Familienarbeit und gleichzeitiger Berufstätigkeit muss die Gesellschaft
ermöglichen.
[…]
Wir wollen, dass alle
Regierungen und Verwaltungen das, was sie planen, beschließen und umsetzen auf
die Auswirkungen auf das Leben von Frauen, Männern und Kindern überprüfen und
es – wenn nötig – korrigieren. Das ist das Prinzip des „Gender Mainstreaming“.
[…]
Wer die menschliche
Gesellschaft will, wer ein Leben in Partnerschaft will, muss die Gleichstellung
von Frau und Mann hier und heute verwirklichen.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
wissen, dass für eine menschliche Gesellschaft die Gleichstellung der Geschlechter
unabdingbar ist. Deshalb müssen sie unablässig und „an allen Fronten“ dafür kämpfen.
Sie müssten aber auch wissen, dass dieses Ziel unter den Bedingungen der kapitalistischen
Produktionsweise nicht befriedigend erreicht werden kann. Im
sozialdemokratischem Gleichstellungsdiskurs muss der Kampf gegen diese
Produktionsweise zur Sprache kommen, wenn Gleichstellung nicht eine
Illusion bleiben soll oder ein Luxus für solche, die es sich leisten können;
und wenn Gleichstellung nicht zu modischer Rangelei zwischen den
Geschlechtern verkümmern soll! Was hätte einst die schönste Gleichstellung von
Sklavinnen und Sklaven diesen genützt?
4.5 Neue
Wertschöpfung und gute Arbeit
Sozialdemokratische
Wirtschaftspolitik verfolgt drei Hauptziele. Wir wollen einen möglichst hohen
Wohlstand, an dem alle Menschen gerecht teilhaben. Jede Frau und
jeder Mann soll die Möglichkeit erhalten, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit
zu erwirtschaften. Gleichzeitig müssen wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen
nachhaltig sichern.
möglichst hoher Wohlstand: das ist die Falle, in die die Sozialdemokratie
nicht tappen darf, wenn sie an der Priorität von sozialer Gerechtigkeit
festhalten und für sie kämpfen will!
Zwischen Wohlstand für alle durch
das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit, und Wohlstand für alle durch
die neoliberale Konzeption des Wirtschaftswachstums und des
globalisierten Marktes liegen Welten! Während die Neoliberalen die Völker vor
Erreichung des Gelobten Landes, wenn es sein muss, auf einen „vierzig Jahre“ währenden
Marsch durch die Wüste zu schicken gewillt sind (und es wird immer sein müssen,
da es für sie nie genug geben wird, um gerecht verteilen zu können), ist für
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten soziale Gerechtigkeit Aufgabe für den
heutigen Tag.
Wenn die Sozialdemokratie diesen täglichen
Kampf um Gerechtigkeit führen will, darf sie die Gesellschaft gerade nicht
dem wild gewordenen Kapitalismus anpassen; sondern sie wird zu fragen haben und
wird Antworten darauf geben müssen, wie gerechte Teilhabe am
gesellschaftlichen Wohlstand realisiert werden kann.
Wenn sie dazu nicht mehr gewillt ist, und
keine anderen Kämpfe mehr kennt als Wahlkämpfe, wird sie den Grundwert
(soziale) Gerechtigkeit theoretisch von jedem Wirklichkeitsbezug
„befreien“ und in der politischen Praxis verleugnen müssen! Die ersten
Schritte dazu sind getan!
Diese Ziele lassen sich nur mit
einer hohen wirtschaftlichen Wertschöpfung und mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit
verwirklichen. Wir bejahen den technologischen Fortschritt. Wir wollen
Technik gestalten für eine menschengerechte, sozial gerechte und
nachhaltige Entwicklung.
Technik gestalten: Die SPD als Sozialdesigner für Technik?
Glauben wir, oder wollen wir glauben machen, alles was wir im herrschenden
Gesellschaftssystem vorfinden, könnten wir belassen, wenn wir es nur sozial
gestalten dürfen? Wie will die Sozialdemokratie oder überhaupt irgendjemand
Technik so gestalten, dass sie zu sozial gerechter Entwicklung passt?
Konkret nachgefragt, wird das Ausbleiben einer sinnvollen Antwort die
Absurdität dieser ansonsten gut klingenden Phrase ans Licht bringen.
Neue Technologien schaffen neue
Märkte, entfachen Wirtschaftswachstum und können die Kräfte unserer
Gesellschaft mobilisieren. Wir begreifen die Globalisierung als
Chance für neue Arbeitsplätze und für die Sicherung des Wohlstands in den
kommenden Jahrzehnten.
Wir begreifen: steht hier für glauben. Wir erfahren
aber vorerst mehrheitlich, direkt oder mental, Globalisierung als „Chance“, den
Arbeitsplatz zu verlieren. Der Eindruck entsteht, die Sozialdemokratie setze
zur Lösung sozialer Probleme ihre Hoffnung auf neue Technologien. Dabei sollten
wir begriffen haben, dass Technologien, Technik und Werkzeuge indifferent sind
in Bezug auf die sozialen oder auch moralischen Aspekte ihres Gebrauchtwerdens.
[…]
SPD und Gewerkschaften
haben die Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitisches Erfolgsmodell der
Bundesrepublik Deutschland maßgeblich ausgestaltet. Dieses Modell ist
eine der herausragenden wirtschaftspolitischen Leistungen des 20.
Jahrhunderts. Die Soziale Marktwirtschaft hat sozialen Frieden,
wirtschaftliche Stärke und Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten vereint.
sozialer Frieden: Wie sich heute herausstellt, handelte es
sich eher um einen sozialen Burgfrieden!
[…]
Aber wir wissen auch: Wir
müssen die Soziale Marktwirtschaft modernisieren, um sie zu erhalten.
Genau solche Sätze wie dieser, die schon seit
langem in verschiedenen Versionen in der Sozialdemokratie herumgeistern, sind
Ausdruck einer Ideologie, die sich neoliberalem Denken anbequemt und die
sozialdemokratischen Politikern (nicht nur in Deutschland) zur Legitimation
einer Politik dient, deren Ergebnisse in diesem Entwurf beklagt werden.
Die Globalisierung der Güter-,
Finanz- und Dienstleistungsmärkte, der Wandel der Arbeitswelt und die
Digitalisierung stellen das bewährte Ordnungsmodell auf die Probe. Sozialdemokratische
Wirtschaftspolitik muss den Wandel im Geiste sozialer Gerechtigkeit
gestalten.
Die neoliberale Globalisierung stellt das
sich bei uns bewährt habende „Ordnungsmodell nicht auf die Probe,
sondern ist dabei es zu zerstören. Diesen „Wandel“ will sozialdemokratische
Wirtschaftspolitik im Geiste sozialer Gerechtigkeit gestalten!
Wir wollen die Grundpfeiler
unseres Wirtschafts- und Sozialmodells zukunftsfest für das 21. Jahrhundert machen.
Das können wir nur gemeinsam in Europa und mit der Europäischen Union
schaffen. Ein realistisches Leitbild für die Weiterentwicklung der sozialen
Marktwirtschaft muss die Effizienz und Rationalität von dezentralen
Marktentscheidungen ebenso anerkennen wie ihre Grenzen. Es bleibt dabei: So
viel Markt wie möglich, so viel politische Regulierung wie nötig.
Markt und Regulierung: Die Gegenüberstellung von Markt und
Politik verschleiert, dass alles, was Menschen im, am oder auf dem „Markt“ tun,
zugleich politisches Handeln ist. Der Markt erscheint als Sphäre, die von ihm
eigenen Gesetzen bestimmt wird, und deren Macht die Menschen ausgeliefert
sind.
Der Satz nährt den Glauben, dass das Walten
des Marktes den Eigennutz der in ihm Agierenden, gleichsam hinter ihrem Rücken,
in Wohlstand für Alle verwandelt. Der Satz legt nahe, dass politisches
Regulieren eher schädlich für Markt und Wirtschaft ist.
Ohne eine erläuternde fundierte moderne
Kapitalismuskritik ist dieser Satz prinzipienlose Anbiederung an neoliberales
Denken und im Grundsatzprogramm einer linken Volkspartei verwirrend und
überflüssig!
Denn: ohne aus gesellschaftspolitischer
Marktkritik resultierende Kriterien, bleiben Entscheidungen, was, wann, wie
viel usw. politisch zu regeln sei, völlig beliebig und werden Opfer opportunistisch
pragmatischer „Stimmungen“.
Sozialdemokratische
Wirtschaftspolitik muss die Chancen der Globalisierung für
alle zugänglich machen.
D. h., sozialdemokratische Wirtschaftspolitik
muss die Globalisierung zwingen, aus ihrem wundersam gefüllten Füllhorn über
alle gleichmäßig ihre Chancen auszustreuen!
Dumpingwettbewerb mit immer
billigeren Produkten, bei denen Renditen nur durch Lohnsenkungen und
Sozialabbau erzielt werden können, vermag dies nicht zu leisten.
D. h., die Sozialdemokratie wird diesen
Dumpingwettbewerb abschaffen, denn sie muss die Chancen der Globalisierung
für alle zugänglich machen! Besser kann sich der illusionäre Charakter
dieses Geredes nicht selbst entlarven!
Die Wirtschaft hat den
Menschen zu dienen. Die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen
ist Maßstab erfolgreicher Wirtschaftspolitik. Die Integration aller Menschen
in den Arbeitsmarkt ist Ziel sozialdemokratischer Wirtschafts- und
Gesellschaftspolitik. Unter den Bedingungen im 21. Jahrhundert bedeutet Vollbeschäftigung
nicht mehr die unausgesprochene Garantie, dass jeder ein Leben lang in
derselben Firma einen sicheren Arbeitsplatz hat. Die wachsende wirtschaftliche
Dynamik fordert von den Menschen Arbeitsplatz- und auch Berufswechsel, vor
allem aber ständiges Dazulernen. Phasen der Kindererziehung oder der Pflege
von älteren Angehörigen erfordern häufig berufliche Einschränkungen oder sogar
Auszeiten vom Berufsleben. Selbstständige Erwerbsformen werden weiter zunehmen.
Vollbeschäftigung: wurde nie, selbst nicht im „real existierenden
Sozialismus“ so verstanden wie hier unterstellt wird, dass irgendjemand es so
verstehen oder verstanden haben könnte. So zu argumentieren lenkt von der
Notwendigkeit einer Definition ab, was nicht als vollwertige Vollbeschäftigung
verstanden wird: prekäre Arbeitmöglichkeiten wie Gelegenheitsjobs,
Ein-Euro-Jobs, ABM und was da nicht alles an Zumutungen auch und vorzugsweise
unter der Regie sozialdemokratischer Administration erdacht und eingeführt
wurde.
Vollbeschäftigung gibt es dann, wenn für
jeden, der es wünscht, gesellschaftlich als sozial erträglich anerkannte Arbeit
im Rahmen eines wie immer auch gearteten „Normalarbeitstages“ vorhanden ist. Da
bedarf es keiner besonderen sozialdemokratischer Deutungskunst (auf die
auch weiter unten abgehoben wird).
In diesem Verständnis
geben wir das Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland auch nach
Jahrzehnten hoher Arbeitslosigkeit nicht auf. Uns geht die Arbeit nicht
aus, im Gegenteil. Unsere Zukunft liegt in innovativen, hochwertigen
Gütern und in mehr Angeboten und Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich. Je
mehr Menschen in Arbeit sind, desto höher ist unser Wohlstand. Gerade
auch angesichts der demografischen Entwicklung wollen wir unsere
Potenziale nutzen. Die Erwerbsquoten von Älteren und Geringqualifizierten
müssen deutlich angehoben werden. Jede Arbeit, auch einfachere
Dienstleistungstätigkeit verdient Respekt und Anerkennung und muss die
Chance des Aufstiegs in qualifizierte Arbeit bieten.
Es ist beschämend, welche Weisheiten hier
angeboten werden! Und so geht es weiter:
Eine Politik für
Vollbeschäftigung basiert auf vier Säulen: erstens ein möglichst
hohes Wachstum, einen Vorsprung in marktfähigen Produkten und
besondere Beschäftigungsdynamik im Dienstleistungsbereich, die zu einem
deutlich höheren Angebot an Arbeitsplätzen führen. Zweitens
unterstützt der Vorsorgende Sozialstaat durch koordinierte Arbeitsmarkt-, Bildungs-,
Gleichstellungs- und Familienpolitik die Menschen dabei, Übergänge und Unterbrechungen
in ihren Erwerbsbiographien zu meistern und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu
erhalten. Drittens sind für Menschen, die auf dem ersten
Arbeitsmarkt keine Perspektive haben, besondere Angebote öffentlich geförderter
und gemeinwohlorientierter Arbeit nötig. Viertens ist eine
moderne Arbeitszeitpolitik nötig, die Selbstbestimmung und Flexibilität fördert
sowie durch Arbeitszeitverkürzung mehr Menschen in Beschäftigung bringt.
Satirischer Einschub:
Eine Planung für ein gutes Mittagessen
basiert auf vier Säulen: erstens ein möglichst frischer Salat,
einen guten Geschmack des Kochs und ein Frischegrad, der zu einem deutlich
höherem Angebot an Vitaminen führt. Zweitens unterstützt ein
vorsorgendes Küchenmanagement durch klugen Einsatz der Kochplatten die Kellner
dabei, Übergänge und Unterbrechungen beim Auftragen der verschiedenen Gänge
möglichst kurz zu halten. Drittens sind für Gäste, die an der
Tafel keinen Platz mehr finden, „Katzentische“ einzurichten, an denen sie mit
den Resten der Tafel abzuspeisen sind. Viertens ist ein modernes
Marketing nötig, um allen das Gefühl zu vermitteln, an einem guten Mittagessen
teilgenommen zu haben.
[…]
Im Zuge der Globalisierung
wird sich das weltweite Bruttosozialprodukt bis 2030 annähernd verdoppeln.
‚Damit könnte man Hunger und Armut aus der
Welt verbannen!’ Das wäre spontan der einzig authentisch sozialdemokratische
Denkreflex auf diese Aussage. Fehlanzeige: das Grundsatzprogramm macht sich
Sorge um den Anteil der deutschen Wirtschaft an diesem gigantischen Kuchen!
Die deutsche Wirtschaft hat
also beste Aussichten, wenn es uns gelingt, die Chancen des bevorstehenden
Wachstumsschubs zu nutzen und die neu entstehenden Märkte überall auf der Welt
mit attraktiven Gütern, Produkten und Dienstleistungen zu versorgen. Darum müssen
wir in allen Bereichen auf bessere Ideen, Innovationen und Spezialisierung
setzen. Politik, Unternehmen und Beschäftigte müssen in einem umfassenden Sinne
international denken. Wir können nicht aus der Globalisierung aussteigen,
wie manche Links- und Rechtspopulisten vorgaukeln. Und auch der von
Marktliberalen und Konservativen in Deutschland propagierte Weg führt in die
Irre: Sozialabbau, das Aushöhlen des Tarifsystems und pauschale Arbeitszeitverlängerungen
sind in einer globalisierten Wirtschaft falsche Ansätze. Sie sind gegen die
Menschen gerichtet, greifen auch ökonomisch zu kurz und gefährden die Binnenkonjunktur.
Einer Politik der resignativen Anpassung stellen wir eine offensive
Strategie des Qualitätswettbewerbs entgegen.
So viele falsche oder banale Einsichten und
welch kühne Alternative!
Die Menschheit steht vor
großen sozialen und ökologischen Herausforderungen. Um sie zu meistern, brauchen
wir innovative und hochwertige Produkte und Dienstleistungen. In Folge der
demografischen Entwicklung stellen Produkte und Dienstleistungen für die ältere
Generation ein zusätzliches Wachstumsfeld dar. Darum setzen wir
auf qualitatives Wachstum. So können wir unsere
Lebensqualität steigern, Ressourcen und Energie einsparen, den Klimawandel
abmildern, Krankheiten heilen, Mobilität verbessern und Kommunikation
erleichtern. Neue Technologien werden vor allem in diesen Zukunftsmärkten Anwendung
finden.
Anwendung finden: Vor lauter Begeisterung, wie wir die
Herausforderungen der Menschheit meistern werden, bleibt schon mal die
Logik auf der Strecke: man stelle sich vor, wie Technologien in Märkten Anwendung
finden werden.
Die ökologische Rettung der
Erde ist nicht allein Angelegenheit von Umwelt-, Außen-, Entwicklungs- und
Sicherheitspolitik. Sie wird zu einem Antriebsmotor für ökonomische Wertschöpfung.
Die Zukunft gehört den so genannten „grünen Märkten“, die eine globale Wachstumsdynamik
ohne die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen möglich machen.
Produkte und Dienstleistungen, die unsere Gesundheit verbessern, sind nicht nur
Kostenfaktoren, sondern auch Zukunftsmärkte.
ökologische Rettung der Erde: In der Tat, innerhalb des Kapitalismus
ist die ökologische Rettung der Erde (als Heimstatt des Menschen) nur
denkbar, wenn sie mit Wachstum und Profit zu haben ist, und gerade so wird sie nicht
zu haben sein. Es ist traurig, dass wir diese trügerische Botschaft so
gelassen zu der unsrigen machen!
Wir wollen, dass die
Wirtschaft gezielt und massiv in diese Märkte investiert. Die deutsche Wirtschaft
muss in diesen Leitmärkten an der Spitze stehen.
Dieser ganze Abschnitt ist national und
egozentrisch ausgerichtet: wir müssen an der Spitze stehen, nur so
können wir unsere Lebensqualität steigern! Und wo sollen die Anderen
stehen, mit denen wir uns solidarisieren wollen?
[…]
[…]
Unsere Volkswirtschaft
braucht stabile und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen für Unternehmen
und Konsumentinnen und Konsumenten. Darum muss die Finanz- und Geldpolitik in
Deutschland und Europa die Konjunktur festigen und ein stetiges, kräftiges
Wachstum fördern.
Wachstum: einzig Wachstum berechtigt zu der Hoffnung, das kapitalistische
System stabil (zukunftsfähig) zu halten, ohne dass an der Produktionsweise
und den ungerechten Verteilungsverhältnissen etwas verändert werden müsste.
Warum setzen wir uns so vehement für dieses Wachstum ein, und nicht für
über das System hinausweisende Veränderungen in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit
der Menschheit?
Der Staat muss durch
nationale wie auch internationale Stabilisierungspolitik dazu beitragen, konjunkturelle
Krisen zu überwinden. Eine hohe Binnennachfrage ist die Voraussetzung für mehr
Beschäftigung. Wir setzen uns für Lohnsteigerungen ein, die sich an der
Produktivität orientieren. Im unteren Einkommensbereich brauchen wir
Mindestlöhne.
Mindestlöhne: staatlich verordnete Unterschiede beim zu
fordernden Mindestlohn ist staatlich sanktionierte Ungerechtigkeit.
Sozialdemokraten sollten sich daran nicht beteiligen!
[…]
[…]
Die öffentlichen Haushalte
sind strukturell unterfinanziert und zu sehr von der konjunkturellen Entwicklung
abhängig. Der Staat braucht verlässlichere Einnahmen, die in der Konjunktur weniger
schwanken. Solide Einnahmen und Einsparungen lassen Schritt für Schritt
erweiterte finanzielle und politische Spielräume entstehen – sowohl für
staatliche Aufgaben wie für notwendige Zukunftsinvestitionen.
unterfinanziert: Eine Grundsicherung kommunaler Haushalte
muss gesamtstaatlich durch Steuern finanziert werden. Sie darf nicht (allein)
von der eigenen Wirtschafts- d. h. Steuerkraftkraft abhängen! Kein Gedanke wird
an die Ursachen der „strukturellen Unterfinanzierung“ verschwendet, die so gut
ins Konzept neoliberalen Wirtschaftens passt, da sie den Druck erhöht, auf
allen Ebenen gesellschaftliches Eigentum zu privatisieren und die
Sozialleistungen zurückzufahren.
[…}
[…]
Ökologisch und sozial
verantwortbares Wirtschaften verlangt wirtschaftliche Demokratie, soziale
Teilhabe und eine zielführende politische Rahmensetzung. Wirtschaftliche
Demokratie erfüllt die Forderung des Grundgesetzes: Eigentum verpflichtet.
Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Wirtschaftliche Demokratie: erfüllt noch lange nicht die
Forderung des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet“... Sie scheint
Sozialdemokraten aber das am meisten geeignete Instrument zur Durchsetzung
dieser normativen Forderung des Grundgesetzes zu sein!
Die Mitbestimmung in Betrieben
und Unternehmen, die Tarifautonomie und das Streikrecht sind unverzichtbare
Elemente der Sozialen Marktwirtschaft. Teilhabe und innerbetriebliche Demokratie
sind kein Bremsklotz, sondern Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg.
Diese Begründung ist schwach. Es kommt darauf
an, wer unternehmerischen Erfolg wie definiert.
[…]
Die Beteiligung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Unternehmenskapital als zusätzliche
Säule des Einkommens fördert Innovation und Produktivität und gewährleistet
eine gerechte Beteiligung der Beschäftigten am Firmenerfolg. Wir wollen
Mitarbeiterbeteiligungsmodelle als Element der ökonomischen Teilhabe
attraktiver machen. Das Unternehmensrisiko darf jedoch nicht auf die Arbeitnehmer
übertragen werden.
Die bloße Beteiligung (Teilhabe?)
gewährleistet noch keine gerechte Beteiligung. Welchen Zweck verfolgt
eine solche Formulierung? Dies Projekt sollte nicht unumstritten sein, birgt es
doch auch die Möglichkeit vielfältiger anderer differenzierter Ungerechtigkeiten
in sich.
Der letzte Satz fällt unter frommes Wünschen!
[…]
Aufgabe der Wirtschaftspolitik
ist es, durch einen fairen Wettbewerbsrahmen und eine Wirtschaftskultur
der Langfristigkeit verantwortliches Unternehmertum zu ermöglichen.
Ist ein politisch gesetzter Wettbewerbsrahmen
innerhalb des bestehenden Systems möglich? Das wird hier lediglich behauptet.
Und wo, wie weit soll diese Fairness gelten? Global?... National?...
Ein stabiler und gut
funktionierender Finanzmarkt ist unverzichtbar für die moderne, global integrierte
deutsche Volkswirtschaft, weil dort das notwendige Kapital für Unternehmen
zur Verfügung gestellt wird.
Nicht über das System hinaus denkend, müssen wir
uns alles, was in ihm eine systemerhaltende Rolle (nach seinen unerbittlichen
„Gesetzen“) spielt, so zurecht wünschen, dass es zu einer sozial gerechten
Gesellschaft passt. Wir füttern insgeheim, wie traumwandlerische Hirten, die Wölfe,
um sie von den Vorzügen eines paradiesischen Verhaltens zu überzeugen und
bitten sie, hinfort unsere (deutschen) „Lämmer“ zu verschonen.
Die Finanzdienstleistungsbranche
in Deutschland gehört außerdem selbst zu den größten Arbeitgebern.
Finanzdienstleistungsbranche: Dass sie außerdem zu den größten
Arbeitgebern gehört, wird ihr als Verdienst angerechnet. Unerwähnt bleibt, dass
diese Branche selbst im Begriff ist, ihre Beschäftigten in großem Stil zu entlassen,
nicht, um die skandalös hohen Kreditzinsen zu senken, sondern um weiter die
Gewinne zu steigern.
Wir wollen die Chancen
und Potenziale der Güter- und Kapitalmärkte für dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum,
breiten Wohlstand und Beschäftigung nutzen. Besonders wichtig ist es, gerade
jungen, innovativen Unternehmen besseren Zugang zu Wagniskapital zu verschaffen.
Wo die Finanzmärkte übertriebene
und lediglich kurzfristige Renditen realisieren, werden langfristige Wachstumsstrategien
von Unternehmen gefährdet und somit Arbeitsplätze vernichtet.
Gesamtwirtschaftliche Krisen und die Überwälzung von Folgekosten auf
die Gesellschaft müssen vermieden werden. Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik
ist es, dass die Finanzmärkte einer langfristig ausgerichteten Wirtschaftskultur
dienen. Wir wollen Anleger stärken, die statt schneller Rendite ein langfristiges
Engagement im Blick haben. Wir wollen das Stimmrecht der Aktieninhaber
in dieser Richtung gestalten. Dies ist eine zentrale Regulierungsaufgabe
für die führenden Industrieländer in der Welt.
Wer soll die Krisen vermeiden und wer wälzt
wem etwas über? Im Moment ist es mit Hilfe
sozialdemokratischer Regierungen üblich, dass Gewinne von Krisen (und
Kriegen) privatisiert und die Verluste (Kosten, inklusive Folgekosten) vergesellschaftet
werden!
Wir wollen: etwas gestalten, was wir für eine zentrale Regulierungsaufgabe
führender Industrieländer halten!
Mit der zunehmenden Vernetzung
internationaler Güter- und Finanzmärkte wird die internationale Regulierung und
Sicherung stabiler Finanzmärkte immer bedeutsamer. Stabile nationale und
internationale Finanzmärkte sind ein wichtiges öffentliches Gut. Um dies
zu erreichen, wollen wir mit anderen Staaten und
internationalen Institutionen gemeinsam handeln. Unser Ziel ist, Wachstum,
Wohlstand und Beschäftigung zu fördern, aber auch eine wirksame Aufsicht zu
schaffen und Regeln einzuführen, die unkalkulierbare Stabilitätsrisiken oder
volkswirtschaftlich schädliche Fehlentwicklungen verhindern.
Mit welchen Staaten, mit welchen Institutionen
müssten wir (als Sozialdemokraten) gemeinsam handeln? Wie
realistisch ist dieses Vorhaben, welche politischen Voraussetzungen müssten
gegeben sein oder erkämpft werden, um das Herzstück kapitalistischen
Wirtschaftens zu einem öffentlichen Gut zu machen?
[…]
Staat und Wirtschaft
stehen in einer sozialen Marktwirtschaft in der gemeinsamen Verantwortung
für ein nachhaltiges und stabiles Wachstum.
Staat und Wirtschaft stehen in jeder Gesellschaft
in der Verantwortung! Die Frage ist, ob und wie diese Verantwortung wahrgenommen
wird. Bei Beantwortung dieser Frage wird dann aber deutlich, dass der Satz eine
Phrase ist, da er eine gemeinsame Verantwortlichkeit fordert, die es so
gerade nicht gibt und auch nicht geben kann. Und dass dort, wo es in der Tat
zwischen Staat und Wirtschaft konkrete Gemeinsamkeiten z. B. im personalen
Bereich gibt, Verantwortungsbereitschaft für das allgemeine Interesse am wenigsten
zu erwarten ist.
nachhaltiges und stabiles Wachstum: sollten Sozialdemokraten nicht fordern,
sondern nachhaltiges und stabiles Wirtschaften.
Aber Märkte brauchen faire
Regeln, damit sie funktionieren.
Märkte funktionieren auch ohne faire
Regeln, was immer darunter verstanden wird. Wenn gemeint ist, dass die auf
dem Markt Handelnden fairen Handel miteinander treiben sollen, dann muss für Regeln
gesorgt werden, die unfaires Handeln einschränken, erschweren usw. und je nach
Lage gewisse Handlungen verbieten.
Diesen ordnungsrechtlichen
Rahmen kann nur der Staat setzen. Wir wissen, dass dies in
den globalisierten Bereichen der Wirtschaft nur noch im
europäischen Rahmen möglich ist. Darum haben wir zentrale
wirtschafts- und finanzpolitische Zuständigkeiten auf die Europäische
Union übertragen. Und deshalb setzen wir uns für
eine enge wirtschafts- und finanzpolitische Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten
ein.
Resümee: der Staat kann keinen
ordnungsrechtliche Rahmen (Regeln) für den wesentlichen globalisierten Bereich
der Wirtschaft (Markt) setzen. Was bleibt, ist unser Einsatz dafür, dass
die Staaten sich auf unsere Vorstellungen einigen.
Nur gut, dass wir, um globalisierten
Bereichen einen ordnungspolitischen Rahmen zu geben, nicht auch auf globale
Abstimmung angewiesen sind, sondern dies innerhalb der EU tun können. Wie
machen das die Afrikaner oder die Chinesen?
Damit die Mechanismen des Marktes
funktionieren können, brauchen wir auch eine effiziente
Wettbewerbspolitik. Sie muss die Entstehung und Konzentration übermäßiger
wirtschaftlicher Macht – mindestens auf europäischer Ebene - verhindern.
Das ganze Gerede von Sozialdemokraten darüber,
was der Markt braucht, bleibt phrasenhaft, solange sie nicht auch sagen, wozu
und von wem Markt und Wirtschaft gebraucht werden, und wodurch sich die
sozialdemokratischen Vorstellungen von Wirtschaft und Gesellschaft von denen
der Neoliberalen unterscheiden.
Und: in unserem Grundsatzprogramm sollte eine
alte Einsicht nicht vergessen werden: dass alle wirtschaftspolitischen
Fragen Machtfragen sind!
Verantwortungsbewusste
Konsumentinnen und Konsumenten sind Ausdruck einer solidarischen und
demokratischen Bürgergesellschaft. Aktive Verbraucherpolitik stärkt die Nachfrageseite.
Jeder verfügt mit jedem Kauf über Einfluss. Der Einzelne mag dabei schwach
sein, aber die organisierte Kraft der Verbraucher ist ein wirksames Mittel,
der wirtschaftlichen Entwicklung eine bessere, eine nachhaltige Richtung zu
geben. Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereit sind, qualitativ
hochwertige Ware zu kaufen, sind die Pioniere neuer Märkte für innovative
Produkte.
Verantwortungsbewusste Konsumentinnen...: Der
Satz ist falsch, weil er unterstellt, die Verfasstheit einer bestimmten Gesellschaft
(hier die, die wir anstreben) habe allgemein ein bestimmtes moralisches
Verhalten ihrer Bürger zur Folge (hier: verantwortungsbewusstes Kaufverhalten),
bringe es hervor und drücke es damit aus. Natürlich wäre ein solches
Verhalten wünschenswert! Leider (und/oder zum Glück) verhalten sich die
Menschen aber nun einmal nicht so, wie Ideologie es erwartet. Was der falsche
Satz aber leisten kann, das ist, den Blick auf die Realität zu trüben. Solange
man nicht gewillt ist, die entsprechenden gesellschaftlichen „Randbedingungen“
zu untersuchen, zu berücksichtigen und ggf. zu verändern (Verteilung von
Wohlstand und Bildung, das Wirken der Massenmedien, massenpsychologisches
Verhalten, Preis- und Steuerpolitik, umfassende Deklarationspflicht)– solange
bleiben die Verantwortung der Konsumenten und erst recht die organisierte
Kraft der Verbraucher leere Phrasen!
J e d e r v e r f ü g t mit j e d e m Kauf
über Einfluss:
1.
Verfügen bedeutet, eine gewisse Freiheit bei einer Entscheidung
zu haben. Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt, dass dies nie bei jedem
Kauf zutreffen kann, schon, weil nicht immer die Wahl zwischen verschiedenen
Produkten gegeben ist.
2.
Nicht Jeder verfügt über
die finanziellen Mittel, sich beim Kauf von Kriterien der Verantwortung z. B.
für seine Gesundheit usw. leiten zu lassen.
3.
Der Satz in der Bedeutung
(die hier auch anklingt) Jeder Kauf hat Einfluss (z. B. auf den
Profit eines Unternehmens oder auf Umweltschäden) wäre banal.
Wir wollen transparent
machen, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt und Dienstleistungen
erbracht werden, gerade auf globalen Märkten. Kennzeichnung ermöglicht eine
bewusste Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher. Erweiterte
Informationsrechte und Transparenzregeln für emanzipierte Verbraucher tragen
dazu bei, dass Märkte von der Nachfrageseite her beeinflusst und kontrolliert
werden. Eine unabhängige Verbraucherberatung und verlässliche Qualitätskriterien
müssen Sicherheit bieten. Die öffentliche Hand muss mit ihren
Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen Vorbild sein. Eine umfassende
Verbraucherbildung kann die Menschen befähigen, sich in den immer komplexer
werdenden Märkten zurechtzufinden und verantwortungsvolle Konsumentscheidungen
zu treffen.
Die öffentliche Hand muss...: suggeriert, es läge an ihrem guten Willen.
Es gibt aber viele Hürden, wie Finanzschwäche, Gesetze, Korruption,
Bequemlichkeit, und natürlich auch Mangel an gutem Willen. Mit einfacher
Forderung ist da nichts getan! Es wäre gut, wenn die öffentliche Hand sich so
verhielte, auch unabhängig von der hier ins Feld geführten Vorbildwirkung, die
man aus guten Gründen für fragwürdig halten darf.
Dies gilt auch für den wachsenden
Markt der Finanzdienstleistungen. Immer mehr Menschen werden Kapital zur
persönlichen Altervorsorge anlegen. Dies wollen wir in Einklang bringen mit
einer langfristig und nachhaltigen ausgerichteten Wirtschaftspolitik.
Immer mehr Menschen: Dass es immer mehr werden, die dies tun ist
die eine Seite. Das es immer mehr werden, die dies nicht tun können,
ist die unfeine ausgeblendete andere Seite. Es sind dies die beiden Seiten des
real existierenden Kapitalismus.
Der Sozialstaat ist eine große
zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Für uns
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehören Demokratie und Sozialstaat
zusammen. Der Sozialstaat ergänzt die bürgerlichen Freiheitsrechte
durch soziale Bürgerrechte. Wohlstand und wirtschaftliche Dynamik, soziale
Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt wurden nicht trotz, sondern
wegen des Sozialstaats möglich. Der Sozialstaat leistet einen eigenen produktiven
Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen und den gesellschaftlichen
Wohlstand sowie dessen gerechter Verteilung.
Der Vorsorgende Sozialstaat: das ist einer der neuen Begriffe
(neo-)sozialdemokratischer politischer Terminologie, der im Grundsatzprogramm
einen zentralen Platz einnehmen soll. Er wird hier eingeführt und soll den
Begriff Sozialstaat „präzisieren“ und für den aktuellen Gebrauch ersetzen
(etwa so, wie Demokratischer Sozialismus durch Soziale Demokratie
ersetzt wurde). Es ist, um die dabei bemühte Argumentation zu verstehen,
wichtig, schon jetzt zu wissen, um welche Art von Begriffswandlung es sich
hierbei handelt.
Weiter unten wird gesagt, aus bestimmten,
dort näher erläuterten, Gründen,
entwickeln wir den Sozialstaat weiter zum Vorsorgenden Sozialstaat.
Das heißt, dieser neue Begriff bezeichnet nicht einen neuen Sachverhalt,
sondern er bezeichnet eine Absicht, ein Programm, ist ideologischer Ausdruck
für eine neue Ausrichtung der Politik der Sozialdemokratischen Partei. Da es in
der Partei und in der Gesellschaft überhaupt umstritten ist, ob es sich aktuell
bei der den Sozialstaat betreffenden Politik um einen zu seiner Rettung
notwendigen Umbau oder um rhetorisch verbrämten Abbau handelt, darf man hier
Aufklärung erwarten.
Wenn man einen Begriff durch einen neuen ersetzen
und redlich erklären will, warum dies für notwendig gehalten wird, muss man den
neuen aus dem alten entwickeln und die Gründe und Umstände der Veränderung angeben.
Was hier nun über den Sozialstaat zu erfahren
ist, ist in Gestalt von großer zivilisatorischer Errungenschaft des 20.
Jahrhunderts das fragwürdigste Allgemeine und damit Leere, was man über ihn
noch sagen kann, ohne sofort in den Verdacht zu geraten, überhaupt nichts sagen
zu wollen. Aber soviel wird vermittelt: eine so große zivilisatorische Errungenschaft
wirft man nicht weg. Ist sie in Gefahr, sollte man versuchen, sie zu erhalten,
zu retten. Da die Entstehungsgeschichte des Sozialstaats nicht mehr mitgedacht
und dem Vergessen übergeben wird, können sich auch die sich anbietenden Möglichkeiten
für seine Rettung nur geschichtslos verengen zu alternativloser Anpassung an
eben jenes System, dem die zivilisatorische Errungenschaft einst abgerungen
wurde!
Demokratie und Sozialstaat: gehören zusammen! Nicht nur für
Sozialdemokraten, sondern wesentlich! In „wirklicher“ Demokratie
werden die Menschen Ausbeutung nicht dulden; andererseits wird es in
Gesellschaften, die auf Ausbeutungsverhältnissen gegründet sind, Demokratie,
wenn überhaupt, nur äußerst eingeschränkt geben. (Nicht von ungefähr wurde der
Sozialstaat, seit es ihn gibt, von den Vertretern des Kapitals als Sozialismus
diffamiert.) Dieser Dialektik entspricht die Beobachtung, dass, wo der Sozialstaat
abgebaut wird oder abgebaut werden soll, die demokratische Kultur leidet und bürgerliche
Freiheiten und Menschenrechte eingeschränkt werden!
Der Sozialstaat leistet einen eigenen produktiven
Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen... Da wird interessant sein, worin dieser eigene
Beitrag besteht, haben die Menschen als gesellschaftliche Wesen doch
auch ohne die Existenz eines Staates schon teil an der Gesellschaft.
So wie oben der Sozialstaat bezeichnet
wurde als eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, so werden ihm
jetzt, gleichsam als einer Person, Tätigkeiten zugeschrieben(der Sozialstaat
ergänzt, ermöglicht, leistet und verteilt gerecht), die in Wirklichkeit
Ergebnis von gesellschaftlichen Kämpfen sind, aber als solche nun nicht mehr
sichtbar. Dies ist für den Zweck der Übung auch nicht notwendig. Im Gegenteil:
dem Begriff des Sozialstaats können jetzt leichter Attribute untergeschoben
werden, die als konstitutiv für den neuen Begriff erachtet werden. Das heißt,
in der hier stattfindenden ideologischen Begriffsbildung wird der
historische Verlauf von Begriffsentwicklungen umgedreht: die Tatsache, dass im
Neuen das Alte dialektisch aufgehoben wird, wird hier verkehrt in den ideologischen
Vorgang, ins Alte das Neue rückwirkend hinein zu interpretieren. (Wie oben
schon angedeutet, ist das Verfahren das gleiche wie bei der Generierung von
Sozialer Demokratie aus demokratischem Sozialismus!)
Um den produktiven Beitrag würdigen zu
können, ist ein Blick auf die nächst anstehenden Begriffe zu werfen.
gesellschaftliche Teilhabe: ist wie Teilhabe ein Begriff der „Politischen
Moderne“. In seiner Allgemeinheit eignet er sich für die Vortäuschung
großer Versprechen. Sein gefühltes Pathos verhüllt seine Leere!
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der
Begriff als Weiche für die Neudefinierung des Sozialstaats. Er
vollbringt das ideologische Kunststück, das Wesentliche des erkämpften Sozialstaats,
das sich (u. a. unter sozialdemokratischer Verwaltung!) peu à peu verflüchtigt,
in Gestalt nebulöser Begriffe scheinhaft fortleben zu lassen. Die gute Eignung
für diesen Trick verdankt Teilhabe dem Umstand, dass Teilhabe Gerechtigkeit
assoziieren lässt. Später stellt sich dann heraus, dass Teilhabe sich
gegenüber Gerechtigkeit völlig gleichgültig verhält.
gesellschaftlicher Wohlstand:
Es gab den Begriff der Wohlstandsgesellschaft. Der besagte, dass in der
Gesellschaft jeder in einem bestimmten und von ihm für eine gewisse Zeit so akzeptierten
Maß zu Wohlstand gekommen war. Man hatte einen als hinlänglich gerecht
empfundenen Anteil am allgemein in der Gesellschaft erreichten Wohlstand.
Die Vermehrung dieses Wohlstands und seine gerechte Verteilung wurden
als ein dynamischer Prozess gesehen. Dieser Begriff einer Wohlstandsgesellschaft
ist zur Charakterisierung der Gesellschaft des heute real existierenden Kapitalismus
zu Recht unglaubwürdig geworden und aus der Mode gekommen. Gesellschaftlicher
Wohlstand soll nun den verwaisten Platz einnehmen. Hier leistet er
zweierlei. Einerseits kann er für eine korrekte Beschreibung eines realen
Zustands gelten (nämlich, dass gesellschaftlicher Wohlstand noch lange keiner
ist, an dem alle teilhaben, so wie auch nicht alle an gesellschaftlicher Armut
teilhaben), und andererseits ist er geeignet, genau diesen Umstand zu
verschleiern, und diese verschleiernde Funktion sich auch dann noch zu
erhalten, wenn die Rede von gesellschaftlichem Wohlstand für alle
ist, da sich die Frage nach der Gerechtigkeit in dieser Form noch weniger aufdrängt.
gesellschaftlicher Reichtum – dieser Begriff wird hier nicht
ausdrücklich erwähnt, kann aber zur Beantwortung der Frage, was unter
gesellschaftlichem Wohlstand zu verstehen ist, beitragen.
Unter gesellschaftlichem Reichtum versteht
man gemeinhin den Reichtum an allem, was einer Gesellschaft durch Arbeit, Natur
usw. zur Verfügung steht. Hier
haben Sozialdemokraten immer die Frage nach der Aneignung und der gerechten
Verteilung gestellt und für eine gerechte Beantwortung dieser Frage gekämpft.
Als gesellschaftlichen Wohlstand
könnte man nun den Teil des gesellschaftlichen Reichtums bezeichnen, der
angeeignet und nutzbar gemacht wird, gleichwohl ob privat, staatlich oder
allgemein gesellschaftlich. Dass der Begriff gesellschaftlicher Wohlstand
noch nicht dessen gerechte Verteilung enthält, wird ausdrücklich oben
angemerkt:
„Der Sozialstaat leistet einen eigenen
produktiven Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen und den
gesellschaftlichen Wohlstand sowie dessen gerechter Verteilung.“
In diesem Satz hat der Entwurf also die
beiden „neuen“ Begriffe gesellschaftliche Teilhabe und gesellschaftlicher
Wohlstand zusammengeführt, um den „alten“ Sozialstaat zu charakterisieren.
Dieser Satz nun taugt perfekt auch zur Charakterisierung des Vorsorgenden
Sozialstaats dann, wenn er seinen lieblos (und vielleicht aus diesem Grunde
grammatikalisch falsch) angehefteten Zusatz „sowie dessen gerechter
Verteilung“ abwirft.
Für Sozialdemokraten müsste nun aber genau
der Punkt der „gerechten Verteilung“ interessant und programmatisch relevant
bleiben, denn ohne Bezug auf Gerechtigkeit bleibt das Gerede von gesellschaftlicher
Teilhabe und von gesellschaftlichem Wohlstand eine ideologische
Phrase!
Im Sozialstaat ist dieser Bezug auf
Gerechtigkeit noch präsent – im Vorsorgenden Sozialstaat wird er noch zu
suchen sein.
Sozialstaatlichkeit ist
organisierte Solidarität. In der Solidargemeinschaft stehen die Jungen für die
Alten, die Gesunden für die Kranken, die Nichtbehinderten für die Behinderten,
die Arbeitenden für die Arbeitslosen ein. Im Zentrum des Sozialstaats werden
weiterhin staatlich verbürgte soziale Sicherung und Teilhabe, der
einklagbare Rechtsanspruch auf Sozialleistungen und die rechtlich gesicherte
Stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen.
weiterhin: Dieses Wort läutet die Wende zum Vorsorgenden Sozialstaat
ein! Bis hierher wurde erzählt, was der Sozialstaat war, und ab jetzt wird
gesagt, was er weiterhin sein soll (dass dies auch impliziert, was er
nicht mehr sein wird, lässt sich nicht vermeiden!). Und sofort nimmt Teilhabe
ihren zentralen Platz im Definitionsreigen ein! Auf diesen Begriff wurde von
den Verfassern (und von der Kritik) gut vorbereitet.
Auch im 21. Jahrhundert
bleibt es eine zentrale Frage, wie der gesellschaftliche Wohlstand
verteilt wird und welche Teilhabemöglichkeiten sich damit für
jeden und jede Einzelne eröffnen.
Wie... verteilt wird: Mit einer erstaunlichen Cleverness wird
vermieden, obwohl es sich ja hier mehr als zufällig anbietet, auf die zentrale
Frage, wie zu verteilen sei, auch zu antworten. Nicht von ungefähr, denn die Antwort
von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müsste nach wie vor lauten:
gerecht!
Die Behauptung der
Marktradikalen, dass Ungleichheit wirtschaftlichen Fortschritt befördere, ist
nicht nur inhuman, sondern auch falsch. Nur eine Gesellschaft, die das
Leitbild des Wohlstands und der Teilhabe für alle verfolgt, ist eine
zukunftsfähige Gesellschaft.
Sowie nun Verteilungsgerechtigkeit als
sozialdemokratisches Prinzip unseres künftigen Vorsorgenden Sozialstaats
verdrängt wurde, beginnen die affirmativ dogmatischen Sprüche: Nur eine
Gesellschaft (...) ist eine zukunftsfähige Gesellschaft!
Das Leitbild: „Wohlstand und Teilhabe für alle“ ist genau
das, welches die Jünger der „politischen Moderne“ sich auf ihre Fahne geschrieben
haben, die sie auf ihrem erhofften Siegeszug um die Welt vor sich hertragen.
Gerade in Anbetracht vielfältiger
Lebensweisen und flexibler Erwerbsformen wird die zentrale Funktion des
Sozialstaats wichtiger, Sicherheit im Wandel zu gewährleisten. Nur wenn
die Menschen wissen, dass ihre elementaren sozialen Lebensrisiken verlässlich
abgesichert werden, sind sie bereit Risiken einzugehen und mobil zu
sein. Um dieses Sicherheitsversprechen zu erneuern, entwickeln
wir den Sozialstaat weiter zum Vorsorgenden Sozialstaat.
Besser kann man die Wahrheit nicht
ausdrücken: zum oben charakterisierten Leitbild kommt hinzu, dass als zentrale
Funktion des Sozialstaats definiert wird, im Interesse der Wirtschaft
die Menschen durch Garantierung von Sicherheit im Wandel zu ermutigen,
Risiken einzugehen und mobil zu sein. Was sich hinter dem verbirgt, was da als
Sicherheit im Wandel zart umschrieben wird, ist genau nicht auszumachen. Damit
nicht doch zu viel versprochen wird, erfolgt sofort eine Präzisierung: es gehe
lediglich noch um die verlässliche Absicherung der elementaren sozialen
Lebensrisiken. Der Abbau der Erwartungen findet dezent statt auch in der
Versicherung, man wolle das Sicherheitsversprechen erneuern und um dies zu
können, müsse man den Sozialstaat weiterentwickeln: zum Vorsorgenden
Sozialstaat. Vor dem Erfahrungshorizont der Hartz-Gesetze weiß man jedenfalls,
dass vom Sicherheitsversprechen beim Lebensrisiko Arbeitslosigkeit von
Sozialdemokraten nicht allzu viel zu erwarten ist.
Das Leitbild unserer
Sozialpolitik für das 21. Jahrhundert ist der Vorsorgende Sozialstaat.
Neues Leitbild: dies Motto provoziert einen Denkreflex, der
von den Verfassern selbst vermieden wird: den Blick zurück, wo doch gerade nach
vorn geblickt werden soll! Was hatte es mit unserer Sozialpolitik auf sich,
dass es einer neuen bedarf, dass wir meinen, ihr eine neue Richtung geben zu müssen
– und zwar für ein ganzes Jahrhundert, wo das letzte Leitbild, wenn es so etwas
im alten Programm überhaupt gab, nicht einmal für zehn Jahre sozialdemokratischer
Politik getaugt haben soll, ja in Wirklichkeit schon mit Beginn der
Schröderschen Kanzlerschaft ausgedient hatte?
Er befähigt die Menschen, ihr
Leben selbst bestimmt zu meistern, indem er aktivierende, präventive
und investive Ziele in den Mittelpunkt stellt. Er fördert Existenz
sichernde Erwerbsarbeit, hilft bei der Erziehung, setzt auf
Gesundheitsprävention und verhindert Armut. Er gestaltet den demografischen
Wandel und begreift Bildung als zentrales Element der Sozialpolitik. Er
fördert eine höhere Erwerbsquote von Frauen und Älteren. Er verhindert
Ausgrenzung und erleichtert berufliche Integration. Er entlässt nicht aus der
Verantwortung für das eigene Leben.
Dass die Behauptung der Neuheit, die
im Begriff Neues Leitbild aufgestellt wird, Selbsttäuschung und
Täuschung ist, wird deutlich, wenn man fragt:
zielte sozialdemokratische Sozialpolitik
bisher nicht darauf, Mensche zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt zu
meistern, förderte sie nicht Existenz sichernde Erwerbsarbeit (wenn damit nicht
Arbeitgeber alimentierende staatliche Lohnzuschüsse gemeint sind), half sie
nicht, Erziehung zu ermöglichen, war sie gegen Gesundheitsprävention und verhinderte
nicht gerade sie Armut?
Allerdings begriff sozialdemokratische Sozialpolitik
noch soziale Gerechtigkeit und nicht Bildung als ihr zentrales
Element!
Entließ sie die Menschen aus der
Verantwortung für ihr eigenes Leben?
Gerade das alles, was da verheißen wird unter
dem neuen Logo, ist nicht neu! Neu ist die Tendenz, neu ist das, was zwischen
den Zeilen steht, neu ist das, was weggelassen wird, neu sind veränderte
Akzentsetzungen, die, unverdächtig erscheinend, Ausdruck einer tatsächlich
schon anderen Politik sind.
Was war geschehen? Bildlich gesprochen: die
Wächter der Sozialdemokratie, die nach H. Kohl in Regierungsverantwortung
gekommen waren, wachten, nur zögerlich, auf und fanden den Sozialstaat, das
institutionelle Ziel ihrer Sozialpolitik geschwächt und diskreditiert
vor. Geschwächt durch nicht vom Himmel gefallene Finanznot und verächtlich
gemacht durch mediales Dauerfeuer von Meinungsmachern des neoliberalen Zeitgeistes:
Sozialstaat als ein auf Vormundschaft zielendes, Sozialschmarotzer und
Versorgungsmentalität bedienendes und Wirtschaft ruinierendes sozialismusverdächtiges
Ungeheuer! Tatsächlich aber war schon lange von den Gegnern des Sozialstaates
daran gearbeitet worden, ihn zu entsorgen. Unter dem Ansturm dieser „Realität“
siegte im sozialdemokratischen Establishment der Zweifel daran, dass der
Sozialstaat so, als Wohlstandsgesellschaft, noch zu erhalten sei. Deshalb galt
es zur Rettung einer sozialdemokratischen Identität, wenigstens den Begriff
des Sozialstaats für die Zukunft „fit zu machen“.
Das war die Geburtsstunde der Idee des
Vorsorgenden Sozialstaats!
[…]
Der Vorsorgende Sozialstaat verfolgt
die drei zentralen Ziele der Emanzipation, der Teilhabe und der
Sicherheit.
Unsäglicher Gebrauch der deutschen Sprache.
Hier: falscher Gebrauch des Genitivs. Der Unsinn des Originaltons springt
sofort ins Auge, wenn man in der Konstruktion die abstrakten Begriffe durch
geläufigere ersetzt:
‚Der Gratulant äußert die drei zentralen
Wünsche des Glückes, des Erfolges und der Gesundheit!’
Die falsche Sprechweise ist ein Indiz für die
Qual dessen, der versucht, durch Konstruktionen abstrakten Inhalts, den wirklichen
Begriff des Vorsorgenden Sozialstaates (nämlich den eines ramponierten
Sozialstaats) zu verschleiern, um ihn in der Sozialdemokratie
gesellschaftsfähig machen zu können!
Emanzipation ist die
Voraussetzung für ein selbst bestimmtes Leben aller Bürgerinnen und Bürger. Die
Menschen wollen ihr eigenes Leben frei und selbst bestimmt gestalten können.
Die Befreiung von Zwängen, die sich aus Herkunft und überkommenen Vorstellungen
ergeben, war bereits das große Versprechen der Aufklärung und schon immer
zentrales Ziel der Sozialdemokratie.
Für eine „sozialdemokratische“ Legitimierung
des Vorsorgenden Sozialstaats wird behauptet, eines seiner zentralen Ziele
sei Emanzipation, die schon immer zentrales Ziel der Sozialdemokratie
gewesen sei. Letzteres ist wohl wahr. Wieso Emanzipation aber zum Ziel des
Vorsorgenden Sozialstaats werden kann, aus welchem Zustand der Abhängigkeit er
seine Bürger befreien soll, das bleibt im Verborgenen. Sinnvoll wird die
Behauptung erst, wenn man die zynische Bedeutung unterstellt, der Vorsorgende
Sozialstaat befreie seine Bürger von den alten Fesseln des Sozialstaats und
ermögliche ihnen die Chancen der Teilhabe an sozialer Sicherheit eigenverantwortlich
wahrzunehmen. Dies hätte allerdings mit jener Emanzipation, für die
Sozialdemokraten gelitten und gestritten haben, nicht mehr das Geringste
gemein.
Teilhabe an den sozialen
Gütern der Bildung, der Existenz sichernden Arbeit und der Gesundheit
muss allen Menschen unabhängig von sozialer Herkunft, Alter oder
Geschlecht von Anfang an und immer wieder aufs Neue offen stehen.
Dies gilt besonders für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus
eigener Kraft bestreiten können: für Arbeitslose, Kranke, Pflegebedürftige,
ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, aber auch für diejenigen,
die ihrerseits pflegen und Kinder erziehen.
Unsinn, der sich in den beiden Sätzen als
Ganzem verbirgt, wird sichtbar durch Hervorhebungen im Text.
Sicherheit
bedeutet nicht nur den Schutz der Menschen vor existentieller Not,
vor elementaren Lebensrisiken und vor Diskriminierung. Vielmehr
schafft Sicherheit auch die Voraussetzungen für ein selbst bestimmtes Leben. Grundlagen
von Sicherheit sind nicht nur Arbeit, materielle Güter und Rechtsansprüche,
sondern auch individuell erworbene kulturelle und soziale Kompetenzen.
Einen Leser unseres Programms interessiert
nicht die Darlegung von Aspekten unseres Sicherheitsbegriffs, sondern, was an
Sicherheit sozialdemokratische Politik zu leisten sich vornimmt.
Sicherheit bedeutet: nicht Schutz vor! Wenn schon, dann umgekehrt: Schutz
vor... bedeutet Sicherheit. Schutz ist eine Voraussetzung von
Sicherheit: Wenn ich vor etwas schütze, dann schaffe ich damit Sicherheit.
selbstbestimmtes Leben: Sicherheit schaffe die Voraussetzungen
für ein selbstbestimmtes Leben. So allgemein gesagt ist das falsch. Das
wirkliche Leben wie auch seine Logik widersprechen dem ausdrücklich.
Um die Verwirrung komplett zu machen, werden
noch Grundlagen von Sicherheit eingeführt. Dabei entsteht in Verbindung
mit dem Vorherigen Folgendes: Der Schutz vor Arbeitslosigkeit – also vor
der versagten Teilhabe am sozialen Gut Existenz sichernder Arbeit (soweit man
sie unter die existenziellen Nöte zählen darf) - bedeutet Sicherheit,
deren Grundlage u. a. die Arbeit ist.
Diese Begriffs- und Konstruktionsverrenkungen
sind wenig geeignet, einen lebendigen Begriff des Vorsorgenden Sozialstaats
zu vermitteln, oder die Idee der Sozialen Demokratie zu erhellen, die in
ihm enthalten sein soll. Was von der Sache her ja auch gar nicht möglich ist
(ramponierter Sozialstaat)! Sie sind aber vorzüglich geeignet, die Wahrheit
über den Vorsorgenden Staat zu verschleiern.
Damit wir diese Ziele in unserer
Zeit erreichen können, muss der Vorsorgende Sozialstaat verstärkt am
Bürgerstatus und weniger stark am Erwerbsstatus anknüpfen. Wir
werden die Teilhabe der Menschen so früh wie irgend möglich fördern
sowie Bildung und Erziehung unserer Kinder in den Mittelpunkt unseres Handelns
stellen. Dafür bedarf es der besseren Qualifizierung, Förderung und
gesellschaftlichen Wertschätzung derjenigen, die in öffentlichen Einrichtungen
wie den Kindertagesstätten, Schulen oder Tagespflegestellen wirken.
...am Bürgerstatus verstärkt und am Erwerbsstatus
weniger stark anknüpfen... Was hat man sich darunter vorzustellen?
Wir brauchen mehr und bessere
sozialen Dienstleistungen und Einrichtungen. Diese können vom Staat, den Freien
Wohlfahrtsverbänden, aber auch in privater Initiative bereitgestellt werden.
Dabei sichern staatlich gesetzte Rahmenbedingungen die Qualität sowie den
freien und gleichen Zugang für alle.
Eine ärmliche Vision von den sozialen Einrichtungen
für das 21. Jahrhundert!
Gerechtigkeit und Solidarität
sind die Prinzipien der Finanzierung unseres Sozialstaates. Die
einseitige Belastung der abhängig Beschäftigten bei der Finanzierung
gesamtgesellschaftlicher Aufgaben ist weder sozial gerecht noch
wirtschaftlich sinnvoll. Auch weiterhin werden die paritätisch finanzierten
Sozialversicherungen die zentrale Säule unseres Sozialstaates bleiben. Wir
wollen die Finanzierungsgrundlage der sozialen Sicherungssysteme weiter
stärken und die paritätisch finanzierten Beiträge durch eine höhere und
nachhaltige gesicherte Steuerfinanzierung ergänzen. Dabei gilt für uns
die Regel: Der Anteil der Beiträge muss sinken, und der Anteil der Steuern muss
steigen, um eine gerechtere, ergiebigere und nachhaltigere Finanzierung des
Sozialstaates zu ermöglichen.
Hier finden sich Sätze, von denen man sich
mehr wünscht! Es scheint kein Zufall zu sein, dass der Begriff Vorsorgender
Sozialstaat vermieden wird und „sozial gerecht“ aus der Versenkung auftaucht.
[…]
Die Arbeitswelt wandelt sich.
Das ist eine Feststellung, die sowohl an
Richtigkeit als auch an Trivialität nicht zu überbieten ist!
Flexibilität, Mobilität und
soziale Risiken haben enorm an Bedeutung gewonnen.
Dass Flexibilität und Mobilität an
Bedeutung gewonnen haben, ist nicht falsch, aber viel zu abstrakt und allgemein.
Ausschlaggebend sollte hier sein, welche Bedeutung sie für den
Arbeitsmarkt und die Arbeitnehmer haben.
Dass die von der Wirtschaft
geforderte Flexibilität und Mobilität am Arbeitsmarkt zunehmend soziale Risiken
beinhalten und diese mithin an Bedeutung gewonnen haben, ist ein Zeichen für
das Versagen der Politik.
Trotzdem: Soziale
Sicherheit und rechtlicher Schutz müssen auch in Zukunft gewährleistet
bleiben. Flexibilität braucht Sicherheit. Flexibilität darf nicht
zu prekären Arbeitsverhältnissen führen.
Formulierungen wie: Flexibilität braucht
Sicherheit und Flexibilität darf nicht... sind, so hingestellt,
falsch! Flexibilität braucht an sich gar nichts. Arbeitgeber brauchen
für Flexibilität willige Arbeitnehmer. Flexibilität braucht also aus Sicht der
Arbeitgeber eher das Gegenteil von sozialer Sicherheit: die Steigerung des
sozialen Risikos für den Arbeitnehmer, oder besser, das geschickte Spiel mit
der Balance der verschiedenen Risiken. Mit der Angst vor dem sozialen Risiko
der Arbeitslosigkeit steigt die Bereitschaft für die Inkaufnahme des sozialen
Risikos der (z. B.) Zerstörung persönlich-menschlicher Beziehungen durch
Flexibilität und Mobilität.
auch in Zukunft: euphemistische Phrase, da gegenwärtig soziale
Sicherheit abgebaut und rechtlicher Schutz unterminiert wird. Da, wie oben
richtig bemerkt, soziale Risiken enorm an Bedeutung gewonnen haben, müsste auch
gegensteuernde gesetzgeberische Politik enorm an Bedeutung gewinnen. Das ist
die Lücke, die von sozialdemokratischer Politik gefüllt werden müsste
(zumindest als Forderung in unserem Grundsatzprogramm).
[…]
Der Kündigungsschutz
bewahrt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Willkür.
So absolut gesagt ist die Aussage falsch,
denn Willkür hat viele Gesichter. Sowohl zu Arbeitgeberwillkür als auch zu
Kündigungsschutz darf man von einem sozialdemokratischen Grundsatzprogramm mehr
erwarten als einen falschen Satz.
Wir wollen die Möglichkeiten des
sozialen Aufstiegs verbessern, die Durchlässigkeit der Arbeitsgesellschaft
erhöhen und die Leistungsbereitschaft der Menschen unterstützen. Leistungsbereitschaft
muss stärker gefördert werden und sich auch auszahlen.
Wie sollen mehr Menschen den sozialen Aufstieg
schaffen als bisher, und das dürfte der rationale Kern dieses Gedankens sein
(und nicht eine abstrakte Möglichkeits- oder Chancenverbesserung), wo
gegenwärtig eine gegenläufige Bewegung stattfindet und eine ganze Mittelschicht
sich von sozialem Abstieg bedroht sieht?
Leistungsbereitschaft muss... sich auszahlen:
Wenn dies mehr meinen soll als die Selbstverständlichkeit, dass einer, der zu
Leistung willig und fähig ist, entsprechende Arbeit erhält und gerecht entlohnt
wird, muss es sich um Nonsens oder um „feinen“ Hintersinn handeln! (Dass Leistungsbereitschaft
als bloße Bekundung, also ohne Leistung honoriert wird fällt ins Religiöse, wo
schon allein der Glaube selig macht!) Der Hintersinn demnach ist: Leistungsbereitschaft
muss sich auszahlen bedeutet neoliberal und aktuell auf „sozialdemokratisch“
das genaue Gegenteil dessen, was der Satz sagt, nämlich, dass Leistungsbereite
zufrieden sein sollen, wenn sie mit etwas mehr abgespeist werden, als mit dem
Sozialhilfesatz, und dass, um noch eins drauf zu setzen, erwogen werden darf,
den Sozialhilfesatz zu mindern!
Eine höhere Beschäftigungsquote
von Frauen, aber auch von Älteren trägt dazu bei, Ausgrenzung zu verhindern und
berufliche Integration zu erleichtern. Dadurch verbessern sich die Teilhabemöglichkeiten
der Menschen und die Einnahmebasis von Steuern und Sozialversicherungen.
Zu würdigen, was hier an Weisheiten in so
wenigen Sätzen angeboten wird übersteigt die Fähigkeiten des gesunden Menschenverstandes.
Eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen trägt dazu bei, mehr Frauen zu
beschäftigen (mit all den sich für Frauen daraus ergebenden Verbesserungen
ihrer Lage). Aber schafft das mehr Arbeitsplätze? Dasselbe gilt für eine höhere
Beschäftigungsquote von Jugendlichen oder von Über-Fünfzig-Jährigen, und erst
recht gilt dies für eine höhere ganz allgemeine Beschäftigungsquote. Aufgrund
ihrer günstigen Folgen für die ganze Gesellschaft sollten wir sie sofort
fordern und fördern!
Steigender Wohlstand
aufgrund eines Anstiegs der Produktivität und des Bruttoinlandsproduktes leistet
einen Beitrag zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen für die
sozialen Sicherungssysteme.
Steigender Wohlstand: ist nach allem Gesagten das Letzte bei der
Bewältigung der demographischen Herausforderungen zu Erhoffende, denn
wachsende Produktivität führt gerade nicht zu mehr Beschäftigung und dem ganzen
Segen, der davon erwartet wird. Seriöse Berechnungen der für die nächsten
Jahrzehnte prognostizierten Steigerung der Produktivität gehen allerdings davon
aus, dass diese Herausforderungen, bei entsprechender Umverteilung,
„gemeistert“ werden könnten. Die generalstabsmäßige Panikmache aufgrund der
demographischen Veränderungen ist in erster Linie den Profiterwartungen der
Versicherungskonzerne in Milliardenhöhe zu verdanken. Die entsprechende Politik
geht dem auf den Leim und genau in die falsche Richtung.
[…]
Die Arbeitszeitpolitik der Zukunft
muss den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Stärkung von
Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gerecht werden. In gleicher Weise
muss die künftige Arbeitszeitpolitik den Bedürfnissen der Beschäftigten nach
mehr Zeitautonomie und Qualifizierungschancen sowie nach Vereinbarkeit von
Familie und Beruf entsprechen. Ein wichtiges Instrument, um die Ansprüche von
Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Einklang zu bringen,
sind Arbeitszeitkonten. Sie bedürfen aber eines ausreichenden Insolvenzschutzes
und der rechtsverbindlichen Möglichkeit der Mitnahme beim Arbeitsplatzwechsel.
den Interessen der Unternehmen... gerecht
werden: mehr kann man von
einer Wirtschaftspartei nicht erwarten. Die Arbeitsproduktivität steigt unentwegt,
und Sozialdemokraten haben nichts anderes zu tun, als in ihrem Programm zu
fordern, den berechtigten Interessen der Unternehmen gerecht zu werden! Der
Erfolg im Streben nach Höchstprofit ist der Gradmesser für die
Wettbewerbsfähigkeit. Höchstprofit ist daher das Hauptinteresse der
Unternehmen, dessen Berechtigung man nicht in Zweifel ziehen wird. Wie da in
gleicher Weise z.B. das Bedürfnis der Beschäftigten nach Qualifizierungschancen
zum Zuge kommen soll, bleibt eher fraglich. Darauf kann nur eine gewisse,
Sozialdemokraten eignende Treuherzigkeit verfallen. Haben wir vergessen,
dass es sich bei dem Aufeinandertreffen von Interessen der Beschäftigten und
der Unternehmen nach wie vor um einen gesellschaftlichen, einen politischen
Konflikt handelt, der ausgefochten werden muss? Es ist freilich angenehmer zu glauben,
dass die Sozialdemokratie den lieben Gott spielen, über den Parteien schweben,
und eine harmonische Konfliktlösung herbeiwünschen kann! Haben wir vergessen,
dass Sozialdemokratie Partei ist und als solche auch Partei ergreifen
muss? Davon allein hängt ihre Berechtigung ab, und dazu muss sie sich auch in
den keineswegs nebensächlichen Fragen von Arbeitszeitpolitik bekennen!
Wir setzen uns dafür ein,
dass Arbeitszeit den Lebensphasen entsprechend angepasst werden kann.
Gerade dies führt zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir
wollen eine humane Ausgestaltung der Arbeitszeiten und der
Arbeitsbedingungen, um vor der Überforderung infolge langer Arbeitszeiten bei
gleichzeitiger Arbeitsverdichtung zu schützen. Wir wollen Arbeitszeitmodelle
fördern, die es Müttern und Vätern gleichermaßen ermöglichen, ihre Erziehungspflichten
wahrzunehmen.
Ohne Garantierung eines Maximums an freier,
frei disponibler Zeit, werden alle weiteren Forderungen zu leeren Phrasen!
Unser Ziel ist es, Arbeitslosigkeit
bereits im Ansatz zu verhindern. Dazu müssen die Übergänge zwischen den
Lebensphasen besser abgesichert werden. Zugleich ist es von entscheidender Bedeutung,
ob es gelingt, die individuelle Arbeitsfähigkeit und Qualifikation zu erhalten
und weiter zu entwickeln.
... Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz zu
verhindern: weckt die
Illusion, man könne durch die hier dem einzelnen Individuum zugedachten
Maßnahmen Arbeitslosigkeit überhaupt verhindern.
[…]
Ohne höheres Wachstum wird
es uns auf Dauer nicht gelingen, die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken.
Sozialdemokratische Politik für Wachstum und Beschäftigung muss alle Maßnahmen
der Wirtschafts- – Struktur-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik in diesem Sinne
koordinieren.
höheres Wachstum:
am höheren Wachstum, dem Lebenssaft des Kapitals, müssen sich die Geister
scheiden. Die menschliche Gesellschaft braucht kein höheres Wachstum. Wir
wissen schon lange, dass es Wachstumsgrenzen gibt, dass durch menschliche
Vernunft nicht begrenztes Wachstum lebenszerstörend wirkt. Solange die Menschen
sich vom Wachstumszwang des Kapitals beherrschen lassen, solange sie meinen,
sich in einer vom Kapital beherrschten Welt einrichten zu müssen, dürfen sie
getrost „alle Hoffnung dahinfahren lassen“.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
stehen an diesem Scheideweg...
[…]
Der medizinisch-technische
Fortschritt eröffnet neue Möglichkeiten, kranke Menschen besser zu
versorgen und zu heilen. Diese Fortschritte müssen allen Menschen
gleichermaßen zugänglich sein. Die bereits feststellbaren Elemente einer
Zwei-Klassen-Medizin sind für eine demokratische Gesellschaft
nicht hinnehmbar.
...für eine demokratische Gesellschaft nicht
hinnehmbar: Das Reden von demokratischer
Gesellschaft lässt vergessen, dass Sozialdemokraten die bereits
feststellbaren Elemente nicht nur hingenommen, sondern auch selbst (mit) eingeführt
haben.
Mit dem oben skizzierten Vorsorgenden
Sozialstaat ist Eigenverantwortung gesetzt; und gerade hier im Gesundheitswesen
wird deutlich, dass das, was als vorsorgend am Sozialstaat deklariert
wurde, eher darin besteht, dass der Staat, um sich und die Wirtschaft zu entlasten,
dafür zu sorgen hat, dass die Menschen privat Vorsorge betreiben. Das scheint
nicht ohne weiteres vereinbar zu sein mit dem, was unter Gesund Leben
gefordert und gewünscht wird. Denn wenn das Niveau der medizinischen Versorgung
in etwa gleich bleiben soll, müsste genau das Geld, das nicht mehr aus
den Kassen von Staat und Unternehmen in das Gesundheitswesen fließt, in den
Taschen derer wieder zu finden sein, die zu Eigenverantwortung angespornt
werden. Und das ist eher utopisch.
Die solidarischen Prinzipien der
Bürgerversicherung wollen wir auch in der Pflegeversicherung anwenden. Die
soziale Pflegeversicherung muss weiterentwickelt werden, indem ihre Leistungen
dem sich ändernden Bedarf angepasst werden. Unser Pflegebegriff muss
sich in Zukunft stärker an der individuellen Pflegebedürftigkeit ausrichten.
Unser Pflegebegriff: woran anders als an Pflegebedürftigkeit
richtete er sich bisher aus?
[…]
Die Gesellschaft der Zukunft wird
eine Gesellschaft des längeren Lebens sein.
Gesellschaft des längeren Lebens: und die Fantasie kennt keine Grenzen, wenn
hohle Theorie zu verbalem Ausdruck kommen soll!
Die Menschen leben länger und
bleiben länger gesund. An die Erwerbsphase schließt sich im Gegensatz zu
früheren Zeiten eine dritte aktive Lebensphase mit neuen Möglichkeiten
an. Dies eröffnet für unsere Gesellschaft neue Chancen, stellt uns aber
auch vor neue Herausforderungen. Wir wollen, dass ältere Menschen, aktiv
und kreativ am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben
können.
ältere Menschen – in der dritten aktiven Lebensphase?
Mit jedem Einkauf wird am wirtschaftlichen Leben teilgenommen, mit jedem
Bankgeschäft, aber auch mit ehrenamtlicher Tätigkeit und mit Schwarzarbeit, ob
wir das wollen oder nicht. Was bedeutet hier, kreativ am wirtschaftlichen Leben
teilhaben zu können?
Es ist eine Errungenschaft des
Sozialstaates, dass ältere Menschen ihr Leben frei von materieller Not
gestalten können.
Damit die Menschen auch zukünftig
im Alter über ein Einkommen verfügen, das ihren Lebensstandard sichert,
muss die gesetzliche Rentenversicherung die tragende Säule der Alterssicherung
bleiben. Sie muss allerdings durch Einkünfte aus betrieblicher
Alterssicherung sowie freiwilliger, aber staatlich geförderter privater
Vorsorge ergänzt werden.
So schön kann man ausdrücken, dass die Errungenschaft
des Sozialstaates durch die Errungenschaften des Vorsorgenden
Sozialstaates ersetzt werden sollen!
Woher die Gewissheit, dass die privaten
Versicherer zur Rettung des Sozialstaates kräftig an einer freiwilligen,
staatlich geförderten privaten Vorsorge verdienen müssen?
Wir wollen die gesetzliche
Rentenversicherung von einer Versicherung der abhängig Beschäftigten zu einer Erwerbstätigenversicherung
weiterentwickeln, in die auch Selbstständige sowie Beamtinnen und Beamten
einbezogen sind, und so den veränderten Bedingungen des Erwerbslebens
anpassen. Dabei halten wir am Erwerbseinkommen als Maßstab für die Rentenhöhe
fest.
Wäre es nicht einfacher zu sagen: Alle Arten
von Einkünften werden zur Finanzierung der sozialen Systeme, hier der Rentenkasse,
herangezogen?!
Die Beitragsbezogenheit
der Rente muss durch das Ziel der Armutsvermeidung ergänzt werden.
Sicherungslücken im Alter durch Lebensphasen, in denen keine Erwerbstätigkeit
möglich ist, dürfen nicht entstehen.
Voraussetzung für eine
eigenständige Alterssicherung der Frauen sind eine möglichst durchgehende
Erwerbstätigkeit mit Existenz sicherndem Einkommen sowie die Gleichstellung
von Männern und Frauen beim Berufszugang und beruflichem Aufstieg. Solange dies
nicht gewährleistet ist, wird die bedarfsorientierte soziale Grundsicherung als
Ergänzung zur gesetzlichen Rente Altersarmut verhindern.
Dass die Verfasserinnen ihre Interventionen
im Text nicht bereichert haben durch die Forderung nach Anerkennung von weiblicher
und männlicher Kindererziehungs- und Hausarbeit als gesellschaftliche Arbeit
und nach deren entsprechender Vergütung, sondern stattdessen eine möglichst
durchgehende Erwerbstätigkeit von Frauen anstreben, ist unverständlich.
Vorsorgende Sozialpolitik der
Kommunen setzt an den Ursachen der Unterstützungsbedürftigkeit an. Die wesentlichen
Prinzipien heißen: „ Hilfe zur Selbsthilfe“, „Fördern und Fordern“ und
„Vorbeugen statt Nachsorgen“. In den Kommunen erhalten die Menschen zielgerichtete
Hilfe, um ihre spezifische Lebenslage besser bewältigen zu können. Kommunale Sozialpolitik
muss helfen, Notlagen zu überwinden. Dabei müssen die Selbsthilfekräfte organisiert
und unterstützt werden.
wesentliche Prinzipien: diese zielen wohl kaum auf die im
Wesentlichen gesellschaftlichen Ursachen der Unterstützungsbedürftigkeit
(Armut). Im Gegenteil: alle diese Prinzipien sind machtlos gegenüber den
gesellschaftlichen Ursachen und zielen allein auf die Ursachen, die sich
im Individuum finden lassen oder von diesem selbst verschuldet sind.
Die Qualität des Vorsorgenden
Sozialstaates erweist sich vor allem in der kommunalen Praxis, wie zum
Beispiel in hochwertigen Kindergärten und Schulen, in einem lebenswerten
barrierefreien Wohnumfeld für alle Generationen und in vielfältigen Angeboten
für Sport und Freizeit.
Ein hochwertiger Kindergarten in dem
sich die Qualität des Vorsorgenden Sozialstaats erweist, ist so etwas Ähnliches
wie ein hochwertiges Grundsatzprogramm, an dem sich die Qualität unserer
Partei erweist, und das wir alle gern lesen würden!
Eine vorsorgende Kommunalpolitik
orientiert sich an Sozialräumen. Wir erkennen diese Sozialräume
als Handlungsfelder und bündeln dort Maßnahmen aus
verschiedenen Politikfeldern, um den sozialen Zusammenhalt in den
Kommunen zu erhalten und zu fördern. Daher praktizieren wir eine aktive
Stadtteilentwicklungspolitik der Sozialen Stadt. Die Politik der
Sozialen Stadt führt Fragen der Beschäftigung, des Wohnens, der
Qualifizierung, des Lebensstils und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zusammen.
Ein zentrales Handlungsfeld liegt darin, die Fähigkeiten der
Bürgerinnen und Bürger zur Zusammenarbeit, zum Miteinander und zur
sozialen Vernetzung zu stärken.
Dieses gruselige abstrakte Sprechen von
Erkennen, Bündeln, Zusammenführen, Praktizieren, und Stärken von Handlungsfeldern,
Politikfeldern, Maßnahmen und Vernetzung kann nur eins bewirken: Abschreckung!
Durch die Förderung von
Selbsthilfe, Verantwortungsübernahme und kooperative Strukturen und die
hierfür erforderliche Infrastruktur wollen wir die Menschen befähigen, beteiligen
und das Zusammenleben der unterschiedlichen sozialen und ethnischen Gruppen
stärken.
Wer sind wir, und was sind das für
Menschen, deren Fähigkeiten zur sozialen Vernetzung wir stärken
müssen, und die wir befähigen wollen? Aber da versagt den Verfassern
selbst die Fähigkeit, diesen anmaßenden Unsinn in einen inhaltlich und
sprachlich sinnvollen Satzzusammenhang zu bringen!
[…]
Bildung entscheidet unsere
Zukunft. Sie ist die große soziale Frage unserer Zeit. Bildung eröffnet
Wege für jede und jeden Einzelnen. Sie erst ermöglicht dem Menschen, sich
selbst bestimmt Ziele zu setzen und Träume zu verwirklichen. Sie erschließt ihm
den Zugang zu einer Welt im Wandel. Sie befähigt ihn zu Demokratie
und sozialer Verantwortung. Sie eröffnet ihm die Chance auf Arbeit und
verbessert die soziale Sicherheit, von der Jugend bis ins hohe Alter. Vor
allem Bildung sorgt immer neu für Teilhabe und soziale
Aufstiegsperspektiven. Bildung ist ein Schlüssel zur freien,
friedlichen, gerechten und demokratischen Gesellschaft. Sie ist eine wirtschaftliche
Produktivkraft mit rasant wachsender Bedeutung. Nur Gesellschaften, die ein
offenes, sozial durchlässiges und hoch entwickeltes Bildungssystem haben, prosperieren
in der globalen Wissensgesellschaft.
Wenn wir Bildung als die große soziale
Frage unserer Zeit bezeichnen, dann relativieren wir die eigentlichen großen
sozialen Fragen unserer Zeit und stellen diese dar, als könnten sie durch
Bildung gelöst werden!
Sie befähigt...: Bildung kann zwar z. B. zum Verständnis
von Demokratie und sozialer Verantwortung befähigen, aber ob der so
Gebildete sich für Demokratie und soziale Verantwortung entscheidet, das bleibt
unter dem Aspekt bloßer Bildung völlig offen.
Bildung ist ein Schlüssel zur freien...
Gesellschaft: das ist ein
Bild zur Festigung unseres Bildungsmythos. Aber es provoziert auch
Fragen: wie gebildet muss ein Volk als Ganzes sein, um das Tor zur freien usw.
Gesellschaft öffnen zu können. Und wie gebildet muss der Einzelne sein, um an
dieser Gesellschaft teilhaben zu können? (Bildung sorgt immer neu für
Teilhabe) Andererseits, gab es nicht eben noch in einer freien und
gerechten Gesellschaft Teilhabe für alle?
Dass vor allem Bildung für soziale Aufstiegsperspektiven
sorgt, deutet auf die Angemessenheit solcher Fragen. Auch wenn der Begriff
Unterschicht derzeit gemieden wird, zeigen doch soziale Aufstiegsperspektiven
an, dass es auch im Vorsorgenden Sozialstaat ein soziales Unten
und Oben gibt. Bildung soll ermöglichen, hinauf zu kommen. Wohlgemerkt, es geht
hier um sozialen Aufstieg, nicht um eine graduelle Wanderung durch
allenfalls demokratisch gerechtfertigte Beschäftigungshierarchien.
Hier nimmt der Widerspruch der im
Programmentwurf entwickelten Gesellschaftsvision überraschend klare Gestalt an.
Dieser Widerspruch ist einer des
sozialdemokratischen Establishments: eine gerechte Gesellschaft zu wollen und
an der Möglichkeit einer solchen Gesellschaft doch zu zweifeln. Die soziale
Ungleichheit, ein Unten und Oben, wird letztlich akzeptiert. Gerechtigkeit wird
pragmatisch auf ein gesellschaftliches Chancengeben und ein individuelles
Chancennutzen uminterpretiert und reduziert.
Unser Bildungswesen muss
von Anfang an die Gleichstellung von Mädchen und Jungen und die Integration von
Zugewanderten im Blick haben.
Die Verfasser haben hier zwei wichtige aber
anscheinend willkürlich ausgewählte Probleme benannt, aber sie im Blick zu
haben, reicht nicht aus!
Das Wissen nimmt in einem
atemberaubenden Tempo zu. Erworbene Kenntnisse sind schnell überholt.
Gute Bildung ist eine dauernde Aufgabe. Menschen lernen für das Leben,
vor allem aber ein Leben lang. Kein Individuum kann alles verfügbare
Wissen in sich vereinigen, aber gemeinsam mit anderen können wir den
größtmöglichen Nutzen für alle aus dem Wissensfortschritt ziehen. Wir
wollen Freude am Lernen und Offenheit gegenüber Errungenschaften der Forschung
vermitteln.
Wie viel Plattheiten in so wenigen Sätzen!
Wir wollen eine
ganzheitliche Bildung. Sie richtet sich auf theoretisches Wissen, soziale Kompetenzen
und beruflich verwertbare Inhalte. Sie umfasst nicht minder die ästhetische
Erfahrung, die ethische Reflexion und die Wertevermittlung. Um unsere offene
Gesellschaft zu stärken, brauchen wir eine Aufwertung der
politischen Bildung und Erziehung zur Demokratie. Umfassende kulturelle und
soziale Bildung stärkt die Persönlichkeit. Starke Persönlichkeiten sind
fähig zur Toleranz und respektieren andere Kulturen.
Keiner, der unser Grundsatzprogramm liest
will darüber belehrt werden, was Bildung ist. Zumal, wenn diese Belehrungen
unablässig mit fragwürdigen Behauptungen angereichert werden wie u. a.: Starke
Persönlichkeiten (...) respektieren andere Kulturen.
Wir wollen den freien
Zugang zu Informationen, zu Bildung und Wissen. Eine gerechte Gesellschaft muss
Chancengleichheit verwirklichen.
Chancengleichheit: Solange bzw. insoweit der Zugang zu Information,
Bildung und Wissen über den Markt geregelt und/oder mit Gebühren und Steuern
belegt wird, bleibt Chancengleichheit Illusion.
Jede Form der Ausgrenzung durch
mangelnde Bildungschancen müssen wir überwinden. Von der frühkindlichen Bildung
bis zum ersten beruflichen Abschluss müssen wir Eltern und Kindern den Weg frei
machen und finanzielle Hürden beseitigen. Jeder Mensch hat das Recht auf
eine gebührenfreie Ausbildung vom Kindergarten bis einschließlich
des Studiums.
Jeder Mensch...: es gibt dieses Recht nicht von Natur aus –
wir wollen es aber für alle gesetzlich einführen.
Es ist die Aufgabe des Staates,
dafür zu sorgen, dass Bildung unabhängig von der Herkunft für alle
gleichermaßen zugänglich ist. Die öffentlichen Ausgaben für Bildung müssen
steigen. Sie müssen mit der wachsenden Bedeutung von Bildung Schritt halten.
Bildungsausgaben müssen als Investitionen anerkannt werden. Investitionen in
die Menschen müssen Priorität bekommen.
Investitionen in die Menschen? Neoliberale Redensart, die in jedem Menschen
zuerst einen Wirtschafts- und Kostenfaktor sieht. Wir sollten sie nicht
gedankenlos übernehmen!
Bessere Medienkompetenz
schafft die Voraussetzung für einen bewussten und kritischen Umgang mit Medien.
Bessere Medienkompetenz: entweder beinhaltet der Begriff Medienkompetenz
mehr als die Perfektion des technischen Umgangs mit den Medien, dann steht
bereits Medienkompetenz für bewussten und kritischen Umgang, oder es
müsste erklärt werden, was zu Medienkompetenz hinzukommen muss, um einen bewussten
und kritischen Umgang mit den Medien zu erreichen. Bessere Medienkompetenz
bleibt also ein phrasenhafter Ausdruck. Zudem wird keine Auskunft darüber gegeben,
was außer der Schaffung von Voraussetzungen getan werden müsste, um das auch zu
erreichen, wofür man die Voraussetzungen schafft.
[…]
Eltern spielen für die
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine entscheidende Rolle. Wir wollen sie
bei dieser Aufgabe unterstützen. Wo Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern
eine ausreichende Entwicklung zu garantieren, müssen das Bildungssystem und
eine wachsame Kinder- und Jugendhilfe alle Anstrengungen unternehmen, um
jedem Kind gleiche Entwicklungschancen zu ermöglichen.
Nicht, um jedem Kind, sondern, um diesen
benachteiligten Kindern die gleichen Entwicklungschancen zu geben (nicht,
zu ermöglichen!) wie den nicht benachteiligten.
Die Förderung von Kindern beginnt
für uns bei der gezielten Unterstützung von Schwangeren und Eltern. Die ersten
Wochen und Jahre des Lebens sind entscheidend. An der Seite der Eltern
sind Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern und Krankenpfleger die ersten,
die das Wohl und die Entwicklung des Kindes fördern. Wir wollen sie gut
darauf vorbereiten.
Wen wollen wir gut worauf vorbereiten: die
Hebammen auf die Kinder, oder die Kinder auf die Hebammen?
[…]
Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten haben erfolgreich die Abschaffung des Schulgeldes erkämpft.
Jetzt fordern wir die gebührenfreie Ganztagsbetreuung für alle Kinder
von Anfang an. Ab dem zweiten Lebensjahr soll es einen Rechtsanspruch auf
Betreuung geben.
D. h. also: gebührenfreie Ganztagsbetreuung für
alle(!) Kinder von der Geburt an ohne Rechtsanspruch bis zum Beginn
des zweiten Lebensjahres?
Wir wollen den Ausbau der
Ganztagsschule. Kinder finden in der Ganztagsschule verlässliche Lern- und
Unterrichtszeiten. Sie sind auch Zeiten des sozialen Lernens und der mitmenschlichen
Erfahrung. Die Schule wird zu einem Lebensmittelpunkt von Kindern und
Jugendlichen.
Wie viele Lebensmittelpunkte
gibt es?
[…]
Die berufliche Erstausbildung ist
eine wichtige Grundlage für die Berufsausübung und für das lebenslange
berufliche Lernen. Sie muss deshalb auch berufsübergreifende Fähigkeiten vermitteln.
Wir wollen, dass alle Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, eine qualifizierte
Ausbildung zu durchlaufen, die sie dazu befähigt, am Arbeitsleben
teilzunehmen und ein selbst bestimmtes Leben zu führen.
Für wie bildungsbedürftig hält man den Leser,
dem man den Zweck beruflicher Ausbildung erklären zu müssen meint?
[…]
[…]
Wir bekennen uns zur
Verantwortung des Staates für die Hochschulen. Er hat die Aufgabe die Finanzierung
der Hochschulen abzusichern.
Finanzierung...abzusichern: auch zur Vermeidung der Einflussnahme von
Wirtschaft durch Sponsoring oder anderweitige Finanzierung auf die Freiheit von
Forschung und Lehre!
Hochschulen sollen so weit wie
möglich autonom sein. Wir wollen die Mitbestimmung all derer ermöglichen,
die am Leben der Hochschule beteiligt sind.
so weit wie möglich: Das ist sehr dehnbar. Es sollten, wenn
überhaupt, konkrete Vorstellungen eingebracht werden.
Forschung und Lehre bilden eine
Einheit. Die Hochschulen müssen insgesamt das breite Spektrum von
Lehre und Forschung anbieten. Sozial- und Geisteswissenschaften müssen ebenso gefördert
werden wie Natur- und Technikwissenschaften. Hochschulen und Forschungseinrichtungen
müssen eng zusammen arbeiten.
Insgesamt: soll das heißen, alle Hochschulen müssen in ihrer
Gesamtheit das breite Spektrum anbieten und jede einzelne könnte
sich im Extremfall auf ein Fach beschränken, oder sollte jede das breite
Spektrum anbieten? Dass diese Fragen durch den Text ermöglicht werden,
liegt an seiner Unentschiedenheit. Dahinter stehen Fragen nach der wesentlichen
Gestaltung von Universitäten und Hochschulen, die diskussionswürdig gerade auch
für die Sozialdemokratie wären.
Wir wollen einen offenen
Zugang zum Studium. Wir wollen den Anteil der Studierenden aus
bildungsfernen Familien erhöhen. Entschluss und Talent sollen
entscheiden, nicht der soziale Hintergrund. […]
bildungsferne Familie: dieser Begriff ist nicht nur zutiefst
inhuman, sondern zeugt auch von theoretischer Armseligkeit, die man hier nicht
erwarten sollte.
In welchem Milieu, in welcher sozialen
Schicht wäre das Phänomen bildungsferne Familie anzutreffen oder nicht anzutreffen?
Welcher Begriff von Bildung steht dahinter?
Es ist eine Tatsache, dass auch noch im
Verhältnis zur abnehmenden Zahl der Arbeiterkinder die Zahl derer, die von
diesen ein Studium aufnehmen, sinkt. Deshalb wäre es nach wie vor
Sozialdemokraten angemessen, irgendwie auszudrücken, dass man sich mehr
studierende Arbeiterkinder wünscht.
Es ist weiterhin eine Tatsache, dass eine
neue Unterschicht wächst, mitunter bezeichnet als Prekariat. Auch aus dieser
Schicht schaffen es zu wenige, ein Studium aufzunehmen. Unterschicht und
Prekariat werden aber im sozialdemokratischen Diskurs noch schamhaft
vermieden. Wegen dieses selbstverschuldeten Begriffsmangels muss man nun auf
den soziologisch unseriösen Begriff Bildungsferne Familie zurückgreifen.
Dazu kommt: die Art des Sprechens von bildungsfernen
Familien enthält keinen Gedanken mehr daran, dass das Ziel der Sozialdemokratie
war und ist, Bedingungen zu schaffen, die dem „Gedeihen“ von Bildungsferne in
der Gesellschaft den Boden entziehen, und dass demgemäß das eigentliche
Ziel, die Senkung des Anteils von Studierenden aus sozial benachteiligten
Familien sein müsste.
Resümee: Die zu Recht geforderte Erhöhung
ist nichts anderes als ein logisches aber unreflektiertes Ergebnis der prekären
Entwicklung unseres (demnächst Vorsorgenden) Sozialstaats – oder, mit den
Worten des Entwurfs: Ausdruck für seine „Qualität“!
[…]
Wir wollen die lernende
Gesellschaft, in der Menschen sich ein Leben lang weiterentwickeln
können. Wir wollen die Weiterbildung zur vierten Säule im Bildungssystem ausbauen
und den Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen.
Menschen können sich in jeder Gesellschaft weiterentwickeln! Illusionär
aber ist ein Versprechen der Möglichkeit eines Aufstiegs für alle.
Was bleibt, ist nur die Verlegung der Verantwortung für Nichtaufstieg oder
Abstieg (s. o.) in den bildungsunwilligen Einzelnen.
Auch diese vierte Säule steht in
der öffentlichen Verantwortung. Damit die Menschen sich engagiert fortbilden,
wollen wir sie durch Freistellungsansprüche und finanzielle Förderung unterstützen.
Dabei müssen die besonderen Belange von Müttern und Vätern berücksichtigt
werden. Wir brauchen dafür gemeinsame Lösungen der Politik, der
Tarifpartner und der Betriebe. Wir werden die bestehende Arbeitslosenversicherung
zu einer Beschäftigungsversicherung weiterentwickeln und damit einen
Beitrag zur Finanzierung von Weiterbildung leisten. In den Hochschulen wollen
wir die berufliche Weiterbildung als eigene Aufgabe entwickeln. Damit die
Bereitschaft zum lebenslangen Lernen bei niemandem an finanziellen Hürden
scheitert, benötigen wir eine Neuordnung und Weiterentwicklung staatlicher
Weiterbildungsförderung.
Beschäftigungsversicherung: Unausgegorene Projekte gehören nicht in
ein Grundsatzprogramm, sondern es gehören Grundsätze hinein, an dem dann
solche Projekte gemessen und ausgerichtet werden können!
Die Teilhabe an lebenslangem
Lernen sichert nicht allein die Beschäftigungsfähigkeit, sondern ist
Kernelement einer erfüllten persönlichen und
gesellschaftlichen Lebensführung.
Beschäftigungsfähigkeit? Natürlich wollen Menschen sich lebenslang
beschäftigen können. Aber der Schwerpunkt liegt offensichtlich auf der wirtschaftlich
verwertbaren Beschäftigungsfähigkeit. Sozialdemokraten müssen mit ihren Vorsorgenden
Sozialstaats-Ideen auch jenen Menschen gerecht werden, denen der empfohlene
Königsweg lebenslangen Lernens zu einer erfüllten persönlichen und
gesellschaftlichen Lebensführung versagt ist. So wie Bildung aller Erfahrung
nach allein keine Garantie für ein erfülltes Leben ist, so darf Bildung auch
nicht notwendige Bedingung für ein erfülltes Leben sein.
[…]
Kinder verkörpern
Freude auf die Zukunft. Sie sind das Fundament jeder Gesellschaft. Wir
wollen eine Gesellschaft, die Familien mit Kindern beste Bedingungen bietet,
und ein Klima der Aufgeschlossenheit und Akzeptanz gegenüber den Bedürfnissen
von Kindern. In der Familie können Menschen Liebe, Geborgenheit und Halt,
Orientierung und gegenseitige Unterstützung finden.
Kinder verkörpern(!) nicht Freude auf
die Zukunft, sondern Kinder sind Bestandteil unserer Zukunftshoffnungen
– vor allem aber können Kinder für Eltern und für alle, die Kindern gegenüber
aufgeschlossen sind, eine große Freude in der Gegenwart sein!
Eine erfolgreiche Kinder- und
Familienpolitik gehört zu den Schlüsselfragen für die Zukunftsfähigkeit
unseres Landes – sozial, wirtschaftlich und politisch.
Schlüsselfragen für die Zukunftsfähigkeit: Wir sollten uns nicht an der Dramatisierung
der demografischen Veränderungen beteiligen, sondern mit offenem Blick in die Zukunft
schauen. Warum sollte eine langsame Reduzierung der Bevölkerungsdichte
Deutschlands Zukunftsfähigkeit in Frage stellen und nicht im Gegenteil dem Land
auf längere Sicht gut tun?
Die Gründe für die anhaltend
niedrige Geburtenrate in Deutschland liegen unter anderem in überholten
Rollenbildern und in politischen Versäumnissen. Kinder- und Familienpolitik
muss vom Rand ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Wir brauchen
eine Kinder- und Familienpolitik, die Grenzen von Ressorts und
Zuständigkeitsebenen überwindet.
Wir brauchen: wenn wir mehr Kinder wollen, nur das zu
tun, was andernorts (z. B. jenseits des Rheins) längst getan wird und brauchen
kein halbherziges Räsonieren über eine kinderfreundliche Gesellschaft und
technokratische Empfehlungen für Grenzüberschreitung von Zuständigkeitsebenen!
Nur eine kinderfreundliche
Gesellschaft kann dynamisch und wachstumsstark sein.
Nur eine kinderfreundliche ...: das, was für uns zutreffen mag, gewinnt
nicht an Glaubwürdigkeit dadurch, dass es verallgemeinert wird. Im Gegenteil,
seine Fragwürdigkeit tritt klarer hervor durch den provozierten Blick über den
Tellerrand. So springt sofort China als Gegenbeispiel ins Auge.
Wir wollen dafür sorgen,
dass jeder Mensch die Chance hat, seinen Lebensentwurf zu verwirklichen.
Deshalb setzen wir auf eine Politik, die es jungen Frauen und Männern leichter
macht, ihre Kinderwünsche zu erfüllen, ohne dabei ihre beruflichen Wünsche und
Perspektiven zu gefährden. Das gilt besonders für die Eltern, die sich für
mehrere Kinder entscheiden. Junge Menschen brauchen in der Phase der
Familiengründung mehr finanzielle Hilfen, aber auch mehr Unterstützung
aus der Gesellschaft und von Arbeitgebern.
Hierher gehörten die direkte Benennung des
Skandals, dass Kinder zunehmend zu einem Armutsrisiko werden, sowie das
grundsätzliche Verständnis der Sozialdemokratie von Arbeit in der Familie
als einer für die Gesellschaft notwendigen Arbeit. Eine solidarische
Gesellschaft wird diese wie jede andere Arbeit auch entsprechend honorieren
müssen. In einer Zeit, in der die Menschen selbst entscheiden können, ob sie Kinder
in die Welt setzen oder nicht, und in der Kinderlosigkeit keine Schande mehr
ist sondern materiellen Vorteil für die oder den Einzelnen bringt, stünde es
Sozialdemokraten nicht schlecht zu Gesicht, den gesellschaftlichen Diskurs über
dieses für unsere Gesellschaft behauptetermaßen existentiell wichtige Thema,
durch entsprechende Forderungen zu beleben. Der endlose Katalog von Forderungen
nach Hilfen für die unzähligen „Notfälle“ würde sich dadurch erübrigen.
[…]
Die Arbeitswelt muss
den Bedürfnissen der Familien Rechnung tragen. Erwerbsverhältnisse, die auf
Dauer weder Planbarkeit noch wirtschaftliche Selbstständigkeit ermöglichen,
erschweren jungen Menschen die Entscheidung für Kinder. Arbeitsbedingungen,
die sich immer einseitiger am Ideal des allzeit verfügbaren Individuums ausrichten,
gefährden stabile zwischenmenschliche Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt
in unserem Land.
Arbeitsbedingungen: Nicht diese sind es, die sich am Ideal
(...) ausrichten, sondern Menschen (Manager usw.), die sich auf die Zwänge
des Marktes, Standorts usw. berufen.
Arbeitszeiten, aber auch
betriebliche Aus- und Fortbildungszeiten müssen sich stärker an den
Bedürfnissen von Eltern orientieren. Somit eröffnen wir ihnen gleiche
Chancen auf eine Existenz sichernde Erwerbsarbeit, gleiche Chancen
auf Karriere und Führungspositionen und die Möglichkeit für eine
partnerschaftliche Teilung der Erziehungs- und Familienaufgaben. Das nutzt
Familien und Unternehmen.
Führungspositionen: Was treibt die Verfasser, die Forderung
nach betrieblich in kinderfreundlichem Sinn geregelten Arbeits- und
Fortbildungszeiten mit der Ausnahmeerscheinung zu begründen, dass wir
dadurch Eltern gleiche Chancen auf (je) eine Führungsposition
eröffnen? Gerade Eltern, die es so weit geschafft haben, werden gewöhnlich
finanziell das Notwendige individuell regeln können!
Wenn Eltern sich trennen, wird
dies zunehmend zum Armutsrisiko für die Kinder.
...für die Kinder: und für die Eltern!
[…]
Wir orientieren unser
Familienbild an der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die meisten Menschen
wünschen sich die Ehe. Wir unterstützen aber auch andere gemeinsame Lebenswege,
gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und alleinerziehende Eltern.
Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Lebenspartner oder Generationen
füreinander einstehen. Jeder hat Familie, auch Menschen ohne eigene
Kinder.
Wir orientieren... an der... Wirklichkeit: das darf hoffentlich als
Selbstverständlichkeit angesehen werden. Wichtig wäre dann aber, dieser
Wirklichkeit nicht zu verfallen (und das mit Realitätssinn zu verwechseln) –
denn es kommt darauf an, sie zu verändern! Mit Hilfen und Unterstützung, so
wichtig sie auch sein mögen, ist da nicht viel getan! (s. o.)
Jeder hat Familie: Diese Phrase lässt vergessen, dass so
mancher tatsächlich keine Familie mehr hat!
Unser Leitbild ist die
Familie, in der Mutter und Vater gleichermaßen für den Unterhalt und die
Fürsorge verantwortlich sind. Das will die große Mehrheit der jungen Menschen.
Es entspricht den Bedürfnissen der Kinder nach Mutter und Vater, und es
sichert die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Familien. Gleichzeitig
verdient die Leistung allein erziehender Eltern mehr Anerkennung und Unterstützung.
Unser Leitbild: es mag Bedürfnissen entsprechen, sichert
aber noch lange nichts.
[…]
Eine besondere Verantwortung hat
der Staat für Kinder, die in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung
bekommen oder sogar Gewalt erfahren. Das Elternrecht findet seine Grenzen, wo
das Kindesrecht verletzt wird. Kinder haben eigene Rechte und wir wollen, dass
sie in der Verfassung verankert werden. Wenn Konflikte in der Familie in
Gewalt gegen Frauen oder die Vernachlässigung von Kindern ausarten, müssen
Staat und Gesellschaft eingreifen.
Wenn Konflikte... in... die Vernachlässigung
von Kindern ausarten: dann
ist das Vernachlässigung der deutschen Sprache.
Wir legen unserer Politik auf
allen Feldern das Prinzip der Nachhaltigkeit zugrunde. Die nachhaltige
Entwicklung schafft eine Balance von sozialen, ökologischen
und wirtschaftlichen Zielen. Sie bezieht die Bedürfnisse künftiger
Generationen in unsere heutigen Entscheidungen mit ein.
Umgekehrt: die Balance (das Ausbalancieren)
von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Zielen (nachhaltige
Planung) führt erst zu nachhaltiger Entwicklung, die wir anstreben.
Energie ist ebenso wie Luft,
Wasser und andere natürliche Ressourcen Lebensgrundlage unserer Zivilisation.
Die heutige Art, mit Energie umzugehen und Ressourcen zu verschwenden, hat
keine Zukunft mehr. Die Natur reagiert auf menschliche Einflüsse.
Der Klimawandel gehört zu den größten globalen Gefahren. Das weltweite
Wachstum des Energiebedarfs und die Zunahme des Naturverbrauchs machen
rasches Umsteuern zwingend erforderlich.
Falsche Sätze wie dieser, dass etwas keine
Zukunft mehr habe, lenken von dem ab, was zu tun ist, denn: Verschwendung
hat so lange eine Zukunft, bis es nichts mehr zu verschwenden gibt, oder bis
sie beendet wird! Und sie blenden die gesellschaftlichen Bedingungen der
Verschwendung aus.
Die Natur reagiert...: Eine falsche Banalität nach der anderen!
Ein besseres Leben mit höherem
Wohlstand ist möglich, und zwar nicht nur hier und heute, sondern
weltweit und auch für kommende Generationen.
Nach diesem Paukenschlag positiver Prognose
kann schnell das Kapitel vom Vorsorgenden Sozialstaat (und vor allem die Kritik
daran) vergessen und unverzüglich noch heute und hier an die
Verwirklichung des verheißenen besseren Lebens mit höherem Wohlstand gegangen
werden! Alles andere wäre verlorene Zeit, denn:
Die ökologischen und sozialen
Probleme der modernen Welt können wir mit den Mitteln der modernen Welt
lösen. Das Wissen und das Können der Menschheit eröffnen Möglichkeiten, die
lange als undenkbar galten. Wir können Krankheiten besiegen, die
unheilbar waren. Wir können den Hunger bekämpfen. Wir
können mobil sein mit einem Bruchteil der ehemals erforderlichen Antriebskraft.
Bruchteil: Es ist kaum zu glauben, dass ein Wunder,
das ja zuweilen Sozialdemokraten an sich beobachten mögen, in einem Abschnitt,
der u. a. von Technologie handelt, Erwähnung findet: dass sich ihre Körper
heute nur mehr mit einem Bruchteil der ehemals erforderlichen Antriebskraft
bewegen lassen!
Die Wirtschaft kann wachsen, ohne
die Natur zu zerstören. Das alles ist möglich, wenn wir unser
Können entschlossen und vernünftig nutzen.
Das alles ist möglich, wenn...: Keine Erinnerung mehr daran, dass das,
was alles (und für alle) möglich ist, erkämpft werden muss, und keine
Frage der Technik oder des technischen Könnens ist; dass es Hunger,
als soziales Problem, nie und nirgendwo hätte geben müssen und auch
heute nicht gäbe, wenn ... Um dieses WENN und um das WIE muss es im Programm
einer Partei gehen, die sozial und demokratisch sein will - und um nichts anderes!
[…]
Ressourcenverfügbarkeit
ist die Voraussetzung für alle wirtschaftlichen und zivilisatorischen
Aktivitäten. Deshalb ist die Sicherung der Ressourcenbasis ein
existentielles Grunderfordernis für jedwedes Gemeinwesen. Aus Gründen
internationaler Zusammenarbeit und der Friedenssicherung muss die Ressourcensicherung
in einer Weise erfolgen, die anderen Gesellschaften nicht die für diese ebenso
unverzichtbaren Ressourcen nimmt. Das gilt für Energie, Rohstoffe, Wasser und
Bodenfruchtbarkeit.
Die Nutzung von Energie- und
Rohstoffen erfolgt in modernen Gesellschaften durch deren Umwandlung mit
entsprechenden Technologien. Dabei entstehen unvermeidlich Verluste. Enthalten
die Ressourcen Schadstoffe, so werden diese bei der Umwandlung freigesetzt und
gefährden damit die Gesundheit der Menschen und die natürlichen Lebensgrundlagen,
je mehr solche Ressourcen genutzt werden. Seit Beginn des Industriezeitalters
wurde in wachsendem Maße auf begrenzt vorhandene und damit erschöpfliche
Ressourcen gesetzt. Beim Einsatz fossiler Energien kommt hinzu, dass
diese schadstoffhaltig sind und wegen der ständig gesteigerten Bedarfsmengen
zur globalen Umweltkrise geführt haben, die den Fortbestand der Zivilisation
gefährdet, insbesondere in Form von Klimakatastrophen. Die Atomenergie erschien
vielen als die große Hoffnung für das nahende postfossile Zeitalter. Sie kann
diesen Hoffnungen aus vielerlei mittlerweile erkannten Gründen nicht
entsprechen, unter anderem wegen unverantwortlicher Unfallrisiken und
der Hinterlassenschaft atomaren Mülls für zehntausende von Jahren. Keine
Generation darf kommende Generationen für derartige Zeiträume
eine solche Last aufbürden.
erschöpflich: eine neue Wortschöpfung: dabei sind die Wortressourcen
noch keineswegs erschöpft. Es gibt zwar unersprießliche und ersprießliche
Wortschöpfungen, aber nicht unerschöpfliche und erschöpfliche Geduld. Die Geduld
wird auch im Folgenden strapaziert:
das Setzen auf begrenzte Ressourcen macht diese erschöpflich!
(Ein Kuchen z. B., als begrenzt vorhandene Ressource, erschöpft sich nicht
dadurch, dass die Kaffeegäste auf ihn setzen, sondern indem sie ihn essen.)
Beim Einsatz fossiler Energien kommt hinzu, dass diese schadstoffhaltig sind!
(Seit wann ist Energie schadstoffhaltig?)
Der Fortbestand der Zivilisation wird durch die
globale Umweltkrise insbesondere in Form von Klimakatastrophen gefährdet,
und aus der großen Hoffnung (Singular) der vielen auf
die Atomenergie werden Hoffnungen (Plural), die die Atomenergie
nicht erfüllen kann. Und zwar wegen unverantwortlicher (gemeint: nicht verantwortbarer)
Unfallrisiken.
Für uns ist es deshalb
eine Schlüsselaufgabe für das 21. Jahrhundert, den Wechsel von erschöpflichen
zu unerschöpflichen und von schadstoffhaltigen zu schadstofffreien Ressourcen
konsequent zu realisieren. Unser Ziel ist das solare Zeitalter.
Angesichts der umfassenden
Potentiale und bereits vorhandener Technologien ist das nicht nur möglich.
Es ist auch die große Chance, die zivilisatorischen
Fortschritte der modernen Wirtschaftsentwicklung aufrecht
zu erhalten und die gesamte Menschheit daran teilhaben zu lassen.
Zweifellos: Wir sind die Partei der Chancen
und der Ziele!
Hier wird dies mit entwaffnender Stringenz
entwickelt: Unser Ziel ist das solare Zeitalter! Wir eilen von Zielen zu
Zielen. Oben war es noch die Soziale Demokratie samt Vorsorgendem
Sozialstaat. Was es damit auf sich hat, wurde schon angemerkt. Sollen wir
uns nun noch lange mit „Staat“ und „Gesellschaft“ herumplagen, wo doch ein
ganzes Zeitalter winkt, das alle relevanten Probleme für alle Menschen
löst? Das solare Zeitalter ist u. a. angesichts bereits vorhandener
Technologien möglich. Und in diesem Wechsel zur Solarenergie liegt die
große Chance, die gesamte Menschheit mit den (bereits ebenfalls
vorhandenen) zivilisatorischen Fortschritten der modernen
Wirtschaftsentwicklung zu beglücken! Das ist unser hier erklärtes Ziel!
Und der Weg dorthin: Möglichkeiten realisieren
und Chancen wahrnehmen! Es fehlt allerdings noch eine kleine Voraussetzung:
wir Sozialdemokratinnen müssen den Rest der Menschheit davon überzeugen!
Was unter den zivilisatorischen Fortschritten
der modernen Wirtschaftsentwicklung zu verstehen ist und wie sie ohne
die offenkundigen Rückschritte im menschlichen, sozialen und kulturellen
Bereich zu haben sind, bleibt offen, denn die Reflexionen zum solaren Zeitalter
sind abgehoben von jeglichen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen. Diese
Abstinenz ist nur zu erklären durch die völlige, vielleicht auch bewusstlose
Befangenheit in neoliberaler Wirtschaftsgläubigkeit. Das aber ist nicht gerade
das, was von sozialdemokratischen Grundsätzen zu erwarten wäre!
Wer mit geschärftem Ohr dem Satz von der großen
Chance nachlauscht, kann in all dem optimistischen Getöse die verzweifelten
Dissonanzen einer großen verdrängten Angst deutlich vernehmen. Es ist
nicht die Angst, einen Hauptgewinn zu verpassen, sondern es ist die
realistische Angst, alles zu verlieren – wenn nicht!... Das blitzt kurz auf im
Wunsch: aufrecht zu erhalten ...
– man überliest dies leicht, denn sofort folgen Menschheitsbeglückungsfantasien,
die so wenig zum Ernst der Lage passen.
Voraussetzung dafür ist
ein breiter Strukturwandel zu neuen dezentralen Formen der Energiebereitstellung.
Die größte Brücke dahin ist die Effizienz- und Einsparrevolution, die zu
wesentlich vermindertem Energieeinsatz und Umwandlungsverlusten führt. Damit
ist es möglich, den tatsächlichen Energieeinsatz der Menschen bis zum
Jahr 2020 zu halbieren und bis Mitte des Jahrhunderts um den Faktor 4 zu
senken. Dies und der gleichzeitige Wechsel zu erneuerbaren Energien erfordert
vielfältige neue Technologien und ermöglicht das Entstehen
zahlreicher neuer Arbeitsplätze in Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsberufen
sowie in der Land- und Forstwirtschaft. Wir leisten damit den
wichtigsten Beitrag zur Vermeidung internationaler Ressourcenkonflikte,
für die wirtschaftliche Entwicklung der bisher nicht industrialisierten Welt,
und zur Überwindung existenzieller Energieabhängigkeiten, die ganze Staaten
erpressbar gemacht haben. Erneuerbare Energien sind überall die jeweils größten
und auf Dauer verfügbaren heimischen Energiepotentiale. Gleichzeitig senken wir
den Wasserverbrauch und leisten damit einen Beitrag zur
Überwindung von Wasserkrisen, weil die Förderung und der Einsatz atomarer und
fossiler Energieressourcen einen großen Wasserbedarf erfordern.
Auf dem Weg zum solaren Zeitalter, das wird
denn doch präzisiert, sind noch „Brücken“ zu überqueren. Als die größte
Brücke dahin wird eine Effizienz- und Einsparrevolution ausgemacht.
Da man auch hier glaubt, gesellschaftspolitische Fragen komplett aussparen zu
können, bleibt völlig im Nebel, wie diese „Revolution“ über die
weltgeschichtliche Bühne gehen soll. Ob die Sozialdemokratie in den voraussehbaren
dramatischen Kämpfen um die letzten Ressourcen wirklich eine positive gestalterische
Kraft sein wird, lässt sich an den hier skizzierten Beiträgen, die wir zu
leisten gedenken, nicht erkennen!
[…]
Durch die Veränderung des Klimas
rückt die unvermeidbare Gefahr von Naturereignissen immer mehr ins
Bewusstsein. Niemand kann wirklich vor Elementarschäden wie Hochwasser, Stürmen
oder Schneelast sicher sein. Darum brauchen wir mehr Vorsorge und
eine planmäßige Schadensabsicherung.
Schneelast: Da sollten wir Nägel mit Köpfen machen, ehe der nächste Winter
einbricht! Denn langfristig erledigt dieses Thema für uns die Klimaerwärmung.
Hierbei könnte der Vorsorgende Sozialstaat denn doch eine erste Bewährungsprobe
bestehen.
Sich frei bewegen und weite
Distanzen in kurzer Zeit überwinden zu können, ist für viele Menschen ein großer
Gewinn. Unsere Kultur ist vom persönlichen Lebensalltag bis hin
zur wirtschaftlichen Arbeitsteilung auf dem Weltmarkt ohne Mobilität nicht
denkbar. Die Verkehrswirtschaft ist ein Wachstumsträger. Die Logistik
bietet Lösungen für komplizierte Herausforderungen bei der Güterversorgung.
Wir fördern notwendige
und gewünschte Mobilität. Sie ist aber kein Selbstzweck. Wo Wege überflüssig
sind, wollen wir sie durch bessere Logistik und eine klügere
Siedlungsentwicklung vermeiden. Wir investieren auf hohem Niveau in
unsere Verkehrsinfrastruktur. Dabei gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Vorrang haben daher die ökologisch jeweils günstigsten Verkehrsträger und kombinierten
Verkehre. Wir wollen einen modernen und leistungsfähigen
Schienenverkehr. Er hat für das Zusammenwachsen Europas eine große Bedeutung.
Er sichert die Lebensqualität der Städte und Regionen. Der Öffentliche
Personennahverkehr bleibt für uns eine öffentliche Aufgabe. Wo er fehlt,
das zeigen die Erfahrungen vieler außereuropäischer Städte, sind Luftverschmutzung
und Flächenverbrauch die Folge. Bus und Bahn müssen wirtschaftlicher werden. Aber
wir werden sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen.
Das Auto wird in unserer Zeit neu
erfunden.
Dafür hat die SPD einen feinen Sinn!
Der alte Gegensatz
zwischen dem motorisierten Individualverkehr und der Umwelt beginnt sich
deutlich zu entschärfen.
Der alte Gegensatz: mag sich in Deutschland entschärfen.
Weltweit wird er sich weiter verschärfen.
[…]
Wir setzen uns dafür ein,
dass die Kraftfahrzeugsteuer künftig nach dem Kohlendioxid-Ausstoß
bemessen wird.
Die höhere Besteuerung in der Regel älterer
Fahrzeuge, trifft vor allem jene, die sich kein neues leisten können, also den
ärmeren Teil der Bevölkerung! Ist dies beabsichtigt?
[…]
Muss heißen: Natur- und Tierschutz
(wenn nicht Heiterkeit aufkommen soll)!
Wir wollen unser
nationales Naturerbe schützen und bewahren. Dazu ist es nötig, Naturschutz
konsequent durchzusetzen und den immer noch wachsenden Flächenverbrauch durch
Infrastruktur, Wirtschaft und Wohnen deutlich zu reduzieren. Wir brauchen
Räume der Erholung und Muße. Die Bewahrung der Natur in ihrer einzigartigen
Vielfalt und ihrem faszinierendem Artenreichtum ist für uns unverzichtbarer
Beitrag, um die Lebensqualität für uns und unsere Kinder und Enkel dauerhaft zu
erhalten. Für uns gilt die ethische Verpflichtung zum pfleglichen Umgang
mit der Natur auch dort, wo kein unmittelbarer Nutzen für
die Menschen daraus folgt. Wir wollen Pflanzen und Tiere besser schützen.
Wir wollen von der Natur lernen und ihre Kräfte für ein besseres Leben
nutzen.
...auch dort...: nicht auch
dort, sondern gerade dort!
Zum effektiven Schutz der Meere
und Küstenregionen brauchen wir durchsetzbare Sicherheitsstandards
in Schifffahrt und Schiffbau ebenso wie eine verantwortliche und nachhaltige
Fischerei-Politik.
Wir brauchen nicht durchsetzbare(!) Sicherheitsstandards,
was im Allgemeinen auf Kompromissformeln hinausläuft, sondern Kraft, Macht und
Mittel (und dazu Willen, Überzeugungskunst und Verhandlungsgeschick), um die notwendigen
Sicherheitsstandards durchzusetzen!
Artgerechte Haltung muss
eine Selbstverständlichkeit in einer Gesellschaft werden, die sich
den respektvollen Umgang mit Tieren zum Ziel erklärt hat.
Die Gesellschaft hat sich auch die
Erzielung von Maximalprofit auf ihre Fahnen geschrieben. Deshalb bedarf es auch
da (s. o.) des Willen und der nötigen Kraft, entsprechende Standards mit
gesetzlichen Regelungen durchzusetzen!
(nebenbei: nicht sich etwas zum Ziel erklären,
sondern – zum Ziel setzen!)
[…]
[…]
Die Bedingungen für die
Landwirtschaft in Deutschland werden sich weiter wandeln. Die Internationalisierung
der Agrarmärkte setzt sich weiter fort. In der Europäischen Union setzen wir
uns dafür ein, die finanziellen Transferleistungen für die Landwirtschaft an
ihrem Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der
Kulturlandschaften auszurichten und eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen
Räume zu ermöglichen. Neue Marktchancen entstehen für anspruchsvolle
Lebensmittel, nicht zuletzt aus ökologischer Erzeugung, und für
nachwachsende Rohstoffe.
anspruchsvolle Lebensmittel: es gibt keine anspruchsvollen
Lebensmittel, sondern nur hohen Ansprüchen genügende Lebensmittel! Anspruchsvoll
sollte der Kunde sein.
(Es kann allerdings anspruchsvolle Texte
geben - das wären Texte, die Ansprüche an den Leser stellen).
Wir befördern eine
Landwirtschaft, die diesen wachsenden Bedarf decken kann und gleichzeitig die
natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft schont. Der kulturelle
Reichtum vieler Nationen zeigt sich auch in den Landschaften, die durch die agrarische
Nutzung durch den Menschen entstanden sind. Diesen Reichtum wollen wir bewahren.
Landwirte und Verbraucher haben einen Anspruch auf gentechnikfreien
Anbau.
Landwirte haben einen Anspruch auf das Recht gentechnikfreien Anbaus.
Verbraucher haben einen Anspruch auf gentechnikfrei angebaute Lebensmittel
(und andere gentechnikfrei produzierte Waren).
Wir wollen eine
Landwirtschaft, in der sich eine umwelt- und tiergerechte Produktion lohnt.
lohnt: eine solche Produktion lohnt sich immer! Zahlt sich aber nicht
(immer) für die Produzenten aus. Das gilt es zu ändern!
Landwirtinnen und Landwirte
benötigen mehr eigene wirtschaftliche Spielräume, um ihre Tätigkeit am Markt
auszurichten. Genossenschaften, neue Formen der Kooperation innerhalb von
Vermarktungsketten und andere klassische Zusammenschlüsse landwirtschaftlicher
Unternehmen bieten hier die Chance, Marktpositionen gerade im Verhältnis
zu einem stark konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel zu verbessern.
Der Beitrag der Sozialdemokratie wäre, die
entsprechenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen! Ohne diese bleiben
kluge Ratschläge und Ideen an die Adresse der Produzenten leere Phrasen!
Ein so verstandener
Fortschritt steht im Einklang mit den Interessen zukünftiger Generationen und
der Natur. Er stellt die Weichen langfristig in Richtung einer nachhaltigen Wirtschafts-
und Lebensweise.
D. h.: wenn wir den Fortschritt nur recht verstehen,
dann wird alles gut!
Wir gehen voran. Wir
überlassen anderen das Beharren und Lamentieren, die Verleugnung
von Realitäten, den Egoismus und den Populismus.
Dieses Vorangehen bleibt merkwürdig
unentschieden. Vom Charisma des einstigen „Brüder zur Sonne, zur Freiheit!“
ist trotz Aussicht auf das solare Zeitalter nichts mehr zu verspüren.
Der zweite Satz klärt auf: unser Vorangehen
dient der Abgrenzung von jenen, die beharren und lamentieren, die
wirklichkeitsblind sind und egoistisch und die dem Populismus
frönen. Wir gehen voran, um die sie (im Wahlkampf) hinter uns zu lassen.
Wir sind die Partei der Freiheit,
der Gerechtigkeit und der Solidarität. Die Einheit dieser drei
Grundwerte, vereint im politischen Ziel der Sozialen
Demokratie, unterscheidet uns von allen anderen Parteien und
politischen Interessen.
„Deshalb
müssen wir in Zukunft neue Wege gehen und ein modernes Verständnis von
Gerechtigkeit entwickeln, das Solidarität und Eigenverantwortung neu
ausbalanciert, die Lasten gerecht zwischen Jung und Alt verteilt und allen mehr
Teilhabechancen einräumt. Dabei steht für uns (…) fest: Freiheit,
Gerechtigkeit und Solidarität sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen
einander.“
Was unterscheidet diese hier zitierten Zeilen
aus einem Papier, mit dem die CDU zur Diskussion um ihr Grundsatzprogramm
einlädt, von unserem Text?
Inhaltlich nicht viel mehr als die Behauptung,
dass wir die Partei dieser Grundwerte sind und uns von allen anderen
Parteien unterscheiden, und dass diese Grundwerte bei uns exklusiv als „Einheit
(...)vereint im politischen Ziel der sozialen Demokratie“
aufgehoben sind! (Wie diese Einheit in einem politischen Ziel vereint
sein kann, ist nicht zu hinterfragen, denn es handelt sich offensichtlich
um ein Mysterium!)
Christdemokraten betonen bekanntermaßen die
Freiheit: „Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit!“
An uns wäre es, dem tätigen
Moment in dieser Einheit, der Solidarität, den Vorrang zu geben, denn Freiheit
und Gerechtigkeit finden erst in Solidarität jene Praxis
und Rechtfertigung, welche für die Sozialdemokratie von ihren Anfängen an
unabdingbar war. Allein diese Konstellation der drei Grundwerte könnte
heute, und heute wieder erst recht, unserer Partei eine authentische Identität
verleihen!
Für die Werte und Ziele der
Sozialen Demokratie wollen wir die Menschen in unserem Land gewinnen.
Und wenn wir die Menschen
für die Ziele der Sozialen Demokratie gewonnen haben...?
Wir schaffen das Bündnis
für Soziale Demokratie. Eine Partei kann immer nur so stark sein wie die
Menschen, die ihre Werte und Ziele teilen und unterstützen. Wir werben
für ein politisches Bündnis, das alle Teile der solidarischen
Bürgergesellschaft zusammenführt. Wir wollen Frauen und Männer,
junge und alte Menschen für unsere Idee begeistern.
Und wenn wir die Menschen,
die wir gewonnen, im Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und
begeistert haben...?
Wir sind die Partei für das
ganze Deutschland. In unserer Partei bündeln sich die Erfahrungen von
eineinhalb Jahrhunderten Geschichte, von Ost und West, von Nord und Süd, von
Frauen und Männern, von Alt und Jung, von verschiedenen Lebenslagen und
Gruppen. Dies ist unsere Stärke.
Dass wir eine gesamtdeutsche Partei sind
bezweifelt keiner, auch wenn dies nicht im Programm steht. Falls aber gemeint
sein soll, wir seien die Partei für alle in Deutschland lebenden Bürger,
dann wäre dies ein Ausdruck jenes Missverständnisses von
Sozialdemokratie, das sich durch diesen ganzen Programmentwurf zieht und das
hier kritisiert wird.
Erfahrungen: Die Erfahrungen, auf die sich eine sozialdemokratische Partei
zu Recht, und teilweise auch mit Stolz berufen könnte, sollten schon etwas mit
ihrer eigenen Geschichte zu tun haben! Diese Erfahrungen kann man dann
zur Kenntnis nehmen und aus ihnen lernen. Nur insoweit dies tatsächlich
geschieht, nur insoweit dies in Äußerungen „der Partei“, im Denken, Reden und
Handeln ihrer Mitglieder zum Ausdruck kommt, kann man davon sprechen, dass sich
in unserer Partei die Erfahrungen bündeln, oder besser, dass sie in ihr
leben. In diesem Entwurf bleibt dies Behauptung!
Als linke Volkspartei
wollen wir Verantwortung für unser ganzes Land übernehmen – im Bund, in
den Ländern und in den Kommunen.
Und wenn wir die Menschen,
die wir gewonnen, im
Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und begeistert haben, und wir
als linke Volkspartei für das ganze Deutschland die Verantwortung für unser
ganzes Land übernommen haben...?
Linke Volkspartei: Hier darf dieser Begriff noch einmal auftauchen,
um aus einer rhetorischen Verlegenheit zu helfen: eigentlich soll nur gesagt
werden, dass wir regieren wollen! Das stereotype Aufzählen (Wir sind die
Partei...) ist hierbei
nicht durchzuhalten. Dass wir als Volkspartei Verantwortung übernehmen
wollen, wäre vor dem Godesberger Programm geradezu sensationell gewesen.
Heute hätte es keinerlei programmatisches Interesse mehr. Was macht nun den
Spruch: Als linke Volkspartei wollen wir Verantwortung für unser Land
übernehmen akzeptabel? Vermutlich und paradoxerweise gerade der Fakt, dass
wir keine linke Partei mehr sind. Die Raffinesse, dass „die Sozis“ noch
einmal sich, für den Moment der Verantwortungsübernahme, in ein linkes Kostüm
werfen wollen, erregt nachsichtige Heiterkeit bei den einen und nährt letzte
Illusionen bei den anderen.
Wir sind die Partei der
engagierten Bürgerinnen und Bürger. Als soziale Bewegung sind wir
mit unseren vielen Hunderttausend Mitgliedern selbst Teil einer solidarischen
Bürgergesellschaft, in der Bürgerinnen und Bürger Verantwortung für ihr
Gemeinwesen übernehmen und eine lebendige Demokratie schaffen. Gerade die
ältere Generation ist eine unverzichtbare Kraft dieser Bürgergesellschaft. Wir
wollen die Aktiven in den Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Verbänden und
Nichtregierungsorganisationen für die Soziale Demokratie gewinnen. Wir kämpfen
gemeinsam mit allen Frauen und Männern, die sich für echte Gleichstellung
einsetzen. Wir werben dafür, dass alle Menschen, die unser Land
verbessern wollen, sich als Mitglieder der SPD für ihre Ideen
engagieren.
Und wenn wir nun alle
Menschen gewonnen, im Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und
begeistert haben und als linke Volkspartei die Verantwortung für unser ganzes
Land übernommen haben...? Dann sollte es überflüssig sein, weiter darüber zu
räsonieren, dass wir die Partei der engagierten Bürgerinnen und Bürger sind!
... sich für ihre Ideen engagieren.: Missverständlich ist, ob wir dafür werben,
dass alle Menschen sich in der SPD für ihre eigenen Ideen,
wie das Land zu verbessern sei, engagieren sollen, oder ob alle Menschen, die
unser Land verbessern wollen, sich in der SPD für die Ideen der SPD engagieren
sollen. Wahrscheinlich soll beides möglich sein, und es handelt sich um eine
produktive Unschärfe der Formulierung!
Wir sind die Partei der Arbeit
und der Wertschöpfung. Die Soziale Demokratie verbindet alle produktiven
Kräfte unseres Landes: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Frauen und
Männer, die ein Unternehmen leiten, die Selbstständigen im Handwerk und in den
freien Berufen. Wir treten ein für die Interessen der arbeitenden Menschen
und derjenigen, die von der Teilhabe an Arbeit ausgeschlossen sind. Wir
wollen gemeinsam mit ihnen die Arbeitsgesellschaft der Zukunft
gestalten.
Und wenn wir alle Menschen
guten Willens gewonnen, zusammengeführt und begeistert haben, und wir als linke
Volkspartei für das ganze Deutschland die Verantwortung übernommen haben, und
die Soziale Demokratie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den
Unternehmerinnen und Unternehmern unseres Landes verbunden haben wird...? Dann werden auch die
Widersprüche von Kapital und Arbeit verschwinden - und von der Teilhabe an
Arbeit Ausgeschlossene wird es nicht mehr geben!
Wir sind die Partei der
Bildung, der Wissenschaft und des Fortschritts. Wissen heißt freie
Entfaltung des Menschen. Wissen ist eine Produktivkraft von wachsender
Bedeutung für unsere Gesellschaft. Wir suchen das Bündnis mit all denen, die
Wissen mehren, Wissen vermitteln und zum Wohl aller Menschen nutzbar machen.
Wir wollen einen Fortschritt in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Idee
der Sozialen Demokratie zieht ihre Kraft auch aus den Impulsen der
Wissenschaften aller Disziplinen.
Sich vorzustellen, wie die Idee der Sozialen
Demokratie ihre Kraft aus den Impulsen der Wissenschaften aller Disziplinen
zieht, gibt Impulse für eine Reihe erheiternder Gedankenspiele (Pathologie,
Stomatologie, Theologie, Meteorologie...)!
Wir sind die Partei der
Kultur. Die Idee der Sozialen Demokratie findet ihren Ausdruck in
der Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern, von Denker und Kreativen. Wir
wollen mit ihnen gemeinsam Kritik üben, wo Kritik nötig ist,
und Ideen für ein gutes Leben entwickeln.
Eine kühne Vision, die an die Forderung von
SED-Kulturpolitikern erinnert, Kunst habe die Ideen des Sozialismus
auszudrücken. Die Idee der Sozialen Demokratie aber wird, nach
Rezeption unseres Programms, als das Selbstverständliche freiwillig in
den Werken der Künstler, in den Arbeiten der Kreativen und im Denken der
Denkerinnen und Denker erscheinen, so dass man sich um Kultur und Gesellschaft
in der Sozialen Demokratie keine Sorgen machen muss.
gemeinsam Kritik üben: Da fehlt noch? - Selbstkritik!
Wir sind die Partei der
internationalen Solidarität. Wir treten entschlossen ein für die Interessen
auch der benachteiligten Weltregionen. Wir arbeiten für
Frieden und globale Gerechtigkeit. Wir unterstützen internationale
soziale Bewegungen in ihrem Einsatz für eine bessere Welt. Menschen aller
Kulturen und Religionen finden in der Sozialen Demokratie ihre politische Heimat.
Als Mitglied der Sozialistischen Internationale und der Sozialdemokratischen
Partei Europas sind wir Teil einer starken politischen Familie, mit der wir für
die Idee der Sozialen Demokratie streiten.
Wir sind die Partei...: Das Phrasenhafte an diesen Parolen tritt
hier besonders deutlich hervor. Der Begriff der internationalen Solidarität hatte
in der Geschichte von Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie immer eine klare Bedeutung,
die sich aus der schlichten Erkenntnis speiste, dass die Proletarier in allen
Ländern einen gemeinsamen Gegner haben. Internationale Solidarität
drückte demnach die Gewissheit aus, dass gegenseitige Unterstützung und
gemeinsamer Kampf über die Ländergrenzen hinweg, Voraussetzungen für die Erreichung
des Ziels einer besseren Gesellschaft sind. Von dieser Bedeutung wurde Internationale
Solidarität hier gründlich gereinigt.
Wir treten entschlossen ein...: Die Beteuerung der Entschlossenheit wird
von einem unverständlichen auch getrübt. Wo denn sonst als in benachteiligten
Weltregionen hätte unsere Solidarität im internationalen Maßstab tätig zu
werden? Bei genauem Hinsehen muss man erkennen, dass die Interessen von
benachteiligten „Regionen“ nicht identisch sind mit den Interessen der
in diesen Regionen benachteiligten Menschen! Diesen hat unsere
Solidarität zu gelten, und nicht denen, die noch am ärmlichsten Feuer sich zu
wärmen wissen.
Wir unterstützen internationale soziale
Bewegungen: Welche?
Menschen aller Kulturen...: es wird der Gedanke nahe gelegt, dass, wenn
Menschen aller Kulturen und Religionen nur unsere Ideen der Sozialen
Demokratie aufgriffen, bei ihnen, wie bei uns, sich alles zum Besten
wenden würde!
Andere Völker belehren oder beglücken zu
wollen, gehörte noch nie zu den besten deutschen Traditionen.
Wir sind die Partei der
solidarischen Mitte. Unsere Partei hat Hunderttausende Mitglieder, aber es
gibt Millionen von Menschen, die so denken und empfinden wie wir.
Hunderttausende Mitglieder...: Vergessen wir
es nicht, vorerst haben wir Hunderttausende verloren – aus unserer
Mitte! Und Millionen Wähler!
Viele Menschen wollen unabhängig
von ihrer eigenen Lebenslage eine bessere und gerechtere Gesellschaft. Um
gleiche Rechte für die Benachteiligten durchzusetzen, braucht es die Solidarität
derer, die weniger auf gesellschaftliche Unterstützung angewiesen sind. Die solidarische
Mitte hat die Soziale Marktwirtschaft möglich gemacht und sie wird das Land
auch in Zukunft mit ihrer Leistung und ihrer Solidarität zusammenhalten.
Die solidarische Mitte hat...: So funktioniert Mythenbildung, weit entfernt von den
historischen Realitäten...
Wir wollen die solidarische
Mitte in unserem Land verbreitern und für die Soziale Demokratie gewinnen.
solidarische Mitte: wie wir diese verbreitern wollen,
und wo wir dann als „linke“ Volkspartei in ihr unseren Platz zu suchen
haben werden, bleibt ein logisches und topografisches Geheimnis. Oder anders:
dass dies ein „Geheimnis“ ist, enthüllt die Untauglichkeit des Begriffes solidarische
Mitte für eine identifizierbare politische Standortbestimmung einer
sozialdemokratischen Partei
Wir wollen die Mehrheit
in unserem Land davon überzeugen, dass soziale Gerechtigkeit die
eigentliche Bestimmung des Menschen ist und allen Nutzen bringt.
die eigentliche Bestimmung des Menschen: „Das ist ein zu weites Feld...“
Wir richten den Blick nach
vorn.