Jost Aé

Greifswald, Mai 2007

 

                       

Kritik

des

Bremer Entwurfs

 

für ein neues Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

„Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert“

 

 

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Inhalt:

 

Einleitung. 3

Vorbemerkung. 7

1. Die Zeit, in der wir leben. 7

Die Welt wächst zusammen. 8

Die beschleunigte Wirtschaft und der Umbruch der Arbeitswelt 10

Die sozialen Fragen unserer Zeit 13

Politik im Wandel 15

2. Die Grundwerte der Sozialen Demokratie. 16

Woher wir kommen. 16

Unser Bild vom Menschen. 20

Unsere Grundwerte. 22

Die Soziale Demokratie. 26

3. Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert 27

4. Unsere Ziele, unsere Politik. 32

4.1 Eine friedliche, freie und gerechte Weltordnung. 32

Multilateralismus: Stärkung globaler und regionaler Kooperation. 35

Umfassende Sicherheitspolitik. 36

Neue Risiken. 38

Abrüstung und Nichtverbreitung. 39

Die Globalisierung  gestalten. 40

4.2 Das soziale und demokratische Europa. 43

Friedensmacht Europa. 44

Das soziale Europa. 46

Das demokratische Europa. 46

4.3 Solidarische Bürgergesellschaft und demokratischer Staat 47

Die solidarische Bürgergesellschaft 49

Der soziale Bundesstaat 50

Sicherheit in Freiheit 51

Integration und Einwanderung. 52

Öffentlichkeit und Medien. 54

Die Kultur der demokratischen Gesellschaft 54

Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. 55

4.4 Die Gleichstellung der Geschlechter 56

4.5 Neue Wertschöpfung und gute Arbeit 57

Wir erneuern die Soziale Marktwirtschaft 59

Politik für Vollbeschäftigung. 60

Zukunftsmärkte brauchen Politik. 61

Eine strategische und ökologische Industriepolitik. 63

Moderne Dienstleistungspolitik. 63

Wachstum und Stabilität 63

Solide Staatsfinanzen und öffentliche Zukunftsinvestitionen. 63

Wissen und Qualifikation als Produktivkräfte. 64

Wirtschaftliche Demokratie und soziale Teilhabe. 64

Selbstständigkeit und verantwortliches Unternehmertum.. 65

Kapital- und Finanzmärkte: Chancen nutzen, Risiken kontrollieren. 65

Wettbewerb braucht Regeln. 66

Verbraucher und Verantwortung. 67

4.6 Der Vorsorgende Sozialstaat 69

Neues Leitbild. 73

Emanzipation, Teilhabe und Sicherheit 75

Gute Arbeit: Flexibilität braucht Sicherheit 77

Gesund leben. 80

Menschenwürdige Pflege. 81

Sicher und aktiv im Alter 81

Vorsorgende Sozialpolitik in den Kommunen. 82

4.7 Bildung in der lernenden Gesellschaft 84

Bildung für alle. 85

Bildung von Anfang an. 86

Gemeinsam lernen. 87

Die berufliche Ausbildung modernisieren. 87

Das Studium und die Forschung stärken. 87

Weiterbildung in der lernenden Gesellschaft 88

4.8 Kinder und Familien stärken. 89

4.9 Nachhaltiger Fortschritt 92

Technologie und gesellschaftliche Verantwortung. 93

Ressourcensicherung, Klimaschutz und natürliche Lebensgrundlage. 93

Mobilität und Lebensqualität 96

Schutz der Natur und der Tiere. 97

Entwicklung ländlicher Räume. 97

Nachhaltige Landwirtschaft 97

5. Unser Weg. 99

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einleitung

 

Wenn nicht alle Zeichen trügen, sieht unsere Parteiführung die Zeit gekommen, die Sozialdemokratie in Deutschland auch programmatisch auf den seit Schröders Kanzlerschaft eingeschlagenen Kurs einer endgültig im Kapitalismus angekommenen und mit ihm versöhnten ehemaligen Arbeiterpartei einzuschwören.

Die Macht des scheinbar Faktischen und die Lust am Regieren haben der Partei das kritische und systemüberschreitende Denken ausgetrieben und damit zugleich das Wesen der Partei grundlegend verändert.

Das, was viele Genossinnen und Genossen befürchtend an die Wand malen, dass ihre Partei zu einem Kanzlerwahlverein herabsinken könnte, ist  längst eingetreten.

Hunderttausende haben bereits ihre Konsequenzen gezogen und die Partei verlassen.

Unter diesen Voraussetzungen wird die programmatische Besiegelung dieser Wende auf dem Hamburger Parteitag vermutlich ohne große Diskussion über die Bühne gehen. Die SPD wäre nicht die, die sie schon geworden ist, wenn sie die eigentlichen Probleme öffentlich thematisieren und diskutieren würde. So wie auch das Ergebnis der  derzeitigen Umfrage unter den Parteimitgliedern auf Grund der Fragestellungen nicht geeignet sein wird, eine Diskussion um den künftigen Kurs der Partei anzuregen. Was von den etablierten Linken zu erwarten ist, ist schwer einzuschätzen, wenn man daran denkt, dass der Bremer Entwurf einstimmig beschlossen wurde.

„Die stille Revolution unseres Parteiwesens“[1] – nämlich die Wandlung der SPD in eine Demokratische Partei amerikanischen Vorbilds, die sich als eine mit der CDU alternierende oder koalierende Regierungspartei versteht, als Wirtschaftspartei und, nach jeweiliger Kassenlage, auch als Anwalt des Sozialen – wird von den in ihr Verbliebenen klaglos hingenommen und abgenickt, weil Alternativen energisch bestritten oder diffamiert werden.

 

Diese konzeptionelle Alternativlosigkeit kommt freilich nicht von ungefähr.

Wenn man Regierungstätigkeit an sich nicht schon für einen Erfolg hält, sondern sich die wirklich erfolgreichen Ergebnisse sozialdemokratischer Politik vergegenwärtigt, kann man zu dem Urteil kommen, dass Sozialdemokraten am erfolgreichsten in der Opposition waren, die Ära Brandt ausgenommen. Alle Verbesserungen für die arbeitenden Klassen bis 1914 wurden aus der Opposition heraus erkämpft. Als die Sozialdemokratie, nicht die deutsche allein, meinte, aus patriotischer Pflicht ihre klassengebundene Parteilichkeit vernachlässigen zu müssen, führte dies in die Katastrophe des 1. Weltkrieges.

Nach dem 2. Weltkrieg gelang es den Konservativen in Verbindung mit den westlichen Alliierten durch eine Politik der „Klassenkompromisse“ in Wirtschaftsfragen, die Sozialdemokraten auf lange Zeit von Regierungsverantwortung fern zu halten. Ein virulenter Antikommunismus, der in Deutschland nicht ohne Tradition ist und durch Stalinismus und Ulbrichts Herrschaft im Osten belebt wurde, tat ein Übriges. Unter diesen Umständen musste die SPD hart um die Anerkennung ihrer „Regierungsfähigkeit“ ringen. Mit dem „Godesberger Programm“ gelang ihr dies unter Aufgabe ihrer „Klassenzugehörigkeit“ und nicht ohne innerparteiliche Konflikte.

Trotz dieses programmatischen Schwenks von einer Arbeiterpartei hin zur Volkspartei verstand sie es, die Bindungen zu den Gewerkschaften nicht aufzugeben, eher noch zu festigen. Alle die es wollten und die es nicht wollten spürten, dass es noch eine linke Partei gab, und man war in der Partei im Großen und Ganzen mit dem einverstanden, was als links definiert wurde. Das Charisma Willy Brandts zog auch die Intellektuellen der Republik in seinen Bann. So gelang es der SPD nach langen Jahren genutzter Opposition, die Gunst der Wähler für eine Regierungsbeteiligung hinreichend zu gewinnen. Die SPD hätte nicht die vielfältigen Reformen und Verbesserungen für die „einfachen Leute“ und die durchgreifende Erneuerung des geistigen Klimas in der Bundesrepublik gegen teils wütende Attacken von CDU und CSU und ihrer Hintermänner in der Wirtschaft etc... durchsetzen können, wenn sie nur „zufällig“ an die Macht gekommen wäre, wenn sie nicht über den Wahltag hinaus eine breite Zustimmung im Volk gehabt hätte.

Noch unter Brandt begann mit dem „Iseer Entwurf“ für ein neues Parteiprogramm der letzte Versuch, Ideen für eine in der Perspektive systemüberschreitende  Politik weiterzudenken. Im Berliner Programm sind davon wichtige Elemente aufgehoben.

So überraschend der Fall der Berliner Mauer und die Transformation des „kommunistischen Weltsystems“ für die europäische Sozialdemokratie kam, so überraschend war auch, in welchem Ausmaß die Ereignisse ihre theoretische Kompetenz  überforderte. Die Depression, in die die Linke allgemein fiel, war auch ein Indiz für die Illusionen, die sie geglaubt hatte sich theoretisch über das Wesen des Kapitalismus leisten zu können. Die Soziale Marktwirtschaft mit ihrer relativ friedlichen Form der Sozialpartnerschaft hatte sie einem ihrer Meinung nach gewandelten, zahm gewordenen Kapitalismus zuschreiben dürfen, ohne den externen und doch allgegenwärtigen konstanten Machtfaktor in Rechnung stellen zu müssen, der diese Wandlung maßgeblich stimulierte: die Existenz eines Systemkonkurrenten. Das Verständnis für diesen Zusammenhang dämmert nur langsam herauf, obwohl die Zeichen der Zeit nicht deutlicher sein können.

 

Die Verkennung des im Wesen gleich bleibenden Charakters der kapitalistischen Gesellschaft in den Zeiten des Godesberger Programms war in gewisser Weise aus den oben genannten Gründen in der politischen Praxis unschädlich. Aber nach dem Zusammenbruch dieser wie auch immer zu bewertenden Systemalternative wird ein weiteres Verharren in selbst verordneter theoretischer Abstinenz für die Sozialdemokratie und nicht zuletzt für die Gesellschaft insgesamt zum Verhängnis werden. Da hilft auch wenig der nassforsche Slogan: „Revisionisten aller Landesverbände und Bezirke, vereinigt Euch!“[2].

 

Der „Bremer Entwurf“ eines neuen Grundsatzprogramms gibt nun die Gelegenheit, sich mit dem Ideen- und Gedankenvorrat der Verfechter des neuen Programms auseinander zu setzen. Entgegen dem klugen Rat von Peter Glotz, dass die SPD kein neues Programm braucht, wenn sie die Wahl 2005 gewinnt, haben wir es nun mit einem solchen zu tun (wir haben die Wahl zwar nicht gewonnen, sitzen mit unseren Ministerinnen und Ministern aber so gut wie gleichberechtigt in der Regierung). Seine Begründung war plausibel, wenn auch zynisch: „Wer Wahlen gewinnt, muss seine Siege nicht philosophisch begründen. Die Siege sprechen für sich selbst.“[3] Auch ihm passte das „Berliner Programm“ nicht in den Kram, aber er meinte: „Es spricht also alles dafür, dass sich die SPD mit einem neuen Programm Zeit lassen sollte und erst einmal in der eigenen Organisation die – längst vorliegenden – Analysen der neuen Lage diskutiert…“ (Von einer solchen Diskussion, die innerhalb der Partei hätte wahrgenommen werden müssen, kann keine Rede sein. Einige Foren zu bestimmten Themen, die in Berlin werktags um 10.00 Uhr stattfanden, in entsprechend exklusivem Kreis, downloadbare Impulspapiere und Referate haben die Basis kaum erreicht und können kein Ersatz für eine lebendige Diskussion in der Partei sein.)

Es ist nun auch genau das eingetreten, wovor Glotz gewarnt hatte: „Staatssekretäre, die im Auftrag ihrer Ministerinnen und Minister Spiegelstriche für einen Programmentwurf fertigen lassen, sind ein Albtraum.“[4]

 

Dieser „Albtraum“ beherrscht durchgängig den gesamten „Entwurf“: er ist aus der Sicht von Ministerial- und Parteibürokratie geschrieben, trägt den Charakter eines (verquasten) Regierungsprogramms und ist von der Intention bestimmt, die Politik seit Schröder zu rechtfertigen und verschärft fortzuschreiben.

Diesem Umstand ist natürlich geschuldet, dass der Umfang des „Entwurfs“ jedes vernünftige Maß überschreitet, und dass „Grundsätzliches“ so gut wie nicht erkennbar wird. Wo „Grundsätzliches“ berührt wird, wird der Versuch ersichtlich, es neu zu interpretieren und umzuschreiben.

Die Sprache (unabhängig davon, dass verschiedene Handschriften erkennbar sind), trägt tiefe Spuren des Widerspruchs der zu leistenden Aufgabe: möglichst geräuschlos den Abschied von wichtigen Grundsteinen der eigenen Identität zu vollziehen, und doch zu versichern, man bleibe dieselbe Partei. Der Text flüchtet sich in falsches Pathos, Pseudologik, Plattheiten, Geschichtsklitterung, Belehrungen und in schlicht Überflüssiges im Überfluss!

Im Gegensatz zu P. Glotz kommt (Genosse) K. Harpprecht zu folgender Prognose: „Die Programmkommission, die nun unter Leitung des gescheiten, freilich traditionalistisch verankerten Wolfgang Thierse tagt, müsste zunächst vor allem die Makulatur des Berliner Programms der peinlichen Ära Lafontaine beiseite räumen: Die große Reform kann sie sich nicht leisten. Noch nicht. Soll sie weiter werkeln. Ihr intellektuelles Training und ihre moralischen Exerzitien können keinen Schaden anrichten.“ Das erste ist gründlich gelungen! Die „große Reform“ in Richtung „Demokratischer Partei“ leistet sie sich in der Tat noch nicht! Was es mit dem intellektuellen Training auf sich hat, liegt vor aller Augen!

 

Wenn eine Prognose erlaubt ist, der man einen bescheidenen Anspruch auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit wird zubilligen müssen, dann die: Die Halbwertzeit eines neuen Grundsatzprogramms auf der Basis dieses Entwurfs wird die des „Berliner Programms“ weit unterbieten. Es wird an dem Tag, an dem sich die SPD in der Opposition wiederfindet, offensichtlich werden, dass es für den nächste Tag nicht mehr taugt und auch mit einer „großen Reform“ (und das bleibt zu hoffen) kein Blumentopf mehr in Deutschland zu gewinnen ist. Dann wird darüber zu befinden sein, ob und welchen Schaden die werkelnden Genossen angerichtet haben!

 

Im Folgenden handelt es sich vorwiegend um am Text sich abarbeitende Kritik. Sie hat nicht den Anspruch, als Grundlage für eine Verbesserung dieses Entwurfs zu dienen. Man könnte sie aber, wie die vielen anderen Äußerungen von Unbehagen in der Partei, zum Anlass für die Erarbeitung eines neuen Entwurfs nehmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorbemerkung

 

Hervorhebungen (Fett, Kursiv und Unterstrichen) im Originaltext

(Times New Roman), außer in den Überschriften, sind Bestandteil der Kritik (Courier New).

 

 

1. Die Zeit, in der wir leben

 

Das 21. Jahrhundert ist das erste wirklich globale Jahrhundert.

 

Der erste Satz ist nicht mehr als eine Phrase, aber geeignet, auf den Grundton der Ausrichtung des neuen Grundsatzprogramms einzustimmen, und das Stichwort zu geben.

 

Nie zuvor waren die Menschen weltweit so sehr aufeinander angewiesen. 

 

Man kann mit der gleichen Berechtigung behaupten: nie zuvor waren Menschen weltweit so wenig aufeinander angewiesen... Ohne Konkretisierung bleiben solche Sätze beliebig, leere Dramatisierung.

 

Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Glück der Deutschen Einheit wurden die Zweiteilung unseres Landes und die politische Spaltung der Welt überwunden.

 

Weder durch den Zusammenbruch des Kommunismus noch durch das Glück der deutschen Einheit, wurde die politische Spaltung der Welt überwunden. Es wurde die Spaltung der Welt in machtpolitische Einflusssphären zweier unterschiedlicher Gesellschaftsmodelle aufgehoben. Andere Spaltungen der Welt werden dafür heute deutlicher sichtbar.

 

Seither erleben wir den tiefsten geschichtlichen Umbruch seit der industriellen Revolution - politisch und wirtschaftlich, sozial und kulturell. Wissenschaft und Technik treiben den Wandel voran.

 

Die Dramatisierung mit leeren Begriffen wie Umbruch und Wandel wird fortgesetzt.

                  

Die Zukunft verheißt große Chancen und birgt zugleich Gefahren.

 

Jede Zukunft  birgt Chancen und Gefahren in sich. Um darüber zu belehren, braucht man kein neues Grundsatzprogramm!

 

Digitalisierte Medien und andere technologische Entwicklungen haben die Bedeutung von Raum und Zeit revolutioniert. Immer mehr Menschen können via Internet in Sekundenbruchteilen überall auf der Welt miteinander kommunizieren. Informationen und Wissen sind an fast jedem Ort der Erde per Knopfdruck verfügbar. So entsteht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine globale Wirtschaft mit einer weltweiten Arbeitsteilung.

 

Was hier angesprochen wird, verrät seine politische Bedeutung erst bei entsprechender Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsteilung erfährt ihre politisch relevante Dramatik nicht durch den Fakt der technischen Voraussetzungen moderner Globalisierung, sondern dadurch, dass Globalisierung, neoliberal, sich bestens als Vehikel imperialer Ambitionen eignet, die dann die systemimmanenten Widersprüche des Kapitalismus weiter verschärfen.

 

Die Welt wächst zusammen

 

Die Globalisierung schafft Wachstum und Zukunftsperspektiven für die Menschen in reichen und armen Ländern. Und sie bietet die konkrete Chance, Krieg und Hunger, Krankheit und Armut zu überwinden. Noch leben Menschen in vielen Teilen der Welt in bitterer Not. Aber in China, Indien und vielen anderen Schwellenländer sind eine dynamische Entwicklung und zunehmender Wohlstand zu beobachten.

 

Zukunftsperspektiven und Chancen sind von Globalisierung an sich gerade nicht zu erwarten, da es Globalisierung immer nur unter konkreten Bedingungen gibt! Was erwarten wir von der Zukunft, wo wir doch augenscheinlich schon nicht in der Lage sind, die Chancen der Gegenwart zu nutzen?

 

Der wachsende Welthandel bringt unzähligen Menschen lang ersehnte Arbeit in neu entstehenden Fabriken und Labors.

 

... lang ersehnte Arbeit: hierzu gehören u. a. zig Millionen hinter den Mauern von  steuer- und gewerkschaftsfreien Wirtschaftszonen verborgene Arbeitsplätze moderner Lohnsklaverei und die dementsprechend von ihren Arbeitsplätzen befreiten Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter in den so genannten reichen Industrienationen.

 

Der globalisierte Kapitalismus darf jedoch nicht sich selbst überlassen werden. Er lässt alte Ungerechtigkeiten bestehen und schafft darüber hinaus neue Bedrohungen für Freiheit und Gerechtigkeit, Gesundheit und Leben.

 

Werden wir ihn in die Schranken weisen?

 

Die Lebensbedürfnisse von sechs Milliarden Menschen, davon immer mehr in industriellen Gesellschaften, drohen die ökologische Belastbarkeit der Erde deutlich zu überschreiten.

 

Sind es wirklich die Lebensbedürfnisse(!) von sechs Milliarden Menschen die den ökologischen Ruin der Erde heraufbeschwören? Bald sind es neun Milliarden! Es ist die vom System erzwungene Lebensweise!

 

Ein wachsender Teil der Weltbevölkerung leidet an den Folgen der Erwärmung der Erdatmosphäre, unter Wüstenbildung und Wasserknappheit. Menschen aus Regionen, in denen ökologische Bedingungen zu Hunger führen, wandern in weniger gefährdete Teile der Welt.

 

ökologische Bedingungen: führen auch zu Hunger und Flucht; die entscheidenden Bedingungen sind aber die sozialen und die politischen!

 

[…]

 

Das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenwachsen der Welt bringt das politische System der Nationalstaaten unter erheblichen Veränderungsdruck.

 

Anonymisierte Macht des wirtschaftlichen, sozialen(!) und kulturellen(!) Zusammenwachsens – leere Phrase zur weiteren Skizzierung des „ersten wirklich globalen Jahrhunderts“!

 

Die wirtschaftliche Macht konzentriert sich in global agierenden Unternehmen. Investitionsentscheidungen werden im weltweiten Maßstab getroffen. Multinationale Konzerne planen ihre Gewinnstrategien weltweit, unterlaufen demokratische Aufsicht und Regulierung und erzwingen politische Entscheidungen auf Kosten der Gesellschaft. Zentrale Entwicklungen lassen sich nur noch mit gemeinsamen Entscheidungen vieler Staaten beeinflussen. Europa ist auf diesem Weg weit fortgeschritten.

 

Konzerne... erzwingen: die Rolle der Politik wird verharmlost, da bekanntlich sie die Rahmenbedingungen zu setzen hat.  Auch wenn Bestechung, Erpressung oder simple Einfalt im Spiel sind, Politik kann nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Was die Sozialdemokratie diesem beklagten Zwang entgegenzusetzen hat, wird ausgespart!

 

Nach zwei mörderischen Weltkriegen und dem Holocaust haben die Völker Europas einen Kontinent des Friedens und der offenen Grenzen geschaffen. Die friedlichen Revolutionen von 1989 haben die Spaltung Europas in Ost und West überwunden. Die Deutsche Einheit hat Freiheit und Demokratie für unser ganzes Land gebracht. Auch wirtschaftlich ist die Entwicklung der neuen Bundesländer dank der Anstrengungen der Menschen in Ostdeutschland und der Solidarität zwischen West und Ost vorangekommen.

 

Menschen in Ostdeutschland: Hat man erwartet, dass sie nur friedliche Revolution machen können?

 

Nicht nur in Deutschland, fast überall in Europa genießen die Menschen Wohlstand und Lebensqualität wie nie zuvor.

 

Es ist unwahr, dass die Menschen in Deutschland Lebensqualität und Wohlstand wie nie zuvor genießen. Die Statistiken sagen anderes aus. Die Schere zwischen Ost und West geht weiter kontinuierlich auseinander. In den letzten fünf Jahren stagnierte die Summe der Arbeitnehmerentgelte in ganz Deutschland bei gleichzeitiger Steigerung der Summe der Unternehmensgewinne um knapp 30 Prozent und die Kinderarmut  hat sich dank sozialdemokratischer Reformen (Hartz IV) verdoppelt, wobei der Osten (für den es Kinderarmut bis dahin überhaupt nicht gab und die deshalb auch nicht gezählt wurde) überproportional betroffen ist (www.paritaet.org/ unter: Aktuelles – Pressemeldungen).

[…]

Unser Europa ist nicht nur eine Friedensmacht, sondern auch ein zukunftsfähiges Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell. 

 

Unser Europa: Die Zukunftsfähigkeit des Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells der EU sollte von einer sozialdemokratischen Partei nicht als erwiesen betrachtet werden, sondern auch in ihrem Grundsatzprogramm hinterfragt werden.

 

Das vereinte Europa ist das erste erfolgreiche Projekt, bei dem Nationalstaaten ihre Interessen bündeln und freiwillig auf zentrale Souveränitätsrechte verzichtet haben, um gemeinsam zu handeln. Darum schauen so viele Regionen der Welt mit Interesse und Bewunderung auf Europa.

 

Bewunderung: wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Staunen über den bei uns sichtbaren (unermesslichen) gesellschaftlichen Wohlstand keineswegs automatisch einhergeht mit einer Bewunderung unserer Lebensweise und Kultur, zumal sich die politische und soziale Gestaltung der EU noch in einem Stadium permanenten Experimentierens befindet.

 

Die beschleunigte Wirtschaft und der Umbruch der Arbeitswelt

 

Deutschland gehört zu den Gewinnern der Globalisierung.

 

Wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer – hier sind die Konkurrenten Deutschlands gemeint, vielleicht gerade aus jenen Regionen, die mit „Interesse und Bewunderung“ auf uns schauen. Das sollte uns zu denken geben. Der ganze Absatz (bis Aber) spiegelt das Selbstgefühl der deutschen Außenwirtschaft. Wir dürfen es nicht zu unserem machen!

 

Drei Milliarden neue Teilnehmer an der Weltwirtschaft sind nicht nur drei Milliarden mögliche Konkurrenten um Arbeitsplätze, sondern auch drei Milliarden neue Konsumenten. Die deutsche Wirtschaft hat dank großer Wettbewerbsvorteile vor allem in der Industrie riesige Chancen. Schon in den vergangenen Jahrzehnten haben wir unseren Wohlstand auf dem Freihandel mit anderen Nationen gegründet. Den Großteil unserer Exportwaren liefern wir in die Staaten der Europäischen Union und nach Nordamerika. Unsere Ausfuhren nach Osteuropa haben einen wachsenden Anteil. Russland, China und Indien sind für uns noch kaum erschlossene Zukunftsmärkte.

Aber nicht jeder Mensch in unserem Land hat gewonnen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erleben, wie selbst florierende Unternehmen verlagert werden. Anonyme Fondsmanager kaufen und verkaufen Firmen wie Händler ihre Ware auf dem Großmarkt – nicht immer zum Wohle dieser Firmen, ihrer Belegschaften und ihrer Lieferanten und Kunden. Dem Finanzkapital erschließen sich durch die Integration neuer Märkte und neuer Technologien immense Renditemöglichkeiten. Die Logik des schnellen Profits  und überzogener Renditeforderungen führt allzu oft dazu, dass langfristige Investitionen in neue Arbeitsplätze ausbleiben. Diese Form der Globalisierung droht die Gesellschaft zu spalten: In jene, die mit ihrem Vermögen auf den Finanzmärkten profitieren und jene, die die Folgekosten zu tragen haben.

 

Aber...: Benannt werden anonyme Fondsmanager, das Finanzkapital und die Logik des schnellen Profits als die dunklen Mächte, die so gar nicht zu unserem zukunftsfähigen Gesellschafts- und Wirtschaftssystem passen wollen!

 

Der Fortschritt durch technische Innovationen ersetzt schwere körperliche Arbeit und ermöglicht Chancen für einen neuen Wohlstand. In der Medizin können wir Krankheiten besiegen, die früher als unheilbar galten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen steigt beständig an. Neue Produkte, Verfahren und Methoden helfen, kostbare Rohstoffe und Energie zu sparen.

 

Was ist neu an dem Wohlstand, den technischer Fortschritt ermöglicht? Soll gesagt werden, dass dem Wohlstandsbürger durch den technischen Fortschritt ermöglicht wird, die Chance zu bekommen, ein Auto mit technischen Innovationen zu fahren?  

Auch hier haben Sozialdemokraten nicht die Pflicht, ein Loblied auf den Fortschritt durch Innovation zu singen, sondern wir müssen fragen: was ist für wen gut, denn Fortschritt birgt ebenso „die Chance“ in sich, den Wahnsinn des Rüstungswettlaufs zu beflügeln und durch die Vergeudung von Mitteln neue Armut zu stiften!

 

Unsere Arbeitsgesellschaft befindet sich in einem tief greifenden Wandel. Der Wettbewerb wird unter den Bedingungen der Globalisierung schärfer, das Tempo der Innovationen steigt und die Vielfalt der Beschäftigungsformen nimmt zu. Qualifikation und Wissen werden immer wichtiger. Neue kreative Berufe entstehen. Das traditionelle Normalarbeitsverhältnis – unbefristet und mit geregelten Arbeitszeiten – verliert an Bedeutung. Das Arbeitsleben vieler Menschen ist von einem Wechsel zwischen abhängiger Beschäftigung, Nichterwerbstätigkeit, Phasen der Familienarbeit und Selbständigkeit bestimmt. Der Wandel der Arbeitsgesellschaft ist gestaltbar. Aber der Sozialstaat ist auf die neuen Formen der Arbeit noch nicht genügend eingestellt.

 

Arbeitsgesellschaft: Wovon hier eigentlich gesprochen wird, ist die Arbeitswelt. Von Arbeitsgesellschaft zu sprechen hat nur Sinn im modernen Diskurs, der das Ende der Arbeitsgesellschaft, d. h. von einer Gesellschaft prognostiziert, die vorwiegend auf Erwerbsarbeit gegründet ist. Diesen Diskurs sollte die Sozialdemokratie nicht opportunistisch befördern.

 

Wandel im gesellschaftlichen Bereich ist immer ein gestalteter, wenn dies auch nicht bewusst von allen wahrgenommen wird. Politiker (nicht „der Sozialstaat“), „verschlafen“  mitunter Entwicklungen, die sie dann als schicksalhaft darstellen – auch wenn sie nur beide Augen zugedrückt haben.

 

In der eng verflochtenen Welt des 21. Jahrhunderts haben viel mehr Menschen und Ereignisse direkten Einfluss auf unser Leben – selbst wenn sie nach unserem gewohnten Verständnis weit entfernt sind. Darum erscheint uns die Welt immer schneller, komplexer und unübersichtlicher. Wenn Milliarden Menschen in Rekordgeschwindigkeit miteinander kommunizieren, wächst nicht nur das Stimmengewirr, sondern auch die Schwierigkeit, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.

 

Ein falsches Bild! Milliarden Menschen kommunizieren nicht miteinander, schon gar nicht in Rekordgeschwindigkeit Da Menschen gesellige Wesen sind, kommunizieren sie mit anderen. Die Anzahl der Menschen, die gleichzeitig miteinander sinnvoll kommunizieren können ist begrenzt. In einer größeren Menge beginnen Menschen untereinander zu kommunizieren. Das virtuelle Stimmengewirr von Milliarden untereinander Kommunizierender, das man poetisch im Äther ansiedeln könnte, ist nicht hörbar, und muss den Einzelnen nicht am Denken hindern. Was helfen könnte, wären neue Lehrfächer  in  geistiger  Diätetik  und  Hygiene, um sich   

u. a. Medien-, Bildungs- und Wissensmülls effizient erwehren zu können.

 

Viele fühlen sich vom schnellen Takt der Zeit und von den neuen Möglichkeiten überfordert. Sie fürchten, abgehängt und von der Politik vernachlässigt oder gar vergessen zu werden. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Menschen mit geringer Qualifikation werden überdurchschnittlich oft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Auch Frauen haben trotz bester Bildungsabschlüsse immer noch keinen fairen Zugang zum beruflichen Aufstieg und häufig auch nicht zu Existenz sichernder Erwerbsarbeit. Wer Arbeit hat, sieht seine Lebensqualität häufig durch steigenden Druck, mehr Konkurrenz und das Verlangen nach permanenter Verfügbarkeit bedroht.

 

Alles irgendwie richtig; nur ist dies zu erzählen zu wenig für ein Grundsatzprogramm. Die Arbeitslosenstatistiken zeigen, dass die Furcht nur zu berechtigt ist!

 

Lebensqualität ist für die Menschen in Europa mehr als die Jagd nach Wohlstand. Die Menschen streben nach intakten Gemeinschaften, in denen es friedlich, gerecht und solidarisch zugeht, in denen die Geschlechter gleiche Chancen und gleiche Rechte haben. Mit dem Sinn des Lebens verbinden die meisten den Wunsch, Anerkennung zu finden und gebraucht zu werden – nicht nur im Beruf. Sie wollen sich Zeit nehmen, um Beziehungen zu ihrer Familie, zu ihren Kindern und Freunden zu pflegen. Ein Leben ausschließlich nach der Stoppuhr, nach dem Rhythmus der neuen Verhältnisse, steht dazu im Widerspruch.

 

Richtige Kritik an unserem „zukunftsfähigen“ Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, die aber nicht zur Aussage passt: „fast überall in Europa genießen die Menschen Wohlstand und Lebensqualität wie nie zuvor“. Dass Lebensqualität  für Menschen in Europa etwas anderes sei als andernorts, grenzt an eurozentrische und zynische Überhebung. (Nebenbei: der Satz liegt gänzlich daneben, da nirgendwo auf der Welt Jagd nach Wohlstand als Lebensqualität aufgefasst wird.)

 

Wir glauben, dass die soziale Kraft einer Gesellschaft mindestens genauso viel wiegt wie andere Standortvorteile.

 

Wir erweisen sozialer Kraft (was immer das sein soll) keine Referenz, wenn wir sie als Standortfaktor/-vorteil deklarieren. Sozialdemokraten sollten es nicht nötig haben, bei positiv zu Würdigendem ständig zuerst nach dessen Nutzen für die Wirtschaft zu schielen. Im Übrigen ist dieses Argumentieren hier aus Sicht der Wirtschaft völlig fehl am Platz, denn die Arbeitsplätze werden genau dorthin verlagert, wo die soziale Kraft in der Gesellschaft die geringste Rolle spielt und wo Soziales möglichst der Privatsphäre der einzelnen Vereinzelten überlassen wird.

 

Die sozialen Fragen unserer Zeit

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Sozialdemokratie, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik große Fortschritte erstritten. Niemals zuvor konnten so viele Menschen am kulturellen und sozialen Leben teilnehmen. Und die soziale Absicherung hat ein hohes Niveau erreicht. Einige dieser Erfolge sind jedoch gefährdet. Der Abstand zwischen Armen und Reichen vergrößert sich wieder. Und Menschen mit geringen Qualifikationen oder mit besonderen Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, drohen von den Chancen der Zukunft abgekoppelt zu werden.

 

Das Niveau der sozialen Absicherung ist nicht nur gefährdet, sondern wird kontinuierlich abgesenkt. Viele Menschen, nicht nur niedrig qualifizierte, finden keinen Arbeitsplatz.

Abkoppelung: von den Chancen der Zukunft droht nicht, sondern sie findet real statt!

 

Die Erfüllung des Versprechens, durch Arbeit für sein eigenes Leben zu sorgen, erscheint vielen gefährdet.

 

Existenz sichernde Arbeit ist ein von unserer Verfassung immer noch nicht anerkanntes und ausstehendes Menschenrecht und nicht etwas, das man nach Belieben versprechen könnte. Dieses Menschenrecht wird allen Arbeitslosen und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen verweigert.

 

Dies betrifft besonders viele Menschen in den neuen Bundesländern. Die meisten Einwandererfamilien oder allein erziehende Mütter und Väter kämpfen hart für ihren Lebensunterhalt und für eine gute Entwicklung ihrer Kinder. Aber manche leben schon in dritter Generation von Sozialtransfers. Armut vererbt sich häufig, weil viel zu viele Eltern keine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben und Kinder nicht ausreichend gefördert werden. Die Chancen auf eine gute Bildung hängen in Deutschland stärker als anderswo von der Herkunft der Eltern ab. Die Leiter zum sozialen Aufstieg ist für viele nicht aufgestellt.

 

Leiter: Um im Bild zu bleiben - sie werden für den Abstieg benötigt!

 

Chancengleichheit gründet sich im heraufziehenden Wissenszeitalter noch stärker als früher auf eine gute Bildung. Dies ist der Schlüssel für eine berufliche Karriere und für ein selbst bestimmtes Leben. Wissen und Kompetenzen müssen früh erworben und später immer wieder aufgefrischt werden – im Kindergarten, in der Schule und in späteren Lebensabschnitten. Eine erstklassige Bildung für alle wird zur Grundlage, um gesellschaftliche Spaltungen zu verhindern und Armut zu überwinden.

 

Chancengleichheit: (einer der neuen Lieblingsbegriffe der „politisch Modernen“)  wird im Horizont eines heraufziehenden Wissenszeitalter abgehandelt, wobei mit heraufziehend an ein Naturereignis erinnert und zugleich an Vorsorge gemahnt wird: Eigenverantwortung!

Die wichtigste Voraussetzung  für  realistische Chancengleichheit z.  B. auf dem Arbeitsmarkt besteht darin, dass es für jeden Arbeitswilligen einen Arbeitsplatz real auch gibt. Von Chancengleichheit zu sprechen, wenn hundert Arbeitssuchenden die Möglichkeit gegeben wird, sich auf nur einen vorhandenen Arbeitsplatz zu bewerben, wäre zynisch.

 

 

[...] In vielen Teilen der Welt, auch in Deutschland, leben die Menschen länger. Seit den 60er Jahren ist die Lebenserwartung bei uns um zehn Jahre gestiegen. Das ist ein großes Geschenk: Viele haben die Chance, auch nach der Erwerbstätigkeit noch einen ausgedehnten Lebensabschnitt zu genießen. Der demografische Wandel verlangt aber auch ein neues Bild des Alters. Die ältere Generation wird für die aktive Gestaltung der Gesellschaft künftig stärker gebraucht. Auch die familiären Strukturen verändern sich. Kinder und Enkelkinder leben nicht unbedingt dort, wo ihre Eltern und Großeltern leben, die Zahl der Singlehaushalte - auch bei Älteren - steigt. Mehr Menschen werden im hohen Alter auf die Hilfe der Gesellschaft angewiesen sein.

 

demografischer Wandel: Dient vorzugsweise der Dämonisierung von letztlich nicht exakt zu prognostizierender Bevölkerungsentwicklung und zum argumentativen Durchpeitschen von „Reformen“. Es wäre sozialdemokratische Aufgabe, das Phänomen des demografischen Wandels nüchtern zu hinterfragen und den Begriff nicht unkritisch zur Grundlage eigener Politik zu machen.   

 

Gleichzeitig erfüllen sich immer weniger junge Männer und Frauen ihren Kinderwunsch. Dies führt zu drastischen Veränderungen in allen Bereichen des Alltagslebens, von der Arbeitswelt über die Sozialsysteme bis zur Leistungsfähigkeit ganzer Regionen. Abwanderung junger Menschen, Rückgang der Bevölkerung und Alterung ganzer Regionen sind bisweilen schmerzhafte Prozesse. Der schnelle demografische Wandel ist nicht nur in Ostdeutschland Realität. Keine Region aufzugeben heißt, Menschen vor Ort dabei zu unterstützen, ihre Heimat lebenswert zu gestalten.

 

Keine Region aufzugeben: ist Forderung des Grundgesetzes und Staatsaufgabe!

Heimat lebenswert zu gestalten reicht da nicht aus!

Lebenswert“ erfreut sich in politischen Reden und Texten großer Beliebtheit. Obwohl stets falsch gebraucht, dient doch der Ausdruck dazu, Erfreuliches zu vermitteln, und dabei offen zu lassen, was konkret zu leisten oder zu fordern wäre. (Ein Auto ist nicht lebenswert und wird es auch nicht durch besondere Gestaltung, ebenso nicht Haus oder Heimat.)

 

Religionen und Kulturen sind zunehmend weltweit verbreitet und vernetzt. Die Menschen finden heute an fast allen Orten der Welt Angehörige ihrer Kultur, Waren aus ihrer Heimat und Medien, mit denen sie den Kontakt zu ihren Herkunftsländern lebendig halten. Und in ihren Heimatländern begegnen sie Angehörigen anderer Kulturen.  Besonders wo soziale Gegensätze aufeinanderprallen, kann das Nebeneinander von unterschiedlichen Kulturen sowie mangelndes Verständnis für das Fremde zu Misstrauen und Konflikten führen. Ein friedliches Miteinander erfordert mehr Wissen über andere Traditionen, Kooperationsbereitschaft und gegenseitigen Respekt. Keine Religion und Kultur darf Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Interessen propagieren.

 

heute: Das Problem des Miteinanders von verschiedenen Religionen und Kulturen ist nicht neu und wird auch durch die Globalisierung nicht wesentlich verändert. Es gab in vergangenen Weltreichen Zeiten großer religiöser und kultureller Toleranz. Aber auch damit verhält es sich wie mit allen kulturellen Werten, die dem gesellschaftlichen und individuellen Leben der Menschen erst das Prädikat human verleihen: sie müssen permanent gepflegt werden, da sie jederzeit durch Zuspitzungen sozialer Ungerechtigkeiten und durch die abgründigen Seiten menschlichen Verhaltens gefährdet sind!

 

Unsere Städte und Gemeinden sind durch wirtschaftlichen und technologischen Wandel, demografische Entwicklung und soziale Integrationsaufgaben besonders gefordert. Zugleich nehmen die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu. Angesichts der Globalisierung wächst die Bedeutung der Kommunen als Orte, in denen Menschen Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit erfahren.

 

Globalisierung: wenn die Kommunen nicht genau an dem scheitern sollen, was ihnen laut Aussage wachsendes Gewicht verleiht, nämlich an der Globalisierung, dann müssen sie auch an politischer Macht gewinnen, und es muss die Einsicht wachsen, dass Kommunen entsprechend finanziell auszustatten sind und nicht durch Steuerreformpolitik usw. finanzieller Austrocknung überlassen werden.

 

Politik im Wandel

 

Im 21. Jahrhundert haben sich die Bedingungen für politische Institutionen und Parteien verändert. Ihre Gestaltungsmacht ist infrage gestellt, weil Grenzen an Bedeutung verloren haben. Wo sich die unterschiedlichsten Lebensstile herausbilden und immer mehr Akteure Einfluss nehmen, lösen sich viele Menschen von traditionellen Parteibindungen. Weil die demokratischen Parteien auf die gesellschaftliche Gestaltung durch Gesetzgebung zielen, unterscheiden sie sich von anderen Organisationen politischer Mitwirkung. Dieses ist ihre unverwechselbare wie unverzichtbare demokratische Legitimation und Verantwortung. Das bleibt so, auch wenn die Parteien an Vertrauen und Ansehen eingebüßt haben.

 

Im  21. Jahrhundert: Das Jahrhundert hat gerade erst angefangen, und schon wird gesprochen als habe man es bereits durchlebt!

an Vertrauen... eingebüßt: Es gilt, Versagen und Selbstentmachtung der Politik zu benennen, da solche Selbstkritik erst zu Hoffnung auf Wiedererlangung breiter politischer Akzeptanz berechtigte. Die Selbstinszenierung als Opfer von sich verändernden Verhältnissen ist das Letzte, womit Politiker sich empfehlen können.

 

Vertrauen und Ansehen müssen und können immer wieder neu gewonnen werden, in dem wir überzeugende Handlungskonzepte entwickeln. Denn wir erleben kein unpolitisches Zeitalter. Die Sehnsucht der Menschen nach politischer Orientierung ist groß. Menschen wollen mitgestalten und an einer verständlichen Politik teilhaben. Viele engagieren sich in Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen, Interessengruppen, oft weltweit vernetzt. Für die politische Beteiligung sind die Möglichkeiten der neuen Medien eine große Chance: Noch nie konnten so viele Menschen ihre politische Meinung vernehmbar äußern und am politischen Gestaltungsprozess aktiv teilhaben.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind überzeugt: Wir haben es selbst in der Hand, die Zukunft friedlich, gerecht und solidarisch zu gestalten. Dazu brauchen wir eine klare, immer wieder erneuerte Analyse der Zeit.

 

Zukunft gestalten: Was dafür zu tun hier zaghaft angedeutet wird, verweigert dieser Entwurf! Hier wäre der Ort für eine klare und erneuerte kritische Analyse sowohl unserer Geschichte als auch unserer realen Politik. Hier wäre der Ort für überzeugende Grundsätze und Handlungskonzepte auf der Grundlage dieser Analysen!  

 

[...]

 

2. Die Grundwerte der Sozialen Demokratie

Woher wir kommen

 

Die deutsche Sozialdemokratie war immer Teil einer großen internationalen Bewegung. Von Anfang an war es unser Ziel, eine gemeinsame Politik in Europa und der Welt zu verwirklichen.

 

Die eine große Bewegung war die Arbeiterbewegung. Es ist nur logisch, dass eine große internationale Bewegung ein gemeinsames Ziel hat und dafür gemeinsam Politik macht! Symptomatisch ist, das Programmatische des Ziels hinter der Betonung der Gemeinsamkeit verschwinden zu lassen. So wird woher wir kommen gerade hier verschwiegen.

 

 

In unserer Zeit wachsen das dafür nötige Wissen, die Einsicht und die Möglichkeiten.

 

...das dafür nötige Wissen: für gemeinsame sozialdemokratische Politik in Europa oder für gemeinsam von europäischen Staaten zu verwirklichende sozialdemokratische Europapolitik?

 

In unserer Zeit...: Distanzierung von der eigenen Vergangenheit und indirekt der Anspruch, über das wachsende Wissen, die bessere Einsicht und die Strategie zur Nutzung der neuen Möglichkeiten schon zu verfügen. Es ist der Anspruch, an dem das neue Grundsatzprogramm sich messen lassen muss!

 

Nicht erst das Berliner Programm von 1989 hat unseren Blick auf die Dimension einer zusammenwachsenden Welt gerichtet, auf Frieden und Gerechtigkeit und das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, die die Grundlagen der menschlichen Zivilisation sichert und bewahrt.

 

Nicht erst das Berliner Programm...: Der Satz ist als solcher unverständlich, weil man sich nach Sinn und Motivation fragen muss, da er sinnlos und unmotiviert erscheint und unlogisch in sich ist. In der Tat, das internationale Moment, gibt es in allen bisherigen Programmen. Ebenfalls stimmt es und wird keinen wundern, dass Sozialdemokraten schon immer einen Blick auf Frieden und Gerechtigkeit gerichtet haben (allerdings nie so undifferenziert wie heute).

nachhaltige Entwicklung: wurde im Berliner Programm wohl erstmalig so explizit gefordert, wenn auch noch nicht in Leitbildmanier. Irgendwie spricht hier ein unausgegorenes Ressentiment gegen das Berliner Programm, das ja irgendwo einmal erwähnt werden muss. Gleichzeitig wird gesagt, dass wir schon vor jenem Programm nicht von gestern sondern von morgen waren, und wir auf jenes Programm getrost verzichten können. Es wird aber nicht bedacht, dass diesem Ressentiment die Überzeugungskraft fehlt, zu begründen, warum an einem neuen Programm gearbeitet werden muss, wird doch gerade noch behauptet, die neu eingebrachten Begriffe Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und Dimension einer zusammenwachsenden Welt seien im Grunde alte Hüte.

 

Dimension einer zusammenwachsenden Welt: Vermutlich gemeint ist das Ausmaß der Probleme einer zusammenwachsenden Welt, da sich die Dimension(?) der Welt kaum ändern lassen wird.

 

 

Wir arbeiten weiter am Projekt des gemeinsamen Europa, das 1925 im Heidelberger Programm eine Vision war und nun vollendet werden kann.

 

Dieses Projekt wurde nicht als Vision gesehen, sondern als pragmatischer Schritt. Nur einmal findet Europa in diesem Zusammenhang im Heidelberger Programm Erwähnung, und zwar im zweiten Teil, dem Aktionsprogramm, unter dem Punkt „Internationale Politik“: „Als Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Internationale kämpft die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in gemeinsamen Aktionen mit den Arbeitern aller Länder(...)  für die Verwirklichung des Sozialismus.

(...)Sie tritt ein für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa(...)“

 

Seit ihren Anfängen  betrachtet sich die deutsche Sozialdemokratie als Teil einer Freiheitsbewegung, die in allen modernen Gesellschaften für mehr Demokratie und Gerechtigkeit eintritt.

 

Die große internationale Bewegung (s. o.) wird jetzt näher, aber immer noch ausgesprochen unpräzise, als Freiheitsbewegung definiert.  Wie auch die Inanspruchnahme des Heidelberger Programms, dient dies der Behauptung, jetzige und zukünftige Politik der SPD stünden in der Kontinuität ihrer besten Traditionen.

Gleichzeitig wird durch die Einschränkung des Bezugs auf moderne Gesellschaften wie nebenbei die Distanzierung und Disqualifizierung von Freiheitsbewegungen in anderen „Regionen“ mitgeliefert (z. B. in Mittel- und Südamerika, über die sich der Entwurf ausschweigt).

 

Wir sind stolz darauf, niemals Krieg, Unterdrückung oder Diktatur über unser Volk gebracht zu haben.

 

Das ist einer der wenigen aus dem Berliner Programm übernommenen Sätze. Es sollte überdacht werden, ob ein Stolz über unterlassene Verbrechen für eine Sozialdemokratische Partei schmeichelhaft ist! Im Berliner Programm machte das allenfalls noch Sinn, da vorher ausführlich auch Fehler, Schwächen und Versagen sozialdemokratischer Politik Erwähnung fanden!

 

[…] Mit der Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR haben sich mutige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Solidarität mit den mittelosteuropäischen Bürgerbewegungen zur Freiheit bekannt.

 

Dieses allzu Wenige über die Gründung der SDP in der DDR dient der Mythenbildung. Es lohnte sich, sich näher damit auseinander zu setzen.

 

Die SPD kann auf die Erfahrung von anderthalb Jahrhunderten zurückschauen: Vom Einsatz für die wirtschaftlichen und politischen Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter im 19. Jahrhundert bis zur Übernahme nationaler Regierungsverantwortung in der Weimarer Republik, vom Widerstand gegen den Nationalsozialismus bis zum politischen Kampf gegen den Kommunismus, vom Aufbau des demokratischen und sozialen Rechtsstaates in der Bundesrepublik bis zur Erneuerung des wieder vereinten Deutschlands am Ende des 20. Jahrhunderts. Auf diesem langen Weg sind viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Opfer von Verfolgung und Mord geworden. Sie bleiben uns eine dauerhafte Mahnung und Verpflichtung.

 

Erfahrungen von anderthalb Jahrhunderten: wenn sich dafür in einem so überdimensionierten Entwurf nicht mehr Platz findet, fällt dieses Verkürzen unter den Verdacht, programmatisch zu sein! (siehe auch Anmerkungen unter 5. Unser Weg)

 

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben die Geschichte unseres Landes, seine politische und soziale Kultur entscheidend geprägt.

 

Zu wenig über den Charakter dieser Prägung und die Ergebnisse der Politik der SPD in unserem Land. Keine Differenzierung zwischen den Zeiten in Opposition und Zeiten in Regierungsverantwortung. Keine Unterscheidung der unterschiedlichen Regierungen Brandt und Schröder.

 

In der SPD haben sich Frauen und Männer unterschiedlicher weltanschaulicher Überzeugungen, Glaubenshaltungen und Herkunft zusammengefunden. So wurde die SPD die linke Volkspartei, als die sie sich seit dem Godesberger Programm von 1959 versteht. Sie hat Impulse und Ideen verschiedener geistiger Strömungen und politischer Bewegungen aufgenommen: des Christentums und des Humanismus, der Aufklärung, des Sozialismus und der Gewerkschaften, der Frauenbewegung und der Neuen Sozialen Bewegungen.

 

Die Veränderungen des vergleichbaren Absatzes aus dem Berliner Programm sind gravierend. Ähnliche Satzkonstruktion und Wortwahl täuschen darüber hinweg.

Der Text im Berliner Programm:

Unsere geschichtlichen Wurzeln

In der Sozialdemokratischen Partei arbeiten Menschen verschiedener Grundüberzeugungen und Glaubenshaltungen zusammen. Ihre Übereinstimmung beruht auf gemeinsamen Grundwerten und gleichen politischen Zielen. Der Demokratische Sozialismus in Europa hat seine geistigen Wurzeln im Christentum und in der humanistischen Philosophie, in der Aufklärung, in Marxscher Geschichts- und Gesellschaftslehre und in den Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Die Ideen der Frauenbefreiung sind bereits im 19. Jahrhundert von der Arbeiterbewegung aufgenommen und weiterentwickelt worden.“ 

 

Die Übereinstimmung auf ein Ziel hin, die die Gemeinsamkeit von Menschen selbst unterschiedlicher weltanschaulicher Überzeugungen erst plausibel machen würde, wird ausgespart. Es wird ersetzt durch die Gewissheit dessen, was wir wissen! (siehe unten!)

 

linke Volkspartei: die geschichtslose Simplifizierung des Vorgangs, wie aus einer Arbeiterpartei eine linke Volkspartei wird, ist exemplarisch für den „neuen“ Umgang mit der eigenen Geschichte.

 

Wir wissen,

dass Not und Furcht nicht durch diktatorische Mittel, sondern nur durch die Menschen selbst in freier Entscheidung und gemeinsamer Anstrengung überwunden werden können,

 

Not und Furcht: Sollen Menschen, die unter Not und Furcht leiden, sich frei gegen Ihre Not entscheiden und gemeinsam (vielleicht mit denen,  von denen sie in Not gebracht wurden und werden?) ihre Furcht und Not durch Anstrengung überwinden?

 

[…]

dass wir Visionen brauchen, um konsequente Reformen voranzubringen,

 

Visionen:? Welcher Vision wurde sich z. B. bei den Hartz-Reformen bedient, oder bedeutet dieser Verweis auf Visionen, dass wir zu einem Begriff von Reform zurückfinden wollen, der die Bezeichnung Reform verdient? Für Notstandsgesetzgebung bedarf es keiner Visionen und beim Voranbringen, d. h. beim zügigen Durchsetzen konsequenter Reformen sind Visionen eher hinderlich.

 

[…]

dass wir die Ergebnisse unserer Politik immer wieder selbstkritisch überprüfen müssen.

 

            . . . !

Unser Bild vom Menschen

 

Die gleiche Würde aller Menschen ist Ausgangspunkt und Ziel unserer Politik. In unserem Bild vom Menschen vereinen sich humanistische und religiöse Vorstellungen mit Ideen der Aufklärung.

 

religiöse Vorstellungen: Gedankenlos vom Berliner Programm abgeschrieben! Was schon oben unglücklich wirkte, bei der Erläuterung der Aufnahme geistiger Impulse durch die linke Volkspartei (SPD), wo aus dem Christentum eine geistige Strömung wurde, das verdichtet sich nun zu komplett Fragwürdigem. Philosophie der Aufklärung war im Wesentlichen auch Kritik an den Vorstellungen des Menschen über Religion und über sich selbst. Wie sich nun in unserem Menschenbild Ideen der Aufklärung mit religiösen Vorstellungen vom Menschen vereinen, bleibt ein Rätsel. Da es guter alter Brauch in der Sozialdemokratie ist, Religion zur Privatsache zu erklären, sollten wir es dabei belassen und nicht ein in Teilen religiöses Menschenbild propagieren! Das widerspricht nicht der Feststellung des Berliner Programms, dass die Ideen des demokratischen Sozialismus ihre geistigen (nicht geistlichen!) Wurzeln teilweise im Christentum haben.

 

 

Menschen tragen verschiedene Möglichkeiten in sich.

 

Wenn man etwas absolut Triviales über den Menschen sagen will, dann ist dies eine der elegantesten Möglichkeiten. 

 

Sie sind weder zum Guten noch zum Bösen festgelegt. Sie sind vernunftbegabt und lernfähig.  Daher ist Demokratie möglich.

 

Aus der Natur des Menschen kann alles Menschenmögliche abgeleitet werden. Es fehlt das hier Entscheidende, dass der Mensch dank seiner Vernunft Gut und Böse unterscheiden kann. Die hier suggerierte Beziehung zwischen der moralischen Indifferenz des Menschen und Demokratie bleibt deshalb kurzschlüssig! Ebenso, warum Demokratie nötig sei (siehe unten).

 

Sie sind fehlbar, können irren und in Unmenschlichkeit zurückfallen.

 

Es ist ein scheinbar unausrottbares Klischee, dass der Mensch, unmenschlich agierend, zurückfalle. Als ob es je in der Geschichte der Menschheit einen Entwicklungszustand hätte geben können, der von Unmenschlichkeit geprägt gewesen wäre, und aus dem sich die Menschheit erst hätte herausarbeiten müssen. Dies gilt auch für das einzelne Individuum.

 

Darum ist Demokratie nötig. Jeder Mensch trägt Verantwortung für sein Leben. Niemand kann oder soll sie ihm abnehmen.

 

Jeder Mensch trägt Verantwortung: Für seine Nächsten und die Gemeinschaft, der er angehört und so fort. Das sind wir unserem Anspruch als soziale Wesen schuldig. Eigentlich muss es heißen: Jeder Mensch trägt Verantwortung für sein Handeln. Die hier gewählte Fassung enthält als Untertext einen der Kampfbegriffe des neoliberalen Angriffs auf den Sozialstaat: Eigenverantwortung.

 

Unser Verständnis von Politik widerspricht jedem Allmachtsanspruch über die Menschen. Wenn Politik selbst Glück und Erfüllung verspricht, läuft sie Gefahr in totalitäre Herrschaft abzugleiten.

 

Allmacht über oder  Anspruch auf...! (Wenn in einem Satz zu viel gesagt werden soll, kommt es zu solchen Verrenkungen. Hier hilft schon, über die Menschen wegzulassen, aber das machte den Inhalt nicht besser, wie im Weiteren ersichtlich.)

Politik kann nie allmächtig sein, wenn sich auch mitunter ihre Vertreter so gebärden. Politik hat z. B. nicht die Macht, Menschen glücklich zu machen, sie kann aber versprechen und alles in ihrer Macht stehende dafür zu tun, Menschen nicht in Verhältnisse zu bringen oder   Verhältnissen  zu  überlassen, die Glück systematisch  verhindern (Krieg, Inflation, Lohn-Sklaverei, Epidemien, Umweltkatastrophen usw.). Allmachtsanspruch widerspricht grundsätzlich demokratischen Prinzipien, und somit jeder Politik, die sozialdemokratisch sein will. Wir kämpfen daher gegen und klären auf über jeden Allmachtsanspruch.

 

 „Frei und gleich an Würde und Rechten“, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt, soll jeder Mensch sein Leben in Gemeinschaft mit anderen selbst bestimmen können. Wir streben eine Gesellschaft an, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten kann, ohne die Würde und Freiheit anderer zu verletzen.

 

Wir streben...an: Das unterstellt, alle oder doch zumindest einige könnten in der heutigen Gesellschaft ihre Persönlichkeit nicht in Freiheit entfalten, ohne die Freiheit und Würde anderer zu verletzten. Ohne konkrete Vorstellungen von der zukünftigen Gesellschaft bleibt das Streben nach ihr leeres Gerede.

 

Wir widersetzen uns jeder Form der Diskriminierung. Die Würde des Menschen ist unabhängig von seiner Leistung und seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit. Darum ist die Gesellschaft bei Behinderung, im Alter, am Lebensanfang und am Lebensende zum Schutz der Menschenwürde besonders verpflichtet.

 

Die allgemeine Würde des Menschen ist zwar unabhängig von seiner Leistung und seiner wirtschaftlichen Nützlichkeit; wenn aber gesunde Menschen daran gehindert werden, ihre gesellschaftliche Nützlichkeit in den gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozess vollwertig einzubringen, verletzt das unweigerlich auch ihre Würde und ist an sich schon eine Form der Diskriminierung. Dies muss mitgesagt werden, wenn wir der Menschen gedenken, die besonderen Schutzes bedürfen.

Unsere Grundwerte

 

Freiheit und Gleichheit, die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gegenüber obrigkeitlicher Willkür und ihre Gleichheit unabhängig von Stand, Religion, Herkunft und Geschlecht – das sind die beiden Grundorientierungen der politischen Moderne. Die Verbindung von Freiheit und Gleichheit bildet die Grundlage für unser Verständnis von Gerechtigkeit. 

 

Freiheit... gegenüber obrigkeitlicher Willkür ist schlicht schlechtes Deutsch!

Auch wenn unsere Grundwerte altmodisch wären, würden wir für sie kämpfen müssen. Deshalb ist der Bezug auf die „politische Moderne“ überflüssig. Er gibt unseren Grundwerten keine zusätzliche Legitimität! (Die Kritik nimmt den Begriff der „politischen Moderne“ hier sarkastisch auf und verwendet ihn mitunter in Bezug auf unsere Modernisierer und ihren Rückgriff auf Angebote von neoliberal zubereiteten Exponaten eines philosophischen Gemischtwarenladens, oder einfach pur, ohne philosophiegeschichtlichen Hintergrund.)

Unser Freiheitsbegriff sollte weiter gefasst werden: Freiheit als emanzipatorischer Akt gegen jegliche Willkür. Freiheit existiert nur dort, wo sie eingeklagt und eingehandelt werden kann und auch wird. Erziehung zur Freiheit!

(Siehe auch Anmerkung zu 5. Unser Weg)

 

Das sozialdemokratische Verständnis von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität erhielt ihren besonderen Sinn in den politischen und sozialen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts.

 

Richtig muss es heißen: Das sozialdemokratische Verständnis von Freiheit...wurde geprägt von und in den politischen Kämpfen. Der  hier versuchte Kausalzusammenhang bedeutet, dass erst durch die sozialen Auseinandersetzungen ein schon bestehendes sozialdemokratisches Verständnis... seinen besonderen Sinn erhalten habe.

 

Es ging darum, neben den rechtlichen auch die materiellen Voraussetzungen der Freiheit, neben der Gleichheit des Rechts auch die Gleichheit der politischen und ökonomischen Teilhabe und der grundlegenden Lebenschancen, also soziale Gerechtigkeit, zu erkämpfen.

 

Hier geht es darum, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit durch einen schiefen Verweis auf die Geschichte (schief durch die gleichzeitige Einführung der bei den „politisch Modernen“ beliebten Begriffe Teilhabe und Lebenschancen) neu zu definieren, d. h., einen „modernen“ Begriff von sozialer Gerechtigkeit zu prägen.

(Zum Problem des Chancenbegriffs im sozialdemokratischen Diskurs siehe auch weiter unten!)

Dass dies gründlich misslingt, sollte sofort einleuchten, wenn man fragt, was unter kapitalistischen Produktionsbedingungen der rationale Kern von Gleichheit der ökonomischen Teilhabe sein könnte!

 

Freiheit bedeutet die Möglichkeit, selbst bestimmt leben, Autor des eigenen Lebens sein zu können.

 

Die Bedeutungen der Freiheit sind ein weites Feld. Die Beschränkung auf die Bedeutung von Freiheit als Möglichkeit  von selbst bestimmtem Leben führt allerdings eher, ganz im Sinne der „Politischen Moderne“, zu einer Verengung unseres Freiheitsbegriffs hin zu einem individualistischen. 

 

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit hat Voraussetzungen: Dazu zählt die Abwehr von Willkür und Unterdrückung ebenso wie der Zugang zu den sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Bedingungen der Freiheit. Die Teilhabe an der Gesellschaft und die individuelle Bereitschaft zu verantwortlicher Gestaltung des eigenen wie des gemeinschaftlichen Lebens sind gleichermaßen Voraussetzungen von Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo sie die Freiheit eines Anderen verletzt.

 

Die Teilhabe an der Gesellschaft...(ist eine der) Voraussetzungen von Freiheit: Das ist nicht mehr, als wenn man sagte: Atmen ist eine Voraussetzung für die Teilhabe an Luft, oder: Luft ist die Voraussetzung für die Teilhabe an Freiheit. Die Umkehrung der Satzaussage: Freiheit ist Voraussetzung von Teilhabe an der Gesellschaft wäre ebenso falsch oder richtig, je nach dem, was dabei konkret vorstellt wird.

Absurditäten, die bei den Versuchen entstehen, Begriffe wie Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Emanzipation und viele andere neu zu fassen, um sie für die „heutige Zeit als weiterhin sozialdemokratische gesellschaftsfähig zu machen, haben ihre Ursache in der Unmöglichkeit dieses Unterfangens selbst, und lassen sich nicht vermeiden!

 

Gerechtigkeit ist Ausdruck der gleichen Würde jedes Menschen.

 

Gerechtigkeit: ist nicht Ausdruck der gleichen (allgemeinen) Menschenwürde, sondern kann als ein Prinzip von Handeln in der Anerkennung dieser Menschenwürde zum Ausdruck kommen.

 

Sie bedeutet gleiche Freiheit und gleiche Chancen unabhängig von Herkunft oder Geschlecht.

Für eine wirklich gerechte Gesellschaft reicht die Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz nicht aus. Gerechtigkeit verlangt vielmehr, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Sie verlangt, dass alle die gleichen Möglichkeiten erhalten, an Bildung, an Arbeit, an sozialer Sicherheit, an Kultur und Demokratie teilzuhaben.

 

eine wirklich gerechte Gesellschaft: ist eine Art Utopia. Wir sollten die ideologischen Finger davon lassen. Was hier als Voraussetzungen dafür „erläutert“ wird (Chancen und Möglichkeiten usw.), taugt jedenfalls nicht für die Verwirklichung einer gerechten Gesellschaft. Abstrakte Gleichheit und Möglichkeiten sind nichts als leere Phrasen, solange ihnen nicht einklagbare Rechte und dafür geeignete Gesetze entsprechen.

 

Immer noch ist unsere Gesellschaft durch Privilegien gekennzeichnet. Die ungerechte Verteilung von Einkommen, Vermögen und Chancen teilt die Gesellschaft in solche, die über andere verfügen, und solche, über die verfügt wird und deren Selbstbestimmung und politische Mitwirkung rasch an Grenzen stoßen.

 

ungerechte Verteilung: Was machen wir aus diesen Einsichten? Unsere Gesellschaft ist geteilt, gespalten durch institutionalisierte und staatlich verbürgte und geschützte Ungerechtigkeit, so der Klartext. Welche Details sind Ursache dieser Ungerechtigkeiten? Sozialdemokraten haben dies schon einmal gewusst! Aber dies Wissen nötigte zu Konsequenzen, die nicht in die „moderne politische Landschaft“ passen.

 

Das beeinflusst auch die Willensbildung in Politik und Staat.  Gleiche Lebenschancen bedeuten nicht Gleichförmigkeit, sondern Entfaltungsraum für individuelle Neigungen und Fähigkeiten. Menschen sind verschieden. Aber natürliche Ungleichheiten und soziale Herkunftsunterschiede dürfen nicht zum sozialen Schicksal werden. Lebenswege dürfen nicht von vorneherein festgelegt sein. Deshalb erfordert Gerechtigkeit mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht. Eine gerechte Politik garantiert gleiche   Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Gütern, Chancengleichheit und eine der Leistung angemessene Einkommens- und Vermögensverteilung. Die Leistung eines jeden Menschen muss anerkannt und respektiert werden. Wer durch Einkommen und Vermögen Vorteile genießt, muss angemessen zum Wohl der Gesellschaft beitragen: Eigentum verpflichtet. Gerechte Politik respektiert die Unterschiede der Lebensformen, des Glaubens, der Weltschauung und der Kultur. Sie gewährleistet, dass jeder Mensch, ganz gleich was er leisten kann, frei von Not leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.

 

Da konsequentes Handeln, selbst so weit es das Grundgesetz erlaubte, als Klassenkampf unter Generalverdacht gefallen ist und tabuisiert wird, bleibt nur, davon zu reden, was Gerechtigkeit erforderte, was gerechte Politik garantiere, respektiere und gewährleiste - z. B. mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht. Das ist:Kampf“ für ein utopisches Ziel (die wirklich gerechte Gesellschaft) mit den utopischen Mitteln des Wir-Wissens, Wünschens und Wollens.

 

Solidarität bedeutet wechselseitige Verbundenheit, Zusammengehörigkeit und Hilfe. Sie ist die Bereitschaft der Menschen, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen, zwischen Starken und Schwachen, zwischen Generationen, zwischen den Völkern.

 

Solidarität bedeutet: weit mehr. Der Satze spart eine wesentliche, sozialdemokratisch relevante Bedeutung des Solidaritätsbegriffs aus: „das unbedingte Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele“ (zitiert nach: Duden - Das große Fremdwörterbuch 2003). Der Rest ist solidarische Träumerei nach dem Motto: Wenn alle Menschen der Welt!

 

Solidarität schafft Macht zur Veränderung. Das ist die Erfahrung der Arbeiterbewegung. Solidarität ist eine starke Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhält – in spontaner und individueller Hilfsbereitschaft, mit gemeinsamen Regeln und Organisationen, im Sozialstaat als politisch verbürgter und organisierter Solidarität.

 

Macht: nur politische Solidarität, und um die sollte es im Programm einer sozialdemokratischen Partei gehen, ist eine Macht, die politische Veränderungen bewirken kann! Gemeint sein dürfte hier nicht die „Solidarität“ des barmherzigen Samariters (die damit nicht klein geredet werden soll). Sonst könnten wir auch die Macht der Liebe in unser Programm aufnehmen, die auch so manches verändern kann! Wenn hier mit Solidarität eine solche gemeint ist, die den Riss, der durch die Gesellschaft geht, kitten soll, dann ist es genau nicht die der Arbeiterbewegung

 

Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität bilden eine Einheit. Sie sind gleichrangig und gleichwertig. Sie bedingen, begrenzen und ergänzen einander.

 

Das erinnert an Dialektik, wirkt mystisch, ist aber, so generell behauptet, unlogisch. Zumindest sollte Freiheit nicht Gerechtigkeit begrenzen dürfen!

(s. auch Anmerkung zu  5. Unser Weg)

 

Wir verteidigen ein Grundwerteverständnis, das Freiheit nicht auf die Freiheit des Marktes, Gerechtigkeit nicht auf den Rechtsstaat, Solidarität nicht auf Armenfürsorge reduziert.

 

Das klingt gut auf Wahlkampfveranstaltungen, kann allerdings nicht über die Dürftigkeit der positiven Definitionen unserer Grundwerte hinwegtäuschen!

Die Soziale Demokratie

 

Die Sozialdemokratie will die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, garantiert durch die Grundrechte und orientiert an der Idee der solidarischen Bürgerschaft. Wir können die Verhältnisse durch gemeinschaftliches und solidarisches Handeln verbessern.

Früher kämpfte die Sozialdemokratie für etwas. Heute will sie etwas! Und was sie will – unverbindlicher kann man es kaum formulieren: gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen!

Können die Grundrechte etwas garantieren, und wer garantiert die Grundrechte? Gerechte Politik!  

 

Idee der solidarischen Bürgerschaft: diese Idee (bei „google“ fünfzehn mal erwähnt) ist keine Idee, die sozialdemokratischem Denken Konsistenz verleihen kann. Ihre Grundtendenz ist das Hoffen auf die Durchsetzung des allgemeinen Interesses durch den guten Willen aller Bürger bei Ausblendung gravierender gesellschaftlicher Interessenkonflikte.

 

Wir sind uns einig in dem Ziel, für alle Menschen ein Leben in Freiheit, ohne Ausbeutung, frei von Gewalt und Unterdrückung zu ermöglichen. Im Bewusstsein, dass das Streben nach einer unseren Grundwerten entsprechenden Gesellschaft eine dauernde Aufgabe ist, bekennen wir uns zu der unsere Geschichte prägenden Idee des demokratischen Sozialismus. Er ist kein Dogma und beschreibt keinen Endzustand, sondern die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, für deren Verwirklichung wir auch weiterhin eintreten. Die Arbeit für dieses Ziel und das Prinzip unseres Handelns ist die Soziale Demokratie. Denn nichts kommt von selbst und jede Zeit verlangt ihre eigenen Antworten.

 

Dieser Absatz ist gewissermaßen der programmatische Höhe- und Wendepunkt dieses Entwurfs! Ein letztes erinnerndes Aufflackern der Idee des demokratischen Sozialismus am Horizont der Vergangenheit, ein letztes Bekenntnis zu ihr - und umgehend ihre umständlich verschämte Ersetzung durch den Begriff der Sozialen Demokratie! Umständlich, weil nicht einfach gesagt wird: hiermit ersetzen wir die Idee des Demokratischen Sozialismus, durch den ehedem die Idee des (schlichten) Sozialismus ersetzt wurde, durch die Idee der Sozialen Demokratie! Sondern, weil vorerst so getan wird, als werde die Idee des Demokratischen Sozialismus lediglich bereichert durch den Begriff der Sozialen Demokratie, der zu verstehen sei als Ausdruck für die Arbeit für dieses Ziel  (Demokratischer Sozialismus) und gleichzeitig als das Prinzip, nach dem wir dabei handeln. Was diese Begriffsverrenkungen sagen sollen, lässt sinnvoll sich nicht rekonstruieren. Dramaturgisch fungieren sie jedenfalls als retardierendes Moment vor der beabsichtigten Inthronisation der Sozialen Demokratie. Nach einer entspannenden volkstümlichen Phrase ist es dann soweit. Sie darf im neuen Kapitel auftreten, als hätte es sie immer schon gegeben.

 

 

 

 

 

 

3. Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert

 

 

Unter den Bedingungen der Zeit, in der wir leben, gewinnt die Idee der Sozialen Demokratie neue Bedeutung.

 

Gewinnt... neue Bedeutung:  Diese Wendung ist offensichtlich der rhetorischer Trick, mit dem gewissermaßen geräuschlos behauptet werden kann, dieser neu eingeführte Terminus habe schon immer Bedeutung gehabt. Zugleich wird vermittelt, dass die alte Idee an Bedeutung verliert, was bestens damit korrespondiert, dass jede Zeit ihre eigenen Antworten (sprich Termini) verlangt.  

 

Das Zeitalter der Globalisierung ist Ergebnis menschlichen Handelns und kann deshalb durch demokratische Politik gestaltet werden.

 

Es geht nicht um das Zeitalter der Globalisierung, sondern um das Problem der Globalisierung im Zeichen neoliberaler Ideologie und Herrschaft (die am Anfang dieses Jahrhunderts deutlicher zu Tage tritt und tiefe Schatten wirft). Dass die Globalisierung Ergebnis menschlichen Handelns ist, ist eine triviale Aussage. Wenn sie dennoch hier getroffen wird, wozu dient sie dann? Erstens greift sie die Auffassung der Neoliberalen an, dass Globalisierung das Werk von vom Menschen unabhängigen Gesetzen des Marktes usw. sei, und  zweitens verschweigt sie in ihrer allgemeinen Art, dass dieses menschliche Handeln politisches Handeln von konkreten Menschen ist, von Politikern, Wirtschaftsbossen usw. Die einfache (scheinbar richtige) Schlussfolgerung einer Lösung des Problems durch demokratische Politik wird nun dadurch möglich, dass man demokratische Politik mit menschlichem Handeln gleichsetzen kann. Da dies menschliche (politische) Handeln, das zu den beklagten Aspekten der Globalisierung führt, auf diese Weise nicht näher untersucht werden muss, kann völlig unberücksichtigt bleiben, was zu tun wäre und welche Strategien zu entwickeln sind, um all die positiven Veränderungen durchsetzen zu können,  von denen in diesem Programmentwurf geredet wird.

Geht man das Problem anders an, wird es schwieriger: die Misere neoliberaler Globalisierung ist das Ergebnis von Politik, ob nun demokratisch zustande gekommen oder wie auch immer, zu verantworten von Politikern usw. die an den Schalthebeln der Macht sitzen (sonst hätten wir nicht das Ergebnis).  Diese Leute haben ihre Gründe (Interessen) und Ideologien, und viel Geld und vieles andere mehr.  Man kann voraussagen, dass sie nicht davon zu überzeugen sein werden, ab heute oder morgen Globalisierung sozialdemokratisch oder auch nur demokratisch zu gestalten.

Will man sich realistisch der Lösung von Problemen dieser Art nähern, wird man die Frage nach den Interessen und der Macht nicht verdrängen dürfen!

Die im Folgenden rhetorisch aufgestellten  Alternativen zeigen die Dringlichkeit der Probleme, lassen es aber im Weiteren dabei bewenden: 

(s. a. Anmerkungen zu Globalisierung gestalten!)

 

Unsere Gesellschaft steht vor der Wahl:

Entweder wir lassen dem Wandel unserer Zeit freien Lauf - oder wir gestalten ihn im Sinne unserer Grundwerte.

 

Dieser Satz lässt das Wesentliche des einleitenden einseitig vergessen: dass auch dann, wenn wir dem Wandel (unserer Zeit) freien Lauf lassen, die gestaltenden Kräfte menschlichen Handelns am Werk sind, nur nicht die unseren.

 

 Entweder wir beschränken uns auf die bloße Verteidigung des Bestehenden - oder wir bringen die Potenziale unserer Gesellschaft zu ihrer vollen Entfaltung.

 

Die Unsinnigkeit der beschworenen Alternative wird deutlich bei Konkretisierung des Bestehenden. Sie dient der Apologie von sozialdemokratischer Regierungstätigkeit der letzten Jahre! Wenn man an den realen Abbau des Sozialstaats denkt, könnte man zynisch auch sagen, die Potentiale unserer Gesellschaft reichten nicht einmal für die bloße Verteidigung des Bestehenden!

 

 Entweder wir lassen zu, dass die ökologische Krise die Grundlagen unserer Zivilisation zerstört - oder wir schaffen die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise.

 

 Entweder wir lassen es zu, dass die Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen Privilegierten und Benachteiligten immer größer wird - oder wir betreiben eine Politik, die soziale Gegensätze verringert und die allen Menschen die Chance auf eine selbst bestimmte Lebensgestaltung eröffnet.

 

Welchen Weg wir einschlagen - das wird über die Lebensqualität, den Wohlstand und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft entscheiden. Fortschritt braucht Soziale Demokratie. Dafür wollen wir die Menschen gewinnen.

 

In diesem Entweder-Oder-Abschnitt (wie auch im gesamten Entwurf, nur hier besonders markant) ist unablässig die Rede von einem Wir, das ständig seine Bedeutung ändert.  Ein Wir, an das wir (Sozialdemokraten) appellieren, mal die ganze Menschheit meinend (uns einbegriffen), mal nur uns Sozialdemokraten, mal alle Angehörigen unserer Gesellschaft und so fort. Diese Art des Redens lässt in der Schwebe, wer und was von den genannten Bedeutungen und Bezügen jeweils gemeint ist. Dieses ganze Entweder-Oder-Spiel ist rein rhetorischer Natur und für eine ernsthafte Darlegung unserer Grundsätze ungeeignet! Hier kann aber mit Recht gefordert werden, dass das, was gesagt wird, auch stringentem Denken standhält!

 

Den politischen Streit mit den Gegnern der Sozialen Demokratie führen wir mit großem Selbstbewusstsein. Heute müssen wir uns vor allem mit drei politischen Strömungen innerhalb des demokratischen Meinungsspektrums auseinandersetzen, die auf je andere Art verhindern, dass die Menschen ihre Potentiale bestmöglich ausschöpfen können:

 

Wenn wir mit Gegnern unseres Projekts Soziale Demokratie politisch streiten, müssen wir sie benennen. Als Partei müssen wir sie auch in den anderen Parteien verorten können. Wenn wir uns mit politischen Strömungen auseinandersetzen, müssen wir ihre verschiedenen Denk- und Glaubensansätze benennen und Ansätze dieses Denkens (auch in der eigenen Partei) diskutieren und bekämpfen. Das wird weder hier mit dem allgemeinen Rundumschlag, noch im Weiteren geleistet.

 

 Konservative halten an überkommenen Privilegien fest und berufen sich auf angeblich natürliche Ungleichheiten, um anderen Menschen den Zugang zu Lebenschancen, Aufstiegsmöglichkeiten und Wohlstand zu verwehren.

 

Eine wohl eher unseriöse Charakterisierung relevanter konservativer Strömungen.

 

Marktradikale predigen Freiheit und Wettbewerb, aber erkennen nicht, dass eine dynamische Gesellschaft der Freien und Gleichen immer soziale Voraussetzungen hat. Sie kann nur dort gedeihen, wo gestaltende Politik die Bedingungen für die Teilhabe und Leistung aller Menschen immer wieder erneuert.

 

Marktradikale: Dass wir unser Problem mit ihnen auf ein Problem ihrer Erkenntnisfähigkeit reduzieren, ist eher eines unserer eigenen Erkenntnisfähigkeit: zuerst müssen wir uns fragen, ob das, was als Erkenntnisproblem der Marktradikalen behauptet wird, nicht all zu naiv formuliert wurde. Dies dahingestellt, erkennen sie sehr wohl, was wir wollen, aber sie wollen es nicht, da  die Gesellschaft, die wir (eigentlich) anstreben, ihren ureigensten Interessen widerspricht. Das wollen wir wiederum nicht wahrhaben, da unsere Erkenntnisfähigkeit getrübt ist durch das Ausblenden „der Schärfe“ der unserer Gesellschaft zu Grunde liegenden Interessenkonflikte. Dieses Ausblenden ist das Kernproblem unserer gegenwärtigen Parteiphilosophie und damit unserer Partei (als einer noch sozialdemokratischen), und wird deshalb, je länger der Text, umso ausführlicher auch in diesem Grundsatzpapier zum Ausdruck kommen müssen!

 

Populisten leugnen veränderte Realitäten und klammern sich an überkommene nationalstaatliche Instrumente. Sie gaukeln den Menschen vor, ein Ausstieg aus der Wirklichkeit unserer Zeit sei möglich - verbauen ihnen aber gerade dadurch die Zukunft.

 

Populismus ist keine politische Strömung sondern ein meist abwertend gebrauchter Begriff zur Kennzeichnung von auf Volksgunst zielende Vermittlung von Politikinhalten. Der Vorwurf des Populismus, wie übrigens auch der des Konservativismus, kann zu Recht oder Unrecht Erscheinungen in allen politischen Strömungen des demokratischen Meinungsspektrums treffen.

 

Einig sind wir uns mit allen Demokraten darin, den Grundkonsens unserer freiheitlichen Demokratie gegen alle Feinde der offenen und toleranten Gesellschaft zu verteidigen. Deshalb werden wir entschlossen und gemeinsam gegen rechtsextremistische, antisemitische, menschen- und verfassungsfeindliche Bestrebungen jeder Art vorgehen.

 

offene Gesellschaft: im ihrem Begriff ist ihr toleranter Charakter schon enthalten. Ohne tolerant aber würde deutlich, dass man es so auch nicht sagen wollte.

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stellen uns der Realität: Die Welt, Europa, unser eigenes Land verändern sich in schnellem Tempo, wir erleben es tagtäglich bis hinein in unsere Stadtviertel, Gemeinden, Betriebe oder Schulen. Wollen wir erreichen, dass die Werte und Ziele der Sozialen Demokratie auch das 21. Jahrhundert prägen, dann kommt es darauf an, die vielfältigen Chancen der Veränderung unerschrocken zu ergreifen.

 

Der Wunsch, erreichen zu wollen, dass die Werte und Ziele der Sozialen Demokratie auch das 21. Jahrhundert prägen,  baut am Mythos einer Ideen- und Wertekontinuität, die es  in der Geschichte der Sozialdemokratie so nie gab. Dieser Mythos wiederum dient dazu, den gegenwärtigen Versuch, die Partei endgültig auf einen systemkonformen Weg zu führen, zu einem geschichtsnotwendigen Prozess, zu einem „realistischen Gehen mit der Zeit“  zu verklären. In Wirklichkeit ist die Geschichte der Sozialdemokratie in dramatischer Weise  geprägt worden von einem ständigen Auf und Ab im Kampf zwischen, vereinfacht gesagt,  systemkonformen Kräften, Opportunisten genannt, und den Befürwortern einer Systemalternative, den Linken. Das spiegelt sich auch in den verschiedenen Programmen, in ihren Zielen und in den jeweiligen Interpretationen der sozialdemokratischen Grundwerte wider.

Um nichts anderes geht es auch heute! Und dies wird so bleiben, solange die Partei nicht endgültig mit ihrer systemkritischen Tradition bricht, aus deren Sicht keine grundlegende Lösung der dringendsten Probleme unserer Welt innerhalb des kapitalistischen Gesellschaftssystem zu erwarten ist.

 

Nur wer handelt, schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir die neuen Risiken und Gefahren unserer Zeit meistern können.

 

So entschlossen die Rede auch geführt wird, der Satz bleibt eine leere Phrase und ist in sich falsch. Er besagt nämlich: wer handelt, schaffe (für uns) Voraussetzungen dafür, dass wir die neuen Risiken meistern können! Das ist nicht gemeint, steht aber so da.

 

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen wir uns vier großen Aufgaben:

(1.) Wir wollen die Globalisierung freiheitlich, gerecht und solidarisch gestalten.

 

(s. a. prinzipielle Anmerkung zu „Globalisierung gestalten“)

 

 Dafür müssen wir politische Handlungsmacht zurückgewinnen. Das erfordert ein starkes und soziales Europa ebenso wie eine globale Verantwortungsgemeinschaft von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik.

 

Handlungsmacht zurückgewinnen: Wir (Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten) wollen die Globalisierung nach unseren Werten gestalten, dafür müssen wir die Handlungsmacht zurückgewinnen, das erfordert die Voraussetzung eines starken und sozialen Europas, was wiederum eine globale Verantwortungsgemeinschaft erfordert, und dazu braucht man wiederum dieses und jenes und so ad infinitum. So kommen wir kaum zum Handeln!

 

(2.) Wir wollen eine Politik der neuen Wertschöpfung. Sie ermöglicht qualitatives Wachstum, Wohlstand und Arbeit für alle sowie die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Soziale Marktwirtschaft der Zukunft muss offensiv neue Märkte erschließen, den technischen Fortschritt in den Dienst der Menschen und der Umwelt stellen und fairen Wettbewerb garantieren.

 

 „Neue Wertschöpfung“ ist ein Begriff, mit dem im „modernen“ ökonomischen Diskurs der Versuch unternommen wird, Profitmaximierung mit Ökologie zu versöhnen nach dem Grundsatz, man darf die Kuh, die man melken will, weder schlachten noch verhungern lassen. Wie sozialdemokratische Politik der neuen Wertschöpfung aussehen soll, bleibt im Dunkeln.

 

(3.) Wir wollen den Vorsorgenden Sozialstaat, der Chancen für ein selbst bestimmtes Leben schafft, gerechte Teilhabe und sozialen Aufstieg ermöglicht und durch Solidarität Sicherheit gewährleistet.

 

sozialer Aufstieg: Der Gang durch die Schichten - Unterschicht, Mittelschicht, Oberschicht?

(Siehe auch Anmerkungen zu 4.6 Der Vorsorgende Sozialstaat!)

 

(4.) Und wir wollen auf allen Ebenen die riesigen Potenziale und Kräfte der Selbstorganisation einer Aktiven Bürgergesellschaft stärken.

 

Um dieser Aktiven Bürgergesellschaft Handlungsspielraum gewähren und Handlungsrecht abtreten zu können, bedürfen wir zuerst selbst der Wiedergewinnung von Handlungsmacht (s. o.). 

 

 Diese Vorhaben bestimmen die Idee der Sozialen Demokratie für das 21. Jahrhundert. In ihrer Einheit stellen sie nicht Ökonomie gegen Ökologie, nicht Staat gegen Bürger, nicht Leistung gegen Solidarität. Sie überwinden alte Gegensätze im Interesse der Menschen.

 

Diese Vorhaben: Nicht die Idee bestimmt also unsere Vorhaben, sondern unsere Vorhaben  bestimmen die Idee (der Sozialen Demokratie). Das ist einer der Schlüssel zum Verständnis des neuen Grundsatzprogramms!

Diese Vorhaben überwinden Gegensätze (es fehlt explizit nur noch der zwischen Kapital und Arbeit) quasi dadurch, dass sie diese Gegensätze im Interesse der Menschen veralten lassen. Wir lassen sie einfach absterben - wären wir doch eher auf die richtigen Vorhaben gekommen!

 

4. Unsere Ziele, unsere Politik

4.1 Eine friedliche, freie und gerechte Weltordnung

 

 Die internationale Politik der deutschen Sozialdemokratie dient dem Ziel, Konflikte zu verhindern und Frieden zu schaffen. Unsere Prinzipien dafür sind Verständigung und internationale Solidarität. Wir setzen auf Dialog, den fairen Ausgleich unterschiedlicher Interessen und auf die Idee, die Macht dem Recht unterzuordnen. Die SPD ist die Friedenspartei in Deutschland und Europa.

 

Es gibt keine Partei, die von sich behauptet, sie wolle mit ihrer Politik Konflikte schaffen und Kriege führen -  friedensschaffende Kriege, wie den Krieg gegen den Terror, ausgenommen.

 

Diese Zielrichtung der internationalen Politik der Sozialdemokratie ist für das anbrechende globale Zeitalter notwendiger denn je. Die Menschheit kann zum ersten Mal in ihrer Geschichte zentrale Probleme nur noch gemeinsam lösen. Darum arbeiten wir für die Entwicklung einer gemeinsamen Weltinnenpolitik mit starken Vereinten Nationen und einer gerechten Weltwirtschaftsordnung.

 

Dass sozialdemokratische Friedenspolitik notwendiger denn je ist – diese Feststellung impliziert zugleich eine Verharmlosung der Opfer zweier Weltkriege. Zuviel sagende Phrasen geben manchmal mehr her als bedacht.

 

[…]

Die Sozialdemokratie ist sich der gewachsenen Verantwortung Deutschlands für den Frieden in der Welt bewusst. Wir nehmen diese aktive internationale Rolle an und wollen uns nach Kräften dafür engagieren.

 

Klartext: hier ist vor allem der militärische Aspekt einer gewachsenen Verantwortung gemeint. Wer bietet uns diese aktive Rolle so großzügig und „selbstlos“ an? Mit der Phrase „Verantwortung für den Frieden“ lassen sich Kriege „am schönsten“ führen!

 

Dabei stimmen wir uns mit unseren Partnern eng ab und handeln gemeinsam mit internationalen Institutionen.

 

Wer sind unsere Partner, also Partner der deutschen Sozialdemokratie? Es handelt sich hier um den Text des Grundsatzprogramm einer freien sozialdemokratischen Partei, das durchaus zu berücksichtigen hätte, dass Partner einer deutschen Regierung nicht die Partner einer oppositionellen deutschen Sozialdemokratie sein könnten.

 

Deutsche Interessen in der Welt können wirksam nur noch gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union zur Geltung gebracht werden.

 

In einem sozialdemokratischen Programm von deutschen Interessen zu sprechen, ist neu. In der Vergangenheit waren so genannte deutsche Interessen immer Interessen der deutschen Wirtschaft und des deutschen Militärs, nie die des deutschen Volkes. Es müsste geklärt werden, was neuerdings deutsche Interessen in der Welt für Sozialdemokraten sein könnten!

 

[…]

Nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts schafft internationale Sicherheit.

 

Das bleibt leere Phrase, solange es Stärkere gibt, die sich dem Recht nicht unterwerfen, und nicht gesagt wird, wie man dem begegnen will. Ein an einer internationalen Rechtsordnung Weiterarbeiten reicht dafür nicht aus!

 

Deshalb arbeiten wir weiter an einer gerechten internationalen Rechtsordnung, die allen Menschen ein würdiges und selbst bestimmtes Leben ermöglicht. Wir legen unserer internationalen Politik einen umfassenden Sicherheitsbegriff zugrunde. Sicherheit für alle Menschen setzt Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit, Demokratie, soziale, wirtschaftliche, kulturelle und nachhaltige Entwicklung voraus. Deshalb treten wir für Multilateralismus und für gleiche Entwicklungschancen in einer gerechten Weltwirtschaftsordnung ein.

 

Mulilateralismus an sich sagt noch nichts aus über den Charakter der Politik, die multilateral durchgesetzt werden soll. Deshalb muss die SPD nicht grundsätzlich dafür eintreten.

 

Wir begegnen anderen Völkern mit Freundschaft, Offenheit und Respekt.

 

Man kann niemandem mit Freundschaft begegnen; Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Man kann sie anderen anbieten und für sie bereit sein; man kann anderen freundlich begegnen.

 

Zum kulturellen Erbe der Menschheit haben viele Zivilisationen ihren Beitrag geleistet, den wir anerkennen.

 

Das kulturelle Erbe der Menschheit: reicht weit in Zeiten zurück, da der Mensch noch kein Zivil trug. Warum wollen wir mitteilen, dass wir das kulturelle Erbe der Menschheit anerkennen, oder, dass wir nicht nur unser eigenes Erbe anerkennen, oder noch drastischer, dass wir bereit sind anzuerkennen, dass auch andere ein kulturelles Erbe haben?

 

Denjenigen, die einen Kampf der Kulturen beschwören, erteilen wir eine klare Absage. Wir wollen das Wissen über andere Kulturen und Religionen deutlich erweitern. Wir bekennen uns zu einer aktiven auswärtigen Kulturpolitik, die Interesse und Verständnis für unser Land weckt und den Dialog mit anderen Kulturen fördert.

 

Das Wissen über andere Kulturen usw. können wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kaum deutlich erweitern, es sei denn, wir seien in der Forschung tätig. Wir können allenfalls unser Wissen deutlich erweitern.

Das Bekenntnis zu einer aktiven auswärtigen Kulturpolitik, was immer das im Unterschied zu einer passiven auswärtigen Kulturpolitik sein mag, scheint eher einem speziellen Interesse an der Finanzierung derartiger Aktivitäten geschuldet zu sein, als dass es als Selbstverständlichkeit ernsthaft einen Platz im neuen Grundsatzprogramm beanspruchen dürfte!

 

Deutschland steht wegen seiner Geschichte in besonderer Verantwortung für Frieden und Verständigung.

 

Wegen seiner Geschichte - das ist recht harmlos ausgedrückt!

 

Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.

 

Von deutschem Boden: ist ein sich auf herkömmliche Kriegsführung beziehendes Bild. Wir sollten heute präziser ausdrücken, was wir wollen. Vielleicht: von deutschen Luftwaffenbasen...?

 

Wir verpflichten uns zur Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und zu einer lebendigen Erinnerungskultur.

 

Verantwortung gegenüber den Opfern: bleibt dies leeres Gerede, oder sind wir willens, den letzten noch Lebenden eine anständige Rente zukommen zu lassen?

 

Die Sozialdemokratie bekennt sich zur besonderen Verantwortung Deutschlands für das Existenzrecht Israels. Auch deswegen engagieren wir uns für einen umfassenden Frieden im Nahen Osten auf der Grundlage internationaler Übereinkünfte. Wir setzen uns für die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes und die Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates ein.              

 

Lebensfähigkeit ist das Mindeste, was man einem Staat, für den man sich einsetzt, zubilligen muss. Dies kann vielleicht in der Terminologie aktueller Außenpolitik noch durchgehen im Gegensatz zu unwürdigeren Varianten, aber unser Programm sollte sie nicht übernehmen!

 

Die SPD will die transatlantische Partnerschaft erneuern. Deutschland, Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika teilen gemeinsame Werte. Auf dieser Grundlage arbeiten Europa und Nordamerika auch in der NATO eng zusammen. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus braucht das transatlantische Bündnis jedoch ein neues, am globalen Zeitalter ausgerichtetes Fundament. Wir wollen die Suche nach einem gemeinsamen Verständnis von Werten intensivieren und das Bewusstsein für unsere gemeinsamen Ziele stärken. Eine friedliche Weltordnung ist nur mit den Vereinigten Staaten erreichbar.

 

Die SPD will: bedeutet dies die Zementierung eines militärischen Bündnisses für das globale Zeitalter?

Kommt hier über die gemeinsamen Werte nicht doch der Kampf der Kulturen zum Vorschein? Gemeinsame Werte verbindet die gesamte Menschheit. Was trennt die deutsche Sozialdemokratie von wem, von wem unterscheidet sie sich?

Wo hört die Suche nach einem gemeinsamen Verständnis von Werten auf, und wo fängt die Kapitulation vor dem Diktat z. B. durch eine Supermacht an?

Es ist nicht Aufgabe einer Sozialdemokratischen Partei, ihre Werte passgerecht für eine pragmatische Außenpolitik zu machen.

 

[…]

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass alle Nationen, Völker und Menschen von Frieden und Wohlstand profitieren. In einer Welt mit wachsenden Abhängigkeiten voneinander werden wir kein Land und keinen Kontinent ausblenden oder vergessen.

 

ausblenden oder vergessen: diese gönnerhafte Anmerkung, keinen Kontinent vergessen zu wollen - darauf muss man erst einmal kommen!

 

 Multilateralismus: Stärkung globaler und regionaler Kooperation

[…]

Regionale internationale Organisationen sind ein wichtiger Ansatz zur Überwindung von Gegensätzen und Konflikten zwischen den Völkern. Der Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa haben dies mit ihrer erfolgreichen Arbeit gezeigt. Deutschland muss beide Institutionen auch künftig unterstützen. Es gilt, auch in anderen Regionen ähnliche Institutionen auf- und auszubauen.

 

Es ist hier etwas sehr präzise formuliert, aber die Hauptsache bleibt unerwähnt. Regionale internationale Organisationen wie der Europarat sind ein wichtiger Ansatz, aber auch nicht mehr! Es kommt immer auf die Politik an, die in oder mit ihnen gemacht wird! Wenn man sich im Grundsatzprogramm mit solchen Organisationen beschäftigt, muss man etwas zu dieser Politik sagen, nicht nur, dass sie gut war, oder wie oben indirekt, dass man sie zur Durchsetzung deutscher Interessen braucht.

 

Die Sozialdemokratie misst der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen für die Völkerverständigung hohe Bedeutung bei.  Der Internationale Gewerkschaftsbund, Nichtregierungsorganisationen und Glaubensgemeinschaften lenken immer wieder den Blick auf akute internationale Konflikte und entwickeln Lösungsansätze. Diese zivilgesellschaftlichen Gruppen und staatliche Stellen müssen daher intensiv kooperieren. Wir verstehen uns als Partnerin bürgerschaftlicher Organisationen, die sich für die Lösung globaler Probleme engagieren.

 

hohe Bedeutung: mit solch schulterklopfender Anerkennung tun wir uns keinen Gefallen.

Mit der Partnerschaft ist es ähnlich wie mit der Freundschaft (s. o.) – es gehören zwei dazu! Inhaltlich findet sich von entwickelten Lösungsansätzen internationaler Konflikte oder globaler Probleme unserer hier erwähnten Wunschpartner in diesem Entwurf keine Spur.

 

Umfassende Sicherheitspolitik

 

Frieden bedeutet für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Die vorbeugende Vermeidung von Konflikten hat für uns absoluten Vorrang. Jeder Konflikt, der rechtzeitig geschlichtet werden kann, erspart den Menschen vielfaches Leid. Krisenprävention ist die effizienteste Sicherheitspolitik.

 

Frieden bedeutet...: Da unsere Auffassung von Frieden sich nicht wesentlich von der vernünftiger Menschen unterscheidet, unterscheiden wir uns von anderen vernünftigen Menschen nur dadurch, dass wir es ihnen und uns in unserem Grundsatzprogramm mitteilen wollen!

 

 Vorausschauende Außenpolitik hat für uns viele Aspekte. Wir wollen, dass die Europäische Union sich enger mit den Nachbarregionen Europas vernetzt, um dort Frieden und gute Zukunftsaussichten für die Menschen zu fördern.

 

Auf die Darlegung einer Auswahl von den vielen Aspekten, die vorausschauende Außenpolitik für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hat, wird glücklicherweise verzichtet. Es ist aber zu hoffen, dass trotz der Versicherung, dass für uns Außenpolitik vorzugsweise vorausschauend ist, auch der Aspekt des Zurückschauens ausreichend berücksichtigt wird.

 

 Gute Friedenspolitik gründet auf politischen Dialog, die Erarbeitung gemeinsamer Interessen und die Entwicklung von konkreten Perspektiven für die Menschen. Wir sind überzeugt, dass dauerhafter Frieden nur möglich ist, wo strukturelle Konfliktursachen wie Hunger und Ressourcenmangel überwunden werden.

 

Gibt es auch schlechte Friedenspolitik? Gemeinsame Interessen müssen nicht erarbeitet werden. Gemeinsame Interessen müssen auf ihre Friedensfähigkeit geprüft werden. Friedenspolitik unterscheidet sich wesentlich von Interessenpolitik. Friedenspolitik ist Politik, die von (egoistischen, nationalen usw.) Interessen absieht! Das gemeinsame Interesse solcher Politik ist der Frieden.

 

 Entwicklungszusammenarbeit ist für uns nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit und der gerechten Gestaltung der Globalisierung. Wir betrachten sie als zentralen Baustein einer umfassenden Sicherheitspolitik. Darum wollen wir die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit stufenweise erhöhen.

 

Darum: Gewollt oder ungewollt unglücklich formuliert - den Text kann man auch so verstehen: nicht weil es ein Gebot der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit ist, sondern weil Entwicklungszusammenarbeit (u. a.) für unsere Sicherheit wichtig ist, finden wir uns bereit, die Mittel zu erhöhen.

 

Wir wollen dafür sorgen, dass die deutschen Leistungen im Kampf gegen Armut und Unterentwicklung, gemessen am Bruttonationaleinkommen, bis 2015 auf 0,7 Prozent steigen werden. Der Kampf gegen Armut, auch durch die Bekämpfung von Korruption, der Einsatz für die Rechte der Frauen, die Förderung guter Regierungsarbeit und die systematische Entschuldung von Entwicklungsländern bleiben zentrale Ziele. Wir wollen die Mittel für zivile Krisenprävention und Krisenreaktion erhöhen und die Instrumente dieser Politik ausbauen.

 

0,7 %: Es ist zu wenig, Prozentzahlen zu nennen, die man als Regierungspartei selbst nie ernsthaft zu realisieren versucht hat. Wichtig ist die Effektivität und die Kontrolle der Mittelvergabe: wem nutzt die Hilfe wirklich, und was alles wird als Entwicklungshilfe deklariert. Wir sollten als Sozialdemokraten uns nicht scheuen, die Gelder fürs Militär denen für Entwicklungshilfe und zivile Krisenprävention gegenüberzustellen und die entsprechenden Entscheidungen verantwortungsvoll abzuwägen!

 

Die SPD lehnt jegliche Form von Angriffs- und Präventivkriegen ab. Wir wissen, dass es Situationen geben kann, in denen militärisches Eingreifen notwendig ist.

 

Wir wissen: dies leider nie genau! Wir wissen nur, dass militärisches Eingreifen mitunter gewünscht wird. Und wir wissen, dass es schwer ist, sich den Wünschen von Freunden zu verweigern.

Wir müssen wissen, dass diese nicht näher definierten Situationen zum Hintertürchen werden können, durch das unsere generelle Ablehnung von Präventiv- und Angriffskriegen unterlaufen wird!

Wir wissen zwar, dass es im Prinzip gewisse Situationen geben kann - aber  wir haben im konkreten Fall immer die Pflicht, nachzuweisen, dass es sich um keine solchen, militärisches Eingreifen erheischenden, Situationen handelt! Und das wird nach Lage der Dinge und in Kenntnis der diesbezüglichen historischen Erfahrungen auch immer möglich sein. Genau dieses Vorgehen machte uns unterscheidbar von anderen Parteien.

 

Deutschland kann sich an diesen Missionen beteiligen, wenn sie durch ein völkerrechtlich bindendes Mandat der Vereinten Nationen legitimiert sind, der Einsatz dem deutschen Interesse nicht widerspricht und der Deutsche Bundestag zustimmt.

 

Muss sich Deutschland beteiligen, wenn alle dafür genannten Voraussetzungen gegeben sind? Durch kann bleibt dies offen.

Wir müssen aber fragen: wer definiert das deutsche Interesse? Die Bundesregierung? Die deutsche Wirtschaft? Der deutsche Bundestag? Ein allgemeines, über allen anderen Interessen schwebendes deutsches Interesse gibt es nicht. Soviel sollten wir an theoretischer Bildung aus unserer Geschichte mit- und in das Grundsatzprogramm einbringen! Dass der Bundestag zustimmt und die SPD dagegen stimmt, ist hier nicht vorgesehen. Unsere Fantasie kann sich nicht bis zu diesem Fall hinab schwingen!

 

 Konflikte können zwar militärisch entschieden, aber niemals nur militärisch gelöst werden. Deshalb werden wir darauf drängen, dass ein Einsatz der Bundeswehr stets in ein Konzept von politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und kulturellen Maßnahmen eingebettet ist. Die militärische Option ist und bleibt für uns das letzte Mittel zur Schaffung von Frieden. Auch zur Stabilisierung des Friedens wollen wir Soldatinnen und Soldaten nur dann einsetzen, wenn andere Mittel nicht ausreichen.

 

das letzte Mittel: wann wären die andere Mittel je ausgeschöpft worden?

 

Die Bundeswehr leistet bei ihren internationalen Einsätzen ausgezeichnete Arbeit. Sie genießt aufgrund ihres professionellen Einsatzes weltweit zu Recht hohes Ansehen. Eine gute Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten ist hierfür ebenso wichtig wie eine gute Ausrüstung. Die Neuausrichtung der Bundeswehr an den Aufgaben der internationalen Krisenbewältigung werden wir fortsetzen. Deutsche Soldaten sind als Staatsbürger in Uniform auch Botschafter unseres Landes, die auf dem Wertefundament unserer Verfassung agieren müssen.

 

Das Lob der Streitkräfte gehört in eine Rede des Verteidigungsministers,  aber nicht in unser Parteiprogramm!

 

Neuausrichtung: die neuen  Struck'schen Verteidigungspolitischen  Richtlinien wurden nie von der Parteibasis diskutiert. Sie sollen nun so nebenbei in das sozialdemokratische Grundsatzprogramm übernommen werden, um nachträglich legitimiert zu werden.

Die „Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch“ widerspricht dem Wesen sozialdemokratischer Politik und der Verfassung.

Militär sollte für Sozialdemokraten nicht mehr als ein noch unvermeidliches Übel sein. Seine Überflüssigmachung und Abschaffung muss Ziel und Konsequenz sozialdemokratischer Friedenspolitik sein!

Neue Risiken

 

Der Terrorismus hat eine neue Dimension erreicht. Terroristische Gruppen agieren global vernetzt, schrecken nicht vor Selbstmordanschlägen zurück und streben den Besitz von Massenvernichtungswaffen an. Entstaatlichte, terroristische Gewalt bedroht die ganze Welt. Wir lehnen jegliche Rechtfertigung von Terrorismus ab. Auch wenn im Kampf gegen den Terrorismus der Einsatz von Gewalt nicht ausgeschlossen werden kann, gilt für uns: Wir wenden uns konsequent gegen die Aufweichung des Völkerrechts.

 

Gegen die Aufweichung des Völkerrechts - und die Einschränkung der Bürgerrechte im Zuge der Terrorprävention!

Weder das absolute Folterverbot noch die Regeln zur Behandlung von Kriegs- und Strafgefangenen dürfen relativiert werden. Die Bekämpfung des Terrors, der auf dem Humus von Perspektivlosigkeit und Ohnmacht gedeiht, braucht Zeit, aber auch mehr finanzielle Mittel.

 

Die Bekämpfung der Perspektivlosigkeit und Ohnmacht, die Humus für das Wachsen von Terrorismus sind, braucht Zeit und muss mit mindestens der gleichen Intensität und finanziellen Ausstattung forciert werden wie der Kampf gegen den Terrorismus selbst. Und da könnte viel geleistet werden!

 

 Wir haben in Europa durch fairen Interessenausgleich Frieden gesichert. Darum ist Europa jetzt besonders gefordert, diese Erfahrungen in eine neue Entspannungspolitik einzubringen.

 

Wer ist wir?  Sowohl eine Entgegensetzung von wir und Europa als auch eine Identifizierung  wäre hier fehl am Platz, wie es auch die bemühte Logik ist.

 

 Die Versorgungssicherheit mit Energie, Rohstoffen und Wasser wird im globalen Zeitalter zur herausragenden Frage der internationalen Sicherheit. Das Gleiche gilt für den Klimaschutz, den Schutz vor und die Bewältigung von Naturkatastrophen. Wir orientieren uns dabei an dem Aktionsprogramm „Agenda 21“ der Vereinten Nationen. Erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz sind Schlüssel zu einer friedlichen Entwicklung. Mit ihrer Hilfe können wir Armut bekämpfen und Konflikten um knappe Ressourcen vorbeugen.

 

Nicht das globale Zeitalter macht das Problem, sondern dass mit diesen knapper werdenden Ressourcen viel Geld „verdient“ werden soll. Diese Intention ist seit jeher das entscheidende Sicherheitsrisiko gewesen. Dazu müssten wir Stellung beziehen!

 

Der Zerfall von Staaten führt zur Ausbreitung von Anarchie und Rechtlosigkeit. Er ist eine Herausforderung für die gesamte internationale Staatengemeinschaft. Deutschland und Europa müssen bereit sein, bei der Wiederherstellung von Staatlichkeit und zivilgesellschaftlichen Strukturen Verantwortung zu übernehmen.

 

Sozialdemokraten wissen, dass Staaten nicht einfach so zerfallen! Das heißt, die jeweiligen Ursachen des Zerfalls – oft koloniales Erbe – weisen schon auf Lösungen hin.

 

Abrüstung und Nichtverbreitung

 

Die zunehmende Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verlangt die Renaissance einer Politik der Rüstungsbegrenzung, der effektiven Rüstungskontrolle und Abrüstung. Das ist Konfliktprävention und vorausschauende Friedenspolitik, wie wir sie verstehen, wie sie zu einem Markenzeichen der SPD geworden ist, und wie wir sie gemeinsam mit den europäischen Partnern vorantreiben wollen. Wir bekräftigen unser Ziel einer atomwaffenfreien Welt und werben dafür, die Urananreicherung unter internationale Kontrolle zu stellen. Wir setzen uns dafür ein, eine internationale rechtsverbindliche Ächtung des Einsatzes von Atomwaffen durchzusetzen. Verstärkte Anstrengungen widmen wir auch der Begrenzung und Kontrolle konventioneller Rüstungsgüter.  Wir wollen ein Verbot von Landminen und Streubomben. Gerade bei der Abrüstung setzen wir darauf, bestehende multilaterale Verträge zu stärken und auszubauen.

 

Nicht die zunehmende Verbreitung verlangt... Sie sollte nur der Anlass sein, Abrüstungspolitik wieder ernst zu nehmen, denn auch eine einzige hochgerüstete Supermacht wäre auf Dauer nicht hinnehmbar.

Zu fordern wäre daher wieder ein  für alle geltendes Verbot aller Massenvernichtungswaffen, also auch chemischer und biologischer Waffen! Nichtverbreitung zu fordern mit der Option des alleinigen Besitzes, wäre zynisch!

Als Anfang: die Einrichtung atomwaffenfreier Zonen. Abzug aller auf deutschem Boden stationierten Atomwaffen!

Dann Abrüstung überhaupt, Verminderung der Truppenstärken usw.

 

In einem Grundsatzprogramm nur Ziele bekräftigen, für etwas werben, sich für etwas einsetzen, verstärkte Anstrengungen widmen, etwas wollen und auf etwas setzen, das ist zu wenig!

 

Wir werden auch künftig sicherstellen, dass Deutschland Herstellung, Besitz und Anwendung von Massenvernichtungswaffen nicht anstrebt. Wir sind einer strengen Rüstungsexportpolitik verpflichtet. Rüstungsgüter sind keine normale Handelsware. Die Einhaltung der Menschenrechte, gute Regierungsführung und ein Verbot, Waffen in Konfliktregionen zu liefern, sind für uns maßgebliche Kriterien bei Ausfuhrgenehmigungen.

 

Sicherstellen: können wir dies nur in Regierungsverantwortung! Dies ist aber kein Regierungsprogramm! Was wir fordern sollten, ist ein Verzicht auf Herstellung usw.

Wenn der Satz Rüstungsgüter sind keine normale Handelsware mehr sein soll als eine Binsenwahrheit (die in einem Grundsatzprogramm nichts zu suchen hat), müssten daraus grundsätzliche Forderungen folgen, z. B.:

Waffen werden als öffentliche Daseinssicherung und Daseinsvorsorge(Mittel der Verteidigung) betrachtet. Deshalb wird Waffenproduktion dem Nonprofitsektor zugerechnet und unter öffentliche Verwaltung gestellt.

 

Die Globalisierung  gestalten

 

Das Ziel der Sozialdemokratie ist eine faire Globalisierung, die den Menschen Wohlstand und Entwicklung bringt.

 

Der Begriff der Globalisierung ist zu einem Fetisch der „politischen Moderne“ geworden.

Er dient neoliberaler Ideologie dazu, ihren Weltbeglückungsanspruch zu legitimieren. Dieser Anspruch aber, in die Praxis überführt, verstärkt die bekannten Widersprüche nur weltweit und macht die Spirale der Gewalt unbeherrschbar. Den Gebrauch des Begriffs Globalisierung gilt es in allen seinen Varianten immer wieder kritisch zu hinterfragen.

 

Die Globalisierung gestalten: die Fokussierung auf Globalisierung lenkt ab von dem, was und wie da globalisiert wird. Wer Globalisierung „sozialdemokratisch“ gestalten will, muss sich davor hüten, auf den Gebrauch des Globalisierungsbegriffs des neoliberalen Diskurses hereinzufallen. Dazu gehört als erstes, den Begriff im eigenen Gebrauch wieder zu entmythologisieren. Die Probleme, die dem Wirken von Globalisierung zugerechnet werden, sind „bei Lichte betrachtet“ nichts anderes als die sich verschärfenden Probleme des gegenwärtigen  Kapitalismus.  Die Bedingungen für diese Verschärfung, die von Menschen geschaffen wurden und werden, müssen analysiert werden.

Globalisierung fair gestalten zu wollen, ohne dafür die grundsätzlichen Voraussetzungen zu benennen, bedeutet in einem sozialdemokratischen Grundsatzprogramm, die Illusion zu nähren, man könne mit gerechter Gestaltung der Globalisierungsprozesse die gesellschaftlichen kapitalistischen Verhältnisse in sozial gerechte transformieren! 

 

 

Standortkonkurrenz zwischen Wirtschaftsräumen darf nicht zum weltweiten Druck auf Löhne, zu schlechteren Arbeitsbedingungen, Sozialleistungen und Umweltnormen führen. Das international operierende Kapital darf sich nicht seiner sozialen und ökologischen Verantwortung und seiner Steuerpflicht entziehen. Dazu bedarf es fairer und wirksamer Regeln für die Finanz-, Rohstoff- und Warenmärkte sowie international verbindlicher sozialer und ökologischer Standards für einen funktionierenden Wettbewerb. Daher wollen wir Möglichkeiten zur Steuerung der Wirtschaften durch internationale Kooperation und Rahmensetzung zurückgewinnen und erweitern, ohne nationale Politik aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Auf diese Weise wollen wir die Millenniumsziele der UN verwirklichen und den Weg zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung öffnen.

 

Der mögliche Impuls, den die Schilderung der „Krankheitssymptome“ unseres Wirtschaftssystems für das Handeln der Sozialdemokratie vermitteln könnte, verebbt im Beteuern, dass dies alles nicht so sein darf, und dass man, um Abhilfe zu schaffen, nur dieses oder jenes wollen müsse.

 

Was hielte man von einem Arzt, der am Bett eines Kranken etwa sagte: „Diese Bazillen, die den Kranken befallen haben, dürfen nicht zu Fieber,  Schmerz und Verwesung führen, deshalb will ich Möglichkeiten zur Schmerzbekämpfung durch gute Arznei zurückgewinnen, ohne den Gesundheitsminister aus seiner Verantwortung zu entlassen, und die Reichen aus ihrer Solidarpflicht. So will ich den Weg zu seiner Genesung öffnen...“?

In diesem Stil ist der ganze Abschnitt Die Globalisierung gestalten verfasst!

 

  Wir brauchen auf internationaler Ebene ein Gremium, das für wirkliche Koordinierung und Kohärenz in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragen sorgt. Wir brauchen deshalb bei den UN einen Globalen Rat für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, in dem alle Regionen und auch die internationalen Handels- und Finanzinstitutionen hochrangig vertreten sind. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit im Welthandel.

 

Ein mehr an Gerechtigkeit enthält immer noch ein Quantum an Ungerechtigkeit. Wie viel Ungerechtigkeit wollen wir zulassen? Gerechtigkeit ist unteilbar!

 

Die Entwicklungsländer wollen keine Almosen - sie wollen gerechte Chancen auf den Märkten. Dazu müssen die Industrieländer im Rahmen der WTO ihre Märkte öffnen und die Subventionierung ihrer Agrarexporte Schritt für Schritt reduzieren und schließlich beenden.

 

Die Argumentation, warum wir dieses Mehr an Gerechtigkeit brauchen (nämlich weil die Entwicklungsländer keine Almosen wollen),  hat einen faden Beigeschmack und verliert sich in beliebigen Details (Welthandel, Agrarsubventionen....). Es wird der Eindruck erweckt, es gäbe in der Sozialdemokratie nicht die selbstverständliche Solidarität mit jedem, der mit Almosen abgespeist wird oder werden soll!

 

Die wirtschaftliche Globalisierung droht das Primat demokratischer Politik in wesentlichen Bereichen auszuhöhlen. Wir wollen die Vorrangstellung der Politik verteidigen, weil nur so nationale und globale Demokratie als Ordnungsprinzip durchgesetzt werden kann.

 

Die wirtschaftliche Globalisierung droht...: Falsch! Wo gibt es in der Weltwirtschaft das Primat demokratischer Politik? Die entscheidende Frage müsste lauten: Wie können wir die Vorrangstellung demokratischer Politik gegen die Vorrangstellung neoliberale Politik (im Prozess der Globalisierung)erkämpfen?

 

 Unkontrollierte Kapitalbewegungen auf den internationalen Finanzmärkten können ganze Volkswirtschaften gefährden.

 

Sie können nicht nur gefährden, sie haben bereits ganze Volkswirtschaften ruiniert!

 

[…]

Bei der Durchsetzung von Umwelt- und Sozialstandards beziehen wir die Macht der Verbraucher bewusst mit ein. Alle Produkte und Dienstleistungen, die nachweisbar unter Beachtung internationaler Arbeitsschutzregeln, der Kernarbeitsnormen und durch ökologisch nachhaltige Fertigung produziert und angeboten werden, sollen ein leicht erkennbares und verständliches Gütesiegel erhalten. Beim Ziel einer gerechten Globalisierung sollen auch multinationale Unternehmen in die Pflicht genommen werden. Vereinbarungen, mit denen sich global tätige Unternehmen gegenüber ihren Beschäftigten und Kunden auf die weltweite Einhaltung grundlegender Sozialnormen verpflichten, sind ein geeignetes Instrument zur Durchsetzung von Sozialstandards. Ökologische Einsicht hat soziale Voraussetzungen. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir ein gemeinsames Bewusstsein für die Interessen der Menschen und der Umwelt in einer global vernetzten Welt schaffen können.

 

Die Macht der Verbraucher als Faktor für positive Selbstregulation ist ein Argument der Vertreter der radikalen Marktwirtschaft. Nur in wenigen Fällen jedoch mag durch Organisierung der abstrakten Macht der Einzelnen konkrete Macht von Vielen werden und dies zu gewünschten Erfolgen führen. Die Hoffnung auf die Macht der Verbraucher dient dem Ausweichen vor unverzichtbaren gesetzgeberischen Aktivitäten. Genau hier liegt u. a. ein Tätigkeitsfeld für die Zurückgewinnung des Primats der Politik.

 

Das Setzen auf Vereinbarungen mit der Wirtschaft oder auf freiwillige Verpflichtungen ist blauäugig und verleugnet alle negativen diesbezüglichen Erfahrungen!

 

4.2 Das soziale und demokratische Europa

 

Seit der Verabschiedung des Heidelberger Programms im Jahr 1925 kämpfen deutsche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für die Einigung Europas.

 

(Siehe Anmerkung unter 2. Woher wir kommen – Heidelberger Programm)

 

Vieles, was damals unerreichbar schien, ist heute selbstverständliche Wirklichkeit. Die europäische Einigung aus den Trümmern zweier Weltkriege hat die friedlichste Periode seit Bestehen dieses Kontinents ermöglicht.

 

seit Bestehen dieses Kontinents: ist eine der kühnsten Behauptungen in diesem Entwurf. Sie entspricht etwa der eines Wasserstandsmessers, der äußerte: „dies ist der höchste Wasserstand seit Bestehen der Elbe!“

 

Krieg, Vertreibung und Hunger sind überwunden. Die Menschen genießen Stabilität und Wohlstand. Die Europäische Union ist ein Friedensprojekt.

 

Immer wieder drängt sich bei solch schönen Verallgemeinerungen die Frage auf: wer sind die Menschen (die Wohlstand genießen)?

 

 Europa ist eine demokratische und soziale Wertegemeinschaft, nicht nur ein Wirtschaftsraum. Unsere Vorstellungen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind in der Europäischen Grundrechtecharta verankert. Auf diesen Werten basiert das europäische Gesellschaftsmodell.

 

Das europäische Gesellschaftsmodell: wie auch das europäische Sozialmodell sind reine Fiktionen. Es sind auch keine genuin sozialdemokratischen Modelle. Das gegenwärtig in Europa herrschende Gesellschaftsmodell heißt noch immer und teilweise wieder Kapitalismus. Es müsste dann also auch von einem europäischen Kapitalismus gesprochen werden, was bei der Verschiedenheit seiner Erscheinungsformen in den einzelnen Ländern kaum möglich ist.

 

Wenn aber ein einheitlicher europäischer Kapitalismus (europäisches Gesellschaftsmodell) Ziel sozialdemokratischer Politik werden soll, ist die Anpassung unserer Vorstellungen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität an den Zeitgeist der „politischen Moderne“ nur folgerichtig. Nur darf es dann nicht verwundern, dass sich unsere Grundwerte von denen der anderen, die sie ebenfalls im Munde führen, nicht mehr unterscheiden. Der so stolz klingende Satz, dass „unsere Vorstellungen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ in der Europäischen Grundrechtscharta verankert seien, erweist sich, recht besehen, als ein für die deutsche Sozialdemokratie schmachvolles Eingeständnis ihres Establishments, wie weit in Anpassung zu versinken es für seine „Gesellschaftsfähigkeit“ bereit ist. 

 

Wenn man den Text dieses Entwurfs ernst nimmt, und die Kritik versucht dies unter Mühen, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Verfasser es genau so meinen, wie sie es noch nicht sagen wollten.

 

[…]

 Die Sozialdemokratie in Europa steht für eine Politik, die es jedem Menschen ermöglicht, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und durch Leistung voranzukommen. Wir stehen dafür, dass Menschen sich auf die Solidarität der Gemeinschaft verlassen können, wenn sie in Not geraten. Wir wollen ein tolerantes  Europa, in dem Menschen aller Nationen, Hautfarben und Religionen miteinander leben. Die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen sind ein Reichtum, den wir sorgsam erhalten wollen.   

 

Muss nun, wo von Europa die Rede ist, wieder das ganze Werte- und Wunschrepertoire durchdekliniert werden?

 

Die Europäische Union ist unsere Antwort auf die Globalisierung.

 

Es kommt nicht darauf an, die EU pauschal als unsere Antwort zu vereinnahmen, sondern sie sozial zu gestalten, sie also zu verändern.

 

Freiheit und Demokratie, Wohlstand und Gerechtigkeit in Deutschland können wir im globalen Zeitalter nur in der Gemeinschaft mit unseren europäischen Partnern sichern. Auf europäischer und auf internationaler Ebene bündeln wir die Kräfte, um den globalen Märkten Regeln für mehr Gerechtigkeit, für soziale und ökologische Verantwortung zu geben. Wir wollen die Europäische Union zu einer handlungsfähigen Friedensmacht fortentwickeln.

 

Diese Aussagen bedeuten nicht nur sprachlich eine völlige Identifizierung von sozialdemokratischer und europäischer Politik.

 

Friedensmacht Europa

 

Die Europäische Union arbeitet an einer Friedenspolitik, die auf Vorbeugung von Konflikten, einem umfassenden Sicherheitsbegriff und auf Multilateralismus fußt.

 

Wenn die SPD gewissermaßen in der Tätigkeit der EU verschwindet bzw. aufgeht, ist es nur folgerichtig, wenn ihr

Grundsatzprogramm zu einer Werbebroschüre für die EU verkommt.

 

 Damit Europa zu einer globalen Friedensmacht wird, muss die Europäische Union ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit verbessern. Wir setzen uns für eine Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ein.

Die Verbesserung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Fähigkeiten der EU dient auch dem Ziel, den europäischen Pfeiler im transatlantischen Bündnis zu stärken.

 

Verteidigungspolitische Fähigkeiten sind ein Euphemismus. Auch Werbetexte aus dem Verteidigungsministerium sind hier fehl am Platz.

 

Die Armeen der europäischen Nationalstaaten sollen noch enger zusammenwachsen. Ziel ist Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion. Ein erster notwendiger Schritt ist die Schaffung von Einheiten mit integrierten Kräften unter einem einheitlichen Kommando. Dies muss und kann mittelfristig nicht alle Bereiche der militärischen Zusammenarbeit betreffen. Langfristig streben wir die Schaffung einer europäischen Armee an, deren Einsatz parlamentarisch legitimiert werden muss.

 

Einsatz parlamentarisch legitimiert: Beim Einsatz der Bundeswehr waren schon wenig Vertrauen fördernde Beispiele parlamentarischer Legitimation zu erleben. Den Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands kann doch nicht im Ernst in ihrem Grundsatzprogramm zugemutet werden, langfristig nach einer europäischen Armee zu streben, oder anders, das Streben von ehrgeizigen Politikern aus dem Dunstkreis des Verteidigungsministeriums und der Rüstungslobby zu unterstützen! Wir streben doch wohl langfristig und sofort nach Abrüstung und Überflüssigmachung jeder Armee und jeglichen Militär-Unwesens?!

 

 Eine umfassende Sicherheitspolitik erfordert, dass die Europäische Union ihr politisches und ökonomisches Gewicht bündelt. Hierzu muss Europa in den wichtigen internationalen Organisationen mit einer Stimme sprechen. So können die Staaten Europas wirksam auf eine faire und sozial gerechte Verteilung des global erwirtschafteten Wohlstands und eine Demokratisierung der internationalen Regime und Organisationen hinwirken. Europa darf in seinen entwicklungspolitischen Anstrengungen nicht nachlassen.

 

So einfach ist das: Europa muss nur seine Gewichte bündeln und mit einer Stimme sprechen (am besten mit der aus dem sozialdemokratischen Hauptquartier), und schon wird im sicherheitspolitischen Interesse der global erwirtschaftete Wohlstand gerecht verteilt werden können! Oder ist gemeint, dass wir den Wohlstand gerecht verteilen, den wir global erwirtschaftet haben, oder den, der global von anderen erwirtschaftet wurde? Das hieße allerdings, dass alle anderen dem zustimmen müssen, wenn unsere Politik von Erfolg gekrönt sein soll. 

 

[…]

Das soziale Europa

 

Europa hat den größten Binnenmarkt der Welt geschaffen und eine einheitliche Währung eingeführt. Jetzt gilt es, die soziale Dimension der EU zu stärken – denn sie ist der zentrale Teil unseres europäischen Gesellschaftsmodells. Deshalb wollen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in einem europäischen Grundgesetz die soziale Dimension gleichgewichtig neben das Wettbewerbsprinzip stellen. Die in der Europäischen Grundrechtecharta festgelegten sozialen Grundrechte müssen Wirklichkeit werden.

 

gleichgewichtig: Dieses Reden von Gleichgewichtigkeit  ist ein ideologischer Taschenspielertrick, um vom Problem der sozialen Gerechtigkeit abzulenken. Soziale Dimension ist ein Ausdruck für den „Raum“, den Soziales in einer Gesellschaft einnimmt. So wie Soziales an sich noch nicht die Idee der Gerechtigkeit enthält, so bleibt auch Soziale Dimension in Hinsicht auf Gerechtigkeit wertfrei. Wenn Sozialdemokraten diesen Begriff sich aneignen, läge es in ihrer Tradition, den Aspekt der Gerechtigkeit mitzudenken und einzufordern. Dann aber ginge es nicht mehr, die Soziale Dimension gleichgewichtig neben das Wettbewerbsprinzip zu stellen. Der Klartext dieses unreflektiert verlockenden Bildes von Gleichgewichtigkeit hieße dann: Sozialdemokraten wollen soziale Gerechtigkeit gleichgewichtig neben Profitmaximierung stellen! Es wird deutlich, dass dies im realen Leben ein nicht einmal schöner Traum bleiben muss.

 

[...]

Das demokratische Europa

 

[…]

Je weiter die Vertiefung der politischen Integration voranschreitet, umso dringlicher stellt sich die Aufgabe, eine echte europäische Demokratie zu bauen. Eine wichtige Grundlage ist eine Europäische Verfassung. Sie weist den Weg zu einer Exekutive der Europäischen Union, die durch das Parlament gewählt und kontrolliert wird.

 Die Europäische Union bringt Personen und Organe der europäischen, der nationalen, der regionalen und der kommunalen Ebene im politischen Entscheidungsprozess zusammen. Sie muss ihre demokratische Legitimität folglich aus unterschiedlichen Quellen beziehen. Ziel unserer Politik ist es, die Europäische Union als eine funktionstüchtige und beteiligungsoffene Mehrebenendemokratie weiterzuentwickeln.

 

Man sieht förmlich die Quellen demokratischer Legitimation sprudeln und - sogleich versiegen, wenn man daran denkt, welche Schwierigkeiten es unseren eigenen Kadern aus dem modernen politischen Establishment schon bereitet, sich eine demokratische Legitimierung der Europäischen Verfassung durch das Volk vorzustellen. 

 

[…]

 Wir treten dafür ein, dass die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten enger  in die europäische Politik einbezogen werden. Ihre Informations- und Beteiligungsrechte sind nachhaltig zu stärken. Nationale Parlamente müssen streng kontrollieren können, ob die Europäische Union das Prinzip der Subsidiarität bei ihren Regelungen wahrt. Nationale Parlamente und das Europaparlament sind auf ihren Ebenen gleichermaßen verantwortliche Partner bei der demokratischen Kontrolle der EU.

 

Gleichermaßen verantwortlich: Der Bundestag soll eine Instanz zur (demokratischen) Kontrolle der EU sein. Er soll für diese Kontrolle in gleichem Maß Verantwortung tragen wie das Europaparlament. Das entspräche der in etwa analogen Forderung, die Landesparlamente und der deutsche Bundestag seien gleichermaßen verantwortliche Partner bei der Kontrolle der Bundesrepublik Deutschland!

 

[…]

Eine europäische Demokratie ist nur dann dauerhaft lebensfähig, wenn sie auf dem politischen Engagement und dem öffentlich artikulierten Willen der Bürgerinnen und Bürger in Europa ruht. Stärker noch als bisher muss daher die europäische Politik in einer europäischen Öffentlichkeit debattiert werden. Europa braucht den demokratischen Streit um politische Alternativen.

 

politische Alternativen: Vor dem Streit braucht es erst einmal überhaupt politische Alternativen! Das neue Grundsatzprogramm wäre der Ort zum Einbringen sozialdemokratischer Alternativen. Das wäre besser, als davon zu reden, dass Europa politische Alternativen braucht!

 

Deshalb wollen wir die direkten Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. 

 

Hier muss Konkretes eingefordert werden!

 

Ebenso sind starke europäische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen unabdingbar. Unser Ziel ist es, die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) zu einer politisch starken Mitglieder- und Programmpartei weiterzuentwickeln. In Zukunft sollen die Mitglieder der sozialdemokratischen Parteien in Europa die SPE bilden. Wir setzen uns für die Erarbeitung eines sozialdemokratischen Grundsatzprogramms für Europa ein.

 

Ein Sozialdemokratisches Grundsatzprogramm für Europa: Ein überzeugender Beitrag hierzu wäre u. a, ein überzeugendes Grundsatzprogramm für die eigene Partei zu entwickeln. Erst wenn die Mitglieder unserer Partei wieder wissen, wozu sie gebeten werden (wofür sie kämpfen sollen und wollen), wird die politische Stärke der Mitgliedschaft zu einer auch quantitativen Stärkung der Mitgliederzahlen in der SPD führen.

 

4.3 Solidarische Bürgergesellschaft und demokratischer Staat

 

Jede Demokratie lebt durch das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Darum wollen wir eine starke, vitale Bürgergesellschaft, in der die Menschen die Freiheiten der Meinung, der Vereinigung und Versammlung ausgiebig nutzen. Nur dann kann unsere Gesellschaft die Kraft zur beständigen Erneuerung aufbringen. Eine selbstbewusste Bürgerschaft gestaltet und organisiert ihr Zusammenleben in einem handlungsfähigen Staat.

 

Jede Demokratie:  lebt immer nur durch das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Je nach Verfasstheit der jeweiligen Demokratie wechselt allerdings der Kreis der an ihr Beteiligten. (siehe Griechenland und  Rom der Antike usw.)

 

beständige Erneuerung: was soll beständig (ständig?) erneuert werden? Der Kapitalismus, die Wettbewerbsfähigkeit, die Sozialsysteme? Welchen Aspekt von Erneuerung betonen wir - den der Anpassung der Menschen an die „Gesellschaft“ (das System) oder umgekehrt? Oder betonen wir den Aspekt der Veränderung dessen, an das der Mensch sich, ohne Schaden zu nehmen, nicht anpassen darf? 

 

selbstbewusste Bürgerschaft: wenn wir alle Schichten und Klassen einbeziehen, dann haben wir selbstbewusste Bankiers, selbstbewusste Unternehmer, selbstbewusste Arbeiter, selbstbewusste Arbeitslose, selbstbewusste Ein-Euro-Jobber - also alles was wir jetzt auch haben, nur selbstbewusst. Und dann? Das Angebot der Verfasser lautet: Nur dann kann unsere Gesellschaft...

 

handlungsfähiger Staat: bekanntermaßen  geht die Meinung, was ein handlungsfähiger Staat ist, weit auseinander. Manche halten eine Diktatur für am handlungsfähigsten!

 

Hinter der Beliebigkeit dieses Redens steht der Wunsch der Menschen (und insonderheit der Sozialdemokratie): alle gesellschaftlichen Probleme auf der Welt möchten sich durch den guten Willen der im Grunde guten Menschen lösen lassen. Die Geschichte zeigt aber, dass Politik, die auf dieser Hoffnung ruht, regelmäßig zum Scheitern verurteilt ist. Nebenbei: in Diktaturen gaukeln Begriffe wie Volksgemeinschaft, oder sozialistische Menschengemeinschaft repressiv den Menschen vor, sie seinen in einem solchen Reich ohne innergesellschaftliche Widersprüche angekommen. Dies sollte auch weiterhin der Propaganda in Diktaturen vorbehalten bleiben.

 

[…]

 Wir wollen starke Parlamente. Sie sind das Herz demokratischer Willensbildung. Und wir wollen, dass Abgeordnete von einer wachen diskutierenden Öffentlichkeit begleitet und angespornt werden. Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Damit haben sie eine herausgehobene Stellung in unserer parlamentarischen Demokratie. Wir nehmen den Auftrag der Parteien ernst, die stetige politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an den Entscheidungen sicherzustellen. Wir wollen neue Begeisterung für die Demokratie wecken, eine höhere Wahlbeteiligung und mehr direkte Einmischung erreichen. Wir stehen für mehr Demokratie und mehr direkte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen Volksbegehren und Volksentscheid in Gemeinden, Ländern und Bund parlamentarische Entscheidung ergänzen.

 

Willensbildung: ...und das Volk sollte bei der Willensbildung der Parteien und Regierungen mitwirken! Das wird ohne politisches Streikrecht, das Recht auf Generalstreik und die Einrichtung von Volksentscheiden auch als Korrektiv(!) parlamentarischer Beschlüsse in letzter Konsequenz nicht möglich sein! Der Wahlzettel alle fünf Jahre genügt nicht.

 

...ergänzen: Formen direkter Bürgerbeteiligung sollten die gesellschaftlichen Möglichkeiten politischer Entscheidung erweitern und sich nicht darauf beschränken lassen, politische Entscheidungen durch Parlamente zu ergänzen.

 

[…]

 Gutes Regieren in einem handlungsfähigen Staat erfordert den Abbau von nutzloser Bürokratie. Wir brauchen eine kraftvolle Modernisierung der Verwaltung, damit sie ihre Aufgaben bei raschem Wandel zeitgemäß erfüllt. Öffentliche Mittel dürfen an keiner Stelle verschwendet werden. Wir wollen keinen vormundschaftlichen, sondern einen aktivierenden Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern dient und der die Aufgaben, die sie ihm zuweisen, zielbewusst, wirksam und wirtschaftlich erledigt.

 

Dass wir keinen vormundschaftlichen Staat usw. wollen, darf nicht alternativlos dazu führen, dass wir einen „aktivierenden Staat“ wollen und diesen Begriff in unserem Programm festschreiben. Die Philosophie und die Konzepte, die hinter diesem Begriff stehen, sind unausgegoren und in sich widersprüchlich und versuchen, Neoliberalismus mit Elementen des Sozialstaats zu versöhnen. Sie nennen sich modern und führen zu Ergebnissen wie die Hartz-Gesetzgebung.

 

Wer Ämter und Mandate übernimmt, trägt große Verantwortung.(…) Wir wollen Politikerinnen und Politiker, die mit der Gesellschaft verbunden bleiben und sich an Aufrichtigkeit, Offenheit und Klarheit orientieren.

 

In unserem Grundsatzprogramm müssen wir zuerst von unseren Mandatsträgern sprechen. Durch mehr Demokratie bei den Auswahlverfahren,  könnten z. B. Kungelei, unseriöse Absprachen auf Parteitagen usw. erschwert werden. Wenn man es ernsthaft wollte, gäbe es viele konkrete Schritte auf dem Weg, das allgemeine intellektuelle und sittliche Niveau von Politikern zu heben. Bloße Appelle wie diese tragen dazu nicht bei.

 

 

Die solidarische Bürgergesellschaft

 

[…]

 Eine starke Bürgergesellschaft bietet uns Heimat in Zeiten stürmischen Wandels. Wo Menschen sich für Menschen einsetzen, sind Verantwortungsbereitschaft, Gerechtigkeitssinn, gegenseitige Anerkennung, Solidarität und Mäßigung beim Gebrauch individueller Freiheit erfahrbar. Aus dieser gelebten gesellschaftlichen Solidarität wächst neuer Zusammenhalt – gegen die Vereinzelung des Menschen und die Fliehkräfte des modernen Lebens. Wo wir soziale Probleme gemeinsam lösen, finden wir Orientierung, Vertrauen und Sicherheit.

 

Wenn ein Grundsatzprogramm auch nicht verwissenschaftlicht sein soll, darf es doch auch nicht hilflos in Bürokratenlyrik verfallen. Diese kann nicht den notwendigen analytischen Verstand ersetzen!

Alles auch weiter unten zur solidarischen Bürgergesellschaft und zu starken Kommunen Geschriebene fällt unter die illusionären Aspekte des aktivierenden Staats und ist im Stil eines Regierungsprogramms einer Partei der neuen Mitte verfasst.

 

 […]

Der soziale Bundesstaat

 

Der demokratische und soziale Bundesstaat gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg der Bundesrepublik Deutschland. Wir halten an diesem Prinzip fest. Es bedeutet: Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo sie nahe an den Aufgaben und Problemen sind. Wir folgen auch hier der Idee der Subsidiarität. Das heißt: Die kleinere politische Einheit hat Vorrang vor der größeren.

 

Dass der Bundesstaat (und damit die nach dem 2. Weltkrieg auch aus machtpolitischen Gründen von den Alliierten bevorzugte Bundesstaatlichkeit) eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg Deutschlands ist, bleibt eine leere Behauptung, solange nicht gesagt wird, was unter dem behaupteten Erfolg zu verstehen sein soll, und inwieweit dieser Erfolg dann plausibel in Relation zur Bundesstaatlichkeit gebracht werden kann. Die Frage nach heutigem Sinn und der Tragfähigkeit dieser Bundesstaatlichkeit sollte von der deutschen Sozialdemokratie nicht tabuisiert, sondern diskutiert werden und muss hier nicht ohne Not festgeschrieben werden!

Dass dieser Bundesstaat ein demokratischer und sozialer ist, das könnte unserer Auffassung nach einer der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg Deutschlands sein. 

 

 […] Wir übertragen politische Entscheidungsgewalt auch in Zukunft auf die Europäische Union, wenn der größere europäische Rechtsraum mehr Sicherheit und Wohlstand für die Menschen fördert. Aber wir verzichten nur dann auf nationalstaatliche Kompetenzen zugunsten europäischer oder internationaler Institutionen, wenn deren demokratische Kontrolle gesichert ist.

 

Es ist illusorisch, zu behaupten, wir könnten nach unserem Belieben politische Entscheidungsgewalt auf die EU übertragen oder nicht übertragen.

 

 […] Unser Leitbild ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Jede Kommune und jedes Land hat eigene Stärken, die wir unterstützen wollen.

 

eigene Stärken: müssen von uns nicht unterstützt werden.

Was wir aber unterstützen sollten, sind charakteristische Besonderheiten, die die Einmaligkeit und Liebenswürdigkeit z. B. eines „Ortes“, einer Landschaft oder eines Landes ausmachen und die ohne finanzielle Hilfe nicht erhalten oder ausgebaut werden können, da „der Markt“ dafür kein Interesse zeigt.

 

Sicherheit in Freiheit

 

Eine freie und offene Gesellschaft gründet auf die verlässliche Einhaltung von Regeln und auf sozialen Zusammenhalt. Wo das nicht gilt, geht mit der Sicherheit auch die Freiheit verloren. Sicherheit ist ein grundlegendes öffentliches Gut. Menschen müssen ohne Furcht vor Zwang und Verbrechen leben können, damit politische Freiheit und Teilhabe gedeihen.

 

Der Begriff der Offenen Gesellschaft gehört ins Repertoire des bürgerlichen Liberalismus. Man muss den Begriff nicht für unser Grundsatzprogramm reklamieren!

Was folgt, sind politische Banalitäten Mit Pseudologik  aufbereitet. Was hier aber relevant sein könnte, sind Probleme der Balance von Freiheit und Sicherheit, des Verletzens von „Regeln“ durch Bürger oder Staat, der Überwachung und der Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten.

 

 Der Rechtsstaat bindet alle Machtausübung an Recht und Gesetz. Allein diese Bindung legitimiert die Befugnis zur Durchsetzung der Rechtsordnung. Der Staat hat das Gewaltmonopol inne. Wir widersetzen uns allen Bestrebungen, die Pflicht des Staates, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, auf Private zu übertragen oder Sicherheit gar wie eine beliebige Ware zum Kauf feilzubieten.

 

Privatisierung dieser Pflicht des Staates  beinhaltet bereits,  Sicherheit zur Ware zu machen.

 

 Die Sicherheit in unserem Land ist von innen wie von außen bedroht: durch Kriminalität, Extremismus und Terrorismus. Diese bekämpfen wir konsequent mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaats. Sicherheit im Inneren ist Aufgabe der Polizeien von Bund und Ländern. Das Verbot der Willkür und der Folter gilt absolut. Der freiheitliche Rechtsstaat hat seine Prinzipien zu wahren. Das ist das erste Gebot der geistigen Abwehr von Extremismus und Terrorismus.

 

Gebot der geistigen Abwehr: Das ist durchaus auch ein Gebot für die praktische Abwehr von Extremismus und Terrorismus.

 

Rechtsextreme bedrohen unsere Freiheit und unsere Demokratie. Gegen Ideologie und Gewalt des Rechtsextremismus leisten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten entschiedenen Widerstand. Extremismus, Rassismus und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft.

 

Muss heißen:...dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, denn sie haben leider viel zu viel Platz!

Sozialdemokraten sollten generell für ein Verbot verfassungsfeindlicher Parteien und Organisationen kämpfen. Ein Staat der an die Bürger appelliert und selber seine Pflicht nicht tut, wird als schwach oder scheinheilig wahrgenommen.

 

Religiös motivierter Extremismus ist ebenso entschlossen in die Schranken zu weisen. Menschenrechte sind auch unter Berufung auf religiöse Regeln und Riten oder Traditionen nicht relativierbar. Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Traditionen findet dort ihre Grenze, wo Menschenrechte verletzt werden. Unterdrückung, Gewalt, Verweigerung der Selbstbestimmung, Zwangsverheiratung, Zwangsprostitution oder so genannte Ehrenmorde an Frauen müssen mit allen rechtlichen Mitteln verhindert und geahndet werden. Betroffene Frauen und Mädchen müssen soziale Hilfen und Rechtsbeistand erhalten.

 

Toleranz...findet dort ihre Grenze: Das ist ein Beispiel für Populismus von der unterschwelligen Art! Dieser Satz unterstellt, das anderen Kulturen Menschenrechtsverletzungen wesentlich sind und wir sie nur eben bis zu diesem Punkt tolerieren dürfen. Wir stellen andere Kulturen gewissermaßen unter Generalverdacht, indem wir sie der unseren gegenüberstellen.

Beweis: Kämen wir auf die Idee in unser Grundsatzprogramm zu schreiben, wir tolerierten unsere Kultur, unsere christliche Religion, unsere Traditionen nur, insoweit Menschenrechte nicht verletzt werden?

Zum adäquaten Ausdruck muss kommen, was, unabhängig von der eigenen oder von anderen Kulturen, gemeint ist:

„Verletzungen von Menschenrechten, wie auch immer motiviert, finden bei Sozialdemokraten keine Toleranz!“

 

Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach umfassender Sicherheit. Dazu zählen menschliche Zuwendung, Geborgenheit und Anerkennung. Dieses Bedürfnis wächst, wenn Menschen Veränderungen ausgesetzt sind, die sie nicht kontrollieren können, die ihre Existenz bedrohen, ihr Wissen entwerten oder ihre Wertevorstellungen in Frage stellen. Familie und Nachbarschaft, das gesamte Netzwerk gesellschaftlicher Beziehungen in Vereinen, Gewerkschaften, Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften, Organisationen bürgerschaftlichen Engagements und Hilfswerken bildet eine kostbare soziale Voraussetzung des persönlichen Sicherheitsgefühls. Weil dieses Netz etwas leistet, was der Staat und die Politik nicht selbst leisten können, haben wir ein außerordentliches Interesse an der Freiheit und Vitalität mitmenschlicher Beziehungen und bürgerschaftlicher Organisationen.

 

...tiefes Bedürfnis: Menschen haben so manche Bedürfnisse. Aber unser Grundsatzprogramm sollte nicht individualpsychologisches Halbwissen mit diffuser Andeutung gesellschaftlicher Probleme (Veränderungen) vermengen und die Bekundung unseres außerordentlichen Interesses daran darbieten!

 

 

Integration und Einwanderung

 

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Einwanderinnen und Einwanderer haben unser Land wirtschaftlich und kulturell enorm bereichert.

 

Muss es nicht ehrlicherweise  auch heißen: Deutschland hat sich auf Kosten der Einwanderer (Gastarbeiter) enorm bereichert?

 

Im Zeitalter von Globalisierung und demografischem Wandel wird die Aufgabe, unsere Gesellschaft für Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu öffnen, noch wichtiger. Wir brauchen und wollen mehr qualifizierte Einwanderinnen und Einwanderer. Und wir wollen unser Land konsequent auf die Zukunft als Einwanderungsgesellschaft vorbereiten

 

Deutschland ist ein Einwanderungsland: und dann, vier Sätze weiter: wir wollen unser Land auf seine Zukunft als Einwanderungsgesellschaft vorbereiten. Ist das Nonsens? Zumindest verwirrend!  Gemeint ist doch lediglich: wir müssen die Fakten anerkennen und unsere Gesellschaft entsprechend einrichten...

 

[…]

 Als Einwanderungsland streben wir die Einbürgerung der zu uns kommenden Menschen an. Wir wissen: Dieser Schritt ist nicht das Ende der Integration, sondern eine wichtige Etappe, die eine volle politische Teilhabe ermöglicht.

 

Die Einbürgerung sollten die Einwanderer anstreben. Wir (Sozialdemokraten) sollten zu den Bedingungen Stellung nehmen!

 

 Wir wollen den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen – insbesondere mit dem Islam – intensiver und breiter führen und verbindlicher gestalten. Wir wollen Ängste und Berührungsängste abbauen und den wechselseitigen Respekt stärken. Deutschland ist unsere gemeinsame Heimat.

 

Deutschland ist nicht die Heimat aller Einwanderer (hier Lebender, oder sind nur die Eingebürgerten gemeint?)! Der Heimatbegriff darf hier vermieden werden.

 

 Wir stehen zu dem Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte. Daraus folgt die Verantwortung, Menschen Schutz und Zuflucht zu geben, die vor Gewalt, vor geschlechtsspezifischer, staatlicher und nicht staatlicher Verfolgung und Diskriminierung aus ihrer Heimat fliehen. Wer über lange Zeit in Deutschland geduldet war, soll einen gesicherten Aufenthaltsstatus bekommen. Wir setzen uns für eine gemeinschaftliche Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene ein. Sie muss auch dafür sorgen, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen.

 

Weil das Recht auf Asyl politisch Verfolgter im Grundgesetz steht, bedarf es keiner Erwähnung, dass wir dazu stehen! Interessanter wäre unsere Haltung zur Asylgesetzgebung: ob und wie wir sie prinzipiell weiterhin ausgestalten wollen.

 

 

Öffentlichkeit und Medien

[…]

Die Kultur der demokratischen Gesellschaft

 

Die Sozialdemokratie war von Anfang an auch eine Kulturbewegung.

 

Es darf, um hier Geschichtslosigkeit zu vermeiden, erwähnt werden, dass die Entstehung der Sozialdemokratie eng mit der Geschichte der Arbeiterbewegung verknüpft war, dass die Partei aus ihr hervorging, Teil ihrer Kultur wurde und diese ihrerseits politisch stark prägte.

 

Wir stehen in der Tradition eines weiten Kulturbegriffs. Er reicht über die Künste hinaus und bezieht auch kulturelle Bildung, geschichtliches Erbe und die Formen unseres Zusammenlebens ein. Wir brauchen eine politische Kultur, die unsere Demokratie stützt.

 

weiter Kulturbegriff: unter Kultur wurde auch von anderen nie nur Kunst verstanden.

 

politische Kultur: Wenn wir die Ursachen dieses beklagten Mangels nicht aufzeigen können, werden wir ihn durch Appelle auch nicht beheben können, so wie man der Versteppung einer Landschaft nicht mit dem Ruf beikommen kann: wir brauchen eine Bodenkultur!

Über politische Kultur wäre vielleicht in einem Absatz „Innerparteiliche Demokratie“ trefflicher zu sprechen; ist es doch nicht die schlechteste Übung, bei sich selbst zu beginnen!

 

Kultur ist in besonderer Weise der Raum, in dem sich die Gesellschaft ihrer Werte- und Zielvorstellungen vergewissert. Sie stärkt die Menschen, schafft Zugehörigkeit, das Bewusstsein von Verwurzelung und trägt damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.

 

[…]

Friedliche Vielfalt wird nur möglich sein, wenn wir uns unserer geistigen Wurzeln aus christlich-jüdischer Tradition, Humanismus und Aufklärung versichern. Nur eine sowohl wertefundierte wie tolerante Kultur kann sich gegen den Versuch behaupten, Kultur und Religion zur Begründung von Ausgrenzung zu missbrauchen.

 

Mit den genannten geistige Wurzeln wird zur Begründung friedlicher Vielfalt zu kurz gegriffen. Da Menschwerdung  nicht ohne gleichzeitige kulturelle Entwicklung zu denken ist, müssen wir uns unserer und der allen Menschen gemeinsamen Wurzeln vergewissern.

(s. a. Anmerkungen zu 4.1)

 

 Kultur ist ein öffentliches Gut. Sie zu fördern, ist Aufgabe der Bürgergesellschaft und des Staates. Privates, bürgerschaftliches Engagement ist nötig. Wir begrüßen und fördern es. Doch der Staat hat eine nicht delegierbare Verantwortung. Wir bekennen uns zu Deutschland als einem Kulturstaat.

 

begrüßen, bekennen? Können wir uns solche Peinlichkeiten nicht ersparen?

 

Er sichert die Vielfalt der Kulturlandschaft, die kulturelle Bildung, die Pflege unseres Erbes und unserer Erinnerungskultur. Er fördert die Künste und übernimmt Verantwortung für die soziale Absicherung freier künstlerischer Existenzen. Er wirbt für unsere Kultur im Ausland.

 

Der Staat als Kulturstaat, wie er hier beschrieben wird, ist ein Staat der Träume von unten und ein Albtraum für oben, wenn es um seine Finanzierung geht.

 

Kreative Potenziale – von künstlerischen Freiräumen bis zur wachsenden Kulturwirtschaft – werden in den kommenden Jahrzehnten, in denen Innovationen über die Zukunft entscheiden, immer wichtiger.

 

Kreative Potentiale: muss heißen, Potentiale für Kreativität. Kreative Potentiale existieren in den Köpfen von Menschen.

 

[…]

 

Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

 

Wir bekennen uns zum christlich-jüdischen und humanistischen Erbe Europas und zur Toleranz in Fragen des Glaubens. Wir verteidigen die Freiheit des Denkens, des Gewissens, des Glaubens und der Verkündigung.

In einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft muss sich die Achtung vor dem Andersdenkenden bewähren.

 

Was soll hier das Bekenntnis einer auf kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes bedachten Sozialdemokratie zu einem christlich-jüdischen Erbe? In dieser exklusiven Form und überhaupt ist das eher kontraproduktiv.

(S. a. Anmerkung unter 2. unser Bild vom Menschen)

 

Grundlage für die an Religionsfreiheit orientierte Gestaltung unserer Gesellschaft ist die Verfassung des freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates.

 

Es muss nicht immer wieder betont werden, dass wir wissen, was im Grundgesetz steht!

.

 Für uns ist das besondere Engagement der Kirchen, der Religions- sowie der Weltanschauungsgemeinschaften unersetzlich. Dies gilt besonders bei der Vermittlung von demokratischen Werten und ihrer sozialen Verantwortung für das Gemeinwohl. Wir suchen das Gespräch mit ihnen und die Zusammenarbeit in freier Partnerschaft bei gemeinsamen Aufgaben. Wir achten ihr Recht, ihre inneren Angelegenheiten autonom zu regeln.

 

unersetzlich: Das ist übertrieben! Besser: „wir Sozialdemokraten schätzen das Engagement der Kirchen ... besonders bei der Vermittlung allgemeinmenschlicher Werte und im sozialen Bereich hoch ein“! Hier muss aber generell gefragt werde, ob wir in unserem Programm mit Komplimenten und Wertschätzungen hausieren müssen.

Für die Vermittlung demokratischer Werte sind Kirchen usw.  nicht gerade prädestiniert, auch wenn es in ihnen demokratische Bewegungen gibt. Das muss nicht im Programm stehen, da es sich aus unseren zu formulierenden Grundsätzen ableiten lässt.

 

4.4 Die Gleichstellung der Geschlechter

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erstreben eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen gleich, frei und solidarisch miteinander leben.

 

Hier geht es um das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen bis hin zu den privaten, ja intimsten Beziehungen. Dieser erste Satz kann nur durchgehen, wenn man ihn oberflächlich zur Kenntnis nimmt.

Wenn aber die Sozialdemokratie eine Gesellschaft erstrebt, in der Frauen und Männer gleich, und frei und solidarisch miteinander leben dürfen, muss sie sich auch die Frage stellen und beantworten, wie eine Gesellschaft beschaffen sein muss, damit in ihr Frauen und Männer als gleiche und freie und miteinander solidarische Menschen leben können. Da reicht nicht aus, dass wir dieses und jenes erstreben, wünschen, wollen, brauchen müssen usw.  Da sollte unser Grundsatzprogramm wieder ein gewisses utopisches Moment, auch was den Weg betrifft, enthalten, ohne das Zukunft nicht gestaltbar ist.

 

 

[…] Die SPD ist vorangegangen: sie hat gleiche Bildungschancen für Mädchen geschaffen und für Frauen die bessere Beteiligung in den demokratischen Parteien, Parlamenten und Regierungen durchgesetzt. Sie war wegweisend und bahnbrechend, auch für andere Parteien und Institutionen.

 

Gemeint ist hier: gleiche Bildungschancen für Mädchen und Jungen! Gleiche Bildungschancen gibt es auch heute noch nicht, weder für alle Mädchen, noch für alle Jungen.

 

bessere Beteiligung: ob sich Frauen auf Veranlassung der SPD in der CDU besser beteiligen (als wer? Mädchen sollen sich im Sprachunterricht oft besser beteiligen als Jungen) ist hier wohl nicht relevant. Dass der Anteil an Frauen in den Parlamenten usw. gewachsen ist, mag in der Tat ein Verdienst der SPD sein. Aber wegweisend und bahnbrechend?

 

Dennoch erhalten Frauen immer noch weniger Lohn als Männer, Frauen haben schlechtere Berufs- und Aufstiegschancen. Frauen haben die Last der Vereinbarkeit von Beruf und Familie überwiegend zu tragen.

 

Dennoch? Ist die SPD hier nicht genügend vorangegangen?

Der Entwurf ist durchzogen von Feststellungen, dass Etwas noch nicht so ist, wie wir es wünschen, ohne konkrete Hinweise, warum, und wie sozialdemokratische Politik darauf zu reagieren hätte. Strategische Fragen werden völlig vernachlässigt. (s. auch im Weiteren!)

 

Wir wollen eine Gesellschaft mit gleichen Rechten und Möglichkeiten für alle Menschen: beim Zugang zu Bildung, Ausbildung, Beruf, Aufstieg, Ehrenamt und politischer Arbeit haben, unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität, sozialer und ethnischer Herkunft oder Religionszugehörigkeit.

 

Wir wollen, dass Frauen und Männer gleichermaßen Erwerbs- und Hausarbeit, Kindererziehung und gesellschaftliches Engagement ausüben können.

 

Wir wollen, dass junge Frauen ihre Vorstellung von einem selbst bestimmten Leben verwirklichen können. Sie wollen beides: Beruf und Familie. Auch Männer wollen Erzieher und Begleiter ihrer Kinder sein. Dieses partnerschaftliche Leitbild der gemeinsamen Familienarbeit und gleichzeitiger Berufstätigkeit muss die Gesellschaft ermöglichen.

[…]

 

 Wir wollen, dass alle Regierungen und Verwaltungen das, was sie planen, beschließen und umsetzen auf die Auswirkungen auf das Leben von Frauen, Männern und Kindern überprüfen und es – wenn nötig – korrigieren. Das ist das Prinzip des „Gender Mainstreaming“.

 

[…]

Wer die menschliche Gesellschaft will, wer ein Leben in Partnerschaft will, muss die Gleichstellung von Frau und Mann hier und heute verwirklichen.

 

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen, dass für eine menschliche Gesellschaft die Gleichstellung der Geschlechter unabdingbar ist. Deshalb müssen sie unablässig und „an allen Fronten“ dafür kämpfen. Sie müssten aber auch wissen, dass dieses Ziel unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise nicht befriedigend erreicht werden kann. Im sozialdemokratischem Gleichstellungsdiskurs muss der Kampf gegen diese Produktionsweise zur Sprache kommen, wenn Gleichstellung nicht eine Illusion bleiben soll oder ein Luxus für solche, die es sich leisten können; und wenn Gleichstellung  nicht zu modischer Rangelei zwischen den Geschlechtern verkümmern soll! Was hätte einst die schönste Gleichstellung von Sklavinnen und Sklaven diesen genützt?

 

4.5 Neue Wertschöpfung und gute Arbeit

 

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik verfolgt drei Hauptziele. Wir wollen einen möglichst hohen Wohlstand, an dem alle Menschen gerecht teilhaben. Jede Frau und jeder Mann soll die Möglichkeit erhalten, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu erwirtschaften. Gleichzeitig müssen wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig sichern.

 

möglichst hoher Wohlstand: das ist die Falle, in die die Sozialdemokratie nicht tappen darf, wenn sie an der Priorität von sozialer Gerechtigkeit  festhalten und für sie kämpfen will!

Zwischen Wohlstand für alle durch das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit, und Wohlstand für alle durch die neoliberale Konzeption des Wirtschaftswachstums und des globalisierten Marktes liegen Welten! Während die Neoliberalen  die Völker vor Erreichung des Gelobten Landes, wenn es sein muss, auf einen „vierzig Jahre“ währenden Marsch durch die Wüste zu schicken gewillt sind (und es wird immer sein müssen, da es für sie nie genug geben wird, um gerecht verteilen zu können), ist für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten soziale Gerechtigkeit Aufgabe für den heutigen Tag.

 

Wenn die Sozialdemokratie diesen täglichen Kampf um Gerechtigkeit  führen will, darf sie die Gesellschaft gerade nicht dem wild gewordenen Kapitalismus anpassen; sondern sie wird zu fragen haben und wird Antworten darauf geben müssen, wie gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand realisiert werden kann.

Wenn sie dazu nicht mehr gewillt ist, und keine anderen Kämpfe mehr kennt als Wahlkämpfe, wird sie den Grundwert (soziale) Gerechtigkeit theoretisch von jedem Wirklichkeitsbezug „befreien“ und  in der politischen Praxis verleugnen müssen! Die ersten Schritte dazu sind getan!

 

 Diese Ziele lassen sich nur mit einer hohen wirtschaftlichen Wertschöpfung und mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit verwirklichen. Wir bejahen den technologischen Fortschritt. Wir wollen Technik gestalten für eine menschengerechte, sozial gerechte und nachhaltige Entwicklung.

 

Technik gestalten: Die SPD als Sozialdesigner für Technik? Glauben wir, oder wollen wir glauben machen, alles was wir im herrschenden Gesellschaftssystem vorfinden, könnten wir belassen, wenn wir es nur sozial gestalten dürfen? Wie will die Sozialdemokratie oder überhaupt irgendjemand Technik so gestalten, dass sie zu sozial gerechter Entwicklung passt? Konkret nachgefragt,  wird das Ausbleiben einer sinnvollen Antwort die Absurdität dieser ansonsten gut klingenden Phrase ans Licht bringen.

 

Neue Technologien schaffen neue Märkte, entfachen Wirtschaftswachstum und können die Kräfte unserer Gesellschaft mobilisieren. Wir begreifen die Globalisierung als Chance für neue Arbeitsplätze und für die Sicherung des Wohlstands in den kommenden Jahrzehnten.

 

Wir begreifen: steht hier für glauben. Wir erfahren aber vorerst mehrheitlich, direkt oder mental, Globalisierung als „Chance“, den Arbeitsplatz zu verlieren. Der  Eindruck entsteht, die Sozialdemokratie setze zur Lösung sozialer Probleme ihre Hoffnung auf neue Technologien. Dabei sollten wir begriffen haben, dass Technologien, Technik und  Werkzeuge indifferent sind in Bezug auf die sozialen oder auch moralischen Aspekte ihres Gebrauchtwerdens.

 

[…]

Wir erneuern die Soziale Marktwirtschaft

 

SPD und Gewerkschaften haben die Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitisches Erfolgsmodell der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich ausgestaltet. Dieses Modell ist eine der herausragenden wirtschaftspolitischen Leistungen des 20. Jahrhunderts. Die Soziale Marktwirtschaft hat sozialen Frieden, wirtschaftliche Stärke und Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten vereint.

 

sozialer Frieden: Wie sich heute herausstellt, handelte es sich eher um einen sozialen Burgfrieden!

 

[…]

Aber wir wissen auch: Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft modernisieren, um sie zu erhalten.

 

Genau solche Sätze wie dieser, die schon seit langem in verschiedenen Versionen in der Sozialdemokratie herumgeistern, sind Ausdruck einer Ideologie, die sich neoliberalem Denken anbequemt und die sozialdemokratischen Politikern (nicht nur in Deutschland) zur Legitimation einer Politik dient,  deren Ergebnisse in diesem Entwurf beklagt werden. 

 

Die Globalisierung der Güter-, Finanz- und Dienstleistungsmärkte, der Wandel der Arbeitswelt und die Digitalisierung stellen das bewährte Ordnungsmodell auf die Probe. Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik  muss den Wandel im Geiste sozialer Gerechtigkeit gestalten.

 

Die neoliberale Globalisierung stellt das sich bei uns bewährt habende „Ordnungsmodell nicht auf die Probe, sondern ist dabei es zu zerstören. Diesen „Wandel“ will sozialdemokratische Wirtschaftspolitik im Geiste sozialer Gerechtigkeit gestalten!

 

Wir wollen die Grundpfeiler unseres Wirtschafts- und Sozialmodells zukunftsfest für das 21. Jahrhundert machen. Das können wir nur gemeinsam in Europa und mit der Europäischen Union schaffen. Ein realistisches Leitbild für die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft muss die Effizienz und Rationalität von dezentralen Marktentscheidungen ebenso anerkennen wie ihre Grenzen. Es bleibt dabei: So viel Markt wie möglich, so viel politische Regulierung wie nötig.

 

Markt und Regulierung: Die Gegenüberstellung von Markt und Politik verschleiert, dass alles, was Menschen im, am oder auf dem „Markt“ tun, zugleich politisches Handeln ist. Der Markt erscheint als Sphäre, die von ihm eigenen Gesetzen bestimmt wird, und  deren Macht die Menschen ausgeliefert sind.

Der Satz nährt den Glauben, dass das Walten des Marktes den Eigennutz der in ihm Agierenden, gleichsam hinter ihrem Rücken, in Wohlstand für Alle verwandelt. Der Satz legt nahe, dass politisches Regulieren eher schädlich für Markt und Wirtschaft ist.

Ohne eine erläuternde fundierte moderne Kapitalismuskritik ist dieser Satz prinzipienlose Anbiederung an neoliberales Denken und im Grundsatzprogramm einer linken Volkspartei verwirrend und überflüssig!

Denn: ohne aus gesellschaftspolitischer Marktkritik resultierende Kriterien, bleiben Entscheidungen, was, wann, wie viel usw. politisch zu regeln sei, völlig beliebig und werden Opfer opportunistisch pragmatischer „Stimmungen“.

 

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik muss die Chancen der Globalisierung für alle zugänglich machen.

 

D. h., sozialdemokratische Wirtschaftspolitik muss die Globalisierung zwingen, aus ihrem wundersam gefüllten Füllhorn über alle gleichmäßig ihre Chancen auszustreuen!

 

Dumpingwettbewerb mit immer billigeren Produkten, bei denen Renditen nur durch Lohnsenkungen und Sozialabbau  erzielt werden können, vermag dies nicht zu leisten.

 

D. h., die Sozialdemokratie wird diesen Dumpingwettbewerb abschaffen, denn sie muss die Chancen der Globalisierung für alle zugänglich machen! Besser kann sich der illusionäre Charakter dieses Geredes nicht selbst entlarven!

 

Politik für Vollbeschäftigung

 

Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen. Die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen ist Maßstab erfolgreicher Wirtschaftspolitik. Die  Integration aller Menschen in den Arbeitsmarkt ist Ziel sozialdemokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Unter den Bedingungen im 21. Jahrhundert bedeutet Vollbeschäftigung nicht mehr die unausgesprochene Garantie, dass jeder ein Leben lang in derselben Firma einen sicheren Arbeitsplatz hat. Die wachsende wirtschaftliche Dynamik fordert von den Menschen Arbeitsplatz- und auch Berufswechsel, vor allem aber ständiges Dazulernen. Phasen der Kindererziehung oder der Pflege von älteren Angehörigen erfordern häufig berufliche Einschränkungen oder sogar Auszeiten vom Berufsleben. Selbstständige Erwerbsformen werden weiter zunehmen.

 

Vollbeschäftigung: wurde nie, selbst nicht im „real existierenden Sozialismus“ so verstanden wie hier unterstellt wird, dass irgendjemand es so verstehen oder verstanden haben könnte. So zu argumentieren lenkt von der Notwendigkeit einer Definition ab, was nicht als vollwertige Vollbeschäftigung verstanden wird: prekäre Arbeitmöglichkeiten wie Gelegenheitsjobs, Ein-Euro-Jobs,  ABM und was da nicht alles an Zumutungen auch und vorzugsweise unter der Regie sozialdemokratischer Administration erdacht und eingeführt wurde.

Vollbeschäftigung gibt es dann, wenn für jeden, der es wünscht, gesellschaftlich als sozial erträglich anerkannte Arbeit im Rahmen eines wie immer auch gearteten „Normalarbeitstages“ vorhanden ist. Da bedarf es keiner besonderen sozialdemokratischer Deutungskunst (auf die auch weiter unten abgehoben wird).

 

 In diesem Verständnis geben wir das Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland auch nach Jahrzehnten hoher Arbeitslosigkeit nicht auf. Uns geht die Arbeit nicht aus, im Gegenteil. Unsere Zukunft liegt in innovativen, hochwertigen Gütern und in mehr Angeboten und Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich. Je mehr Menschen in Arbeit sind, desto höher ist unser Wohlstand. Gerade auch angesichts der demografischen Entwicklung wollen wir unsere Potenziale nutzen. Die Erwerbsquoten von Älteren und Geringqualifizierten müssen deutlich angehoben werden. Jede Arbeit, auch einfachere Dienstleistungstätigkeit verdient Respekt und Anerkennung und muss die Chance des Aufstiegs in qualifizierte Arbeit bieten.

 

Es ist beschämend, welche Weisheiten hier angeboten werden! Und so geht es weiter:

 

 Eine Politik für Vollbeschäftigung basiert auf vier Säulen: erstens ein möglichst hohes Wachstum, einen Vorsprung in marktfähigen Produkten und besondere Beschäftigungsdynamik im Dienstleistungsbereich, die zu einem deutlich höheren Angebot an Arbeitsplätzen führen. Zweitens unterstützt der Vorsorgende Sozialstaat durch koordinierte Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Gleichstellungs- und Familienpolitik die Menschen dabei, Übergänge und Unterbrechungen in ihren Erwerbsbiographien zu meistern und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Drittens sind für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Perspektive haben, besondere Angebote öffentlich geförderter und gemeinwohlorientierter Arbeit nötig. Viertens ist eine moderne Arbeitszeitpolitik nötig, die Selbstbestimmung und Flexibilität fördert sowie durch Arbeitszeitverkürzung mehr Menschen in Beschäftigung bringt.

 

Satirischer Einschub:

Eine Planung für ein gutes Mittagessen basiert auf vier Säulen: erstens ein möglichst frischer Salat, einen guten Geschmack des Kochs und ein Frischegrad, der zu einem deutlich höherem Angebot an Vitaminen führt. Zweitens unterstützt ein vorsorgendes Küchenmanagement durch klugen Einsatz der Kochplatten die Kellner dabei, Übergänge und Unterbrechungen beim Auftragen der verschiedenen Gänge möglichst kurz zu halten. Drittens sind für Gäste, die an der Tafel keinen Platz mehr finden, „Katzentische“ einzurichten, an denen sie mit den Resten der Tafel abzuspeisen sind. Viertens ist ein modernes Marketing nötig, um allen das Gefühl zu vermitteln, an einem guten Mittagessen teilgenommen zu haben.

 

[…]

 

 

Zukunftsmärkte brauchen Politik

 

Im Zuge der Globalisierung wird sich das weltweite Bruttosozialprodukt bis 2030 annähernd verdoppeln.

 

‚Damit könnte man Hunger und Armut aus der Welt verbannen!’ Das wäre spontan der einzig authentisch sozialdemokratische Denkreflex auf diese Aussage. Fehlanzeige: das Grundsatzprogramm macht sich Sorge um den Anteil der deutschen Wirtschaft an diesem gigantischen Kuchen!

 

Die deutsche Wirtschaft hat also beste Aussichten, wenn es uns gelingt, die Chancen des bevorstehenden Wachstumsschubs zu nutzen und die neu entstehenden Märkte überall auf der Welt mit attraktiven Gütern, Produkten und Dienstleistungen zu versorgen. Darum müssen wir in allen Bereichen auf bessere Ideen, Innovationen und Spezialisierung setzen. Politik, Unternehmen und Beschäftigte müssen in einem umfassenden Sinne international denken. Wir können nicht aus der Globalisierung aussteigen, wie manche Links- und Rechtspopulisten vorgaukeln. Und auch der von Marktliberalen und Konservativen in Deutschland propagierte Weg führt in die Irre: Sozialabbau, das Aushöhlen des Tarifsystems und pauschale Arbeitszeitverlängerungen sind in einer globalisierten Wirtschaft falsche Ansätze. Sie sind gegen die Menschen gerichtet, greifen auch ökonomisch zu kurz und gefährden die Binnenkonjunktur. Einer Politik der resignativen Anpassung stellen wir eine offensive Strategie des Qualitätswettbewerbs entgegen.

 

So viele falsche oder banale Einsichten und welch kühne Alternative!

 

 Die Menschheit steht vor großen sozialen und ökologischen Herausforderungen. Um sie zu meistern, brauchen wir innovative und hochwertige Produkte und Dienstleistungen. In Folge der demografischen Entwicklung stellen Produkte und Dienstleistungen für die ältere Generation ein zusätzliches Wachstumsfeld dar. Darum  setzen wir auf qualitatives Wachstum. So können wir unsere Lebensqualität steigern, Ressourcen und Energie einsparen, den Klimawandel abmildern, Krankheiten heilen, Mobilität verbessern und Kommunikation erleichtern. Neue Technologien werden vor allem in diesen Zukunftsmärkten Anwendung finden.

 

Anwendung finden: Vor lauter Begeisterung, wie wir die Herausforderungen der Menschheit meistern werden, bleibt schon mal die Logik auf der Strecke: man stelle sich vor, wie Technologien in Märkten Anwendung finden werden.

 

Die ökologische Rettung der Erde ist nicht allein Angelegenheit von Umwelt-, Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik. Sie wird zu einem Antriebsmotor für ökonomische Wertschöpfung. Die Zukunft gehört den so genannten „grünen Märkten“, die eine globale Wachstumsdynamik ohne die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen möglich machen. Produkte und Dienstleistungen, die unsere Gesundheit verbessern, sind nicht nur Kostenfaktoren, sondern auch Zukunftsmärkte.

 

ökologische Rettung der Erde: In der Tat, innerhalb des Kapitalismus ist die ökologische Rettung der Erde (als Heimstatt des Menschen) nur denkbar, wenn sie mit Wachstum und Profit zu haben ist, und gerade so wird sie nicht zu haben sein. Es ist traurig, dass wir diese trügerische Botschaft so gelassen zu der unsrigen machen!

 

 Wir wollen, dass die Wirtschaft gezielt und massiv in diese Märkte investiert. Die deutsche Wirtschaft muss in diesen Leitmärkten an der Spitze stehen.

 

Dieser ganze Abschnitt ist national und egozentrisch ausgerichtet: wir müssen an der Spitze stehen, nur so können wir unsere Lebensqualität steigern! Und wo sollen die Anderen stehen, mit denen wir uns solidarisieren wollen?

 

Eine strategische und ökologische Industriepolitik

 

 […]

 

Moderne Dienstleistungspolitik

 

[…]

Wachstum und Stabilität

 

Unsere Volkswirtschaft braucht stabile und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten. Darum muss die Finanz- und Geldpolitik in Deutschland und Europa die Konjunktur festigen und ein stetiges, kräftiges Wachstum fördern.

 

Wachstum: einzig Wachstum berechtigt zu der Hoffnung, das kapitalistische System stabil (zukunftsfähig) zu halten, ohne dass an der Produktionsweise und den ungerechten Verteilungsverhältnissen etwas verändert werden müsste. Warum setzen wir uns so vehement für dieses Wachstum ein, und nicht für über das System hinausweisende Veränderungen in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Menschheit?

 

Der Staat muss durch nationale wie auch internationale Stabilisierungspolitik dazu beitragen, konjunkturelle Krisen zu überwinden. Eine hohe Binnennachfrage ist die Voraussetzung für mehr Beschäftigung. Wir setzen uns für Lohnsteigerungen ein, die sich an der Produktivität orientieren. Im unteren Einkommensbereich brauchen wir Mindestlöhne.

 

Mindestlöhne: staatlich verordnete Unterschiede beim zu fordernden  Mindestlohn ist staatlich sanktionierte Ungerechtigkeit. Sozialdemokraten sollten sich daran nicht beteiligen!

 

[…]

Solide Staatsfinanzen und öffentliche Zukunftsinvestitionen

 

[…]

 

 Die öffentlichen Haushalte sind strukturell unterfinanziert und zu sehr von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Der Staat braucht verlässlichere Einnahmen, die in der Konjunktur weniger schwanken. Solide Einnahmen und Einsparungen lassen Schritt für Schritt erweiterte finanzielle und politische Spielräume entstehen – sowohl für staatliche Aufgaben wie für notwendige Zukunftsinvestitionen.

 

unterfinanziert: Eine Grundsicherung kommunaler Haushalte muss gesamtstaatlich durch Steuern finanziert werden. Sie darf nicht (allein) von der eigenen Wirtschafts- d. h. Steuerkraftkraft abhängen! Kein Gedanke wird an die Ursachen der „strukturellen Unterfinanzierung“ verschwendet, die so gut ins Konzept neoliberalen Wirtschaftens passt, da sie den Druck erhöht, auf allen Ebenen gesellschaftliches Eigentum zu privatisieren und die Sozialleistungen zurückzufahren.  

 

[…}

 

Wissen und Qualifikation als Produktivkräfte

 

[…]

Wirtschaftliche Demokratie und soziale Teilhabe

 

Ökologisch und sozial verantwortbares Wirtschaften verlangt wirtschaftliche Demokratie, soziale Teilhabe und eine zielführende politische Rahmensetzung. Wirtschaftliche Demokratie erfüllt die Forderung des Grundgesetzes: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

 

Wirtschaftliche Demokratie: erfüllt noch lange nicht die Forderung des Grundgesetzes:Eigentum verpflichtet“... Sie scheint Sozialdemokraten aber das am meisten geeignete Instrument zur Durchsetzung dieser normativen Forderung des Grundgesetzes zu sein!

 

 Die Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen, die Tarifautonomie und das Streikrecht sind unverzichtbare Elemente der Sozialen Marktwirtschaft. Teilhabe und innerbetriebliche Demokratie sind kein Bremsklotz, sondern Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg.

 

Diese Begründung ist schwach. Es kommt darauf an, wer unternehmerischen Erfolg wie definiert.

 

[…]

 

Die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Unternehmenskapital als zusätzliche Säule des Einkommens fördert Innovation und Produktivität und gewährleistet eine gerechte Beteiligung der Beschäftigten am Firmenerfolg. Wir wollen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle als Element der ökonomischen Teilhabe attraktiver machen. Das Unternehmensrisiko darf jedoch nicht auf die Arbeitnehmer übertragen werden.

 

Die bloße Beteiligung (Teilhabe?) gewährleistet noch keine gerechte Beteiligung. Welchen Zweck verfolgt eine solche Formulierung? Dies Projekt sollte nicht unumstritten sein, birgt es doch auch die Möglichkeit vielfältiger anderer differenzierter Ungerechtigkeiten in sich.

Der letzte Satz fällt unter frommes Wünschen!

 

 

Selbstständigkeit und verantwortliches Unternehmertum

 

[…]

Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist es, durch einen fairen Wettbewerbsrahmen und eine Wirtschaftskultur der Langfristigkeit verantwortliches Unternehmertum zu ermöglichen.

 

Ist ein politisch gesetzter Wettbewerbsrahmen innerhalb des bestehenden Systems möglich? Das  wird hier lediglich behauptet. Und wo, wie weit soll diese Fairness gelten? Global?... National?...

 

 

Kapital- und Finanzmärkte: Chancen nutzen, Risiken kontrollieren

 

Ein stabiler und gut funktionierender Finanzmarkt ist unverzichtbar für die moderne, global integrierte deutsche Volkswirtschaft, weil dort das notwendige Kapital für Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.

 

Nicht über das System hinaus denkend, müssen wir uns alles, was in ihm eine systemerhaltende Rolle (nach seinen unerbittlichen „Gesetzen“) spielt, so zurecht wünschen, dass es zu einer sozial gerechten Gesellschaft passt. Wir füttern insgeheim, wie traumwandlerische Hirten, die Wölfe, um sie von den Vorzügen eines paradiesischen Verhaltens zu überzeugen und bitten sie, hinfort unsere (deutschen) „Lämmer“ zu verschonen.

 

Die Finanzdienstleistungsbranche in Deutschland gehört außerdem selbst zu den größten Arbeitgebern.

 

 

Finanzdienstleistungsbranche: Dass sie außerdem zu den größten Arbeitgebern gehört, wird ihr als Verdienst angerechnet. Unerwähnt bleibt, dass diese Branche selbst im Begriff ist, ihre Beschäftigten in großem Stil zu entlassen, nicht, um die skandalös hohen Kreditzinsen zu senken, sondern um weiter die Gewinne zu steigern.

  

Wir wollen die Chancen und Potenziale der Güter- und Kapitalmärkte für dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum, breiten Wohlstand und Beschäftigung nutzen. Besonders wichtig ist es, gerade jungen, innovativen Unternehmen besseren Zugang zu Wagniskapital zu verschaffen.

 

 Wo die Finanzmärkte übertriebene und lediglich kurzfristige Renditen realisieren, werden langfristige Wachstumsstrategien von Unternehmen gefährdet und somit Arbeitsplätze vernichtet. Gesamtwirtschaftliche Krisen und die Überwälzung von Folgekosten auf die Gesellschaft müssen vermieden werden. Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ist es, dass die Finanzmärkte einer langfristig ausgerichteten Wirtschaftskultur dienen. Wir wollen Anleger stärken, die statt schneller Rendite ein langfristiges Engagement im Blick haben. Wir wollen das Stimmrecht der Aktieninhaber in dieser Richtung gestalten. Dies ist eine zentrale Regulierungsaufgabe für die führenden Industrieländer in der Welt.

 

Wer soll die Krisen vermeiden und wer wälzt wem etwas über? Im Moment ist es mit Hilfe sozialdemokratischer Regierungen üblich, dass Gewinne von Krisen (und Kriegen) privatisiert und die Verluste (Kosten, inklusive Folgekosten) vergesellschaftet werden!

 

Wir wollen: etwas gestalten, was wir für eine zentrale Regulierungsaufgabe führender Industrieländer halten!

 

 Mit der zunehmenden Vernetzung internationaler Güter- und Finanzmärkte wird die internationale Regulierung und Sicherung stabiler Finanzmärkte immer bedeutsamer. Stabile nationale und internationale Finanzmärkte sind ein wichtiges öffentliches Gut. Um dies zu erreichen, wollen wir mit anderen Staaten und internationalen Institutionen gemeinsam handeln. Unser Ziel ist, Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung zu fördern, aber auch eine wirksame Aufsicht zu schaffen und Regeln einzuführen, die unkalkulierbare Stabilitätsrisiken oder volkswirtschaftlich schädliche Fehlentwicklungen verhindern.

 

Mit welchen Staaten, mit welchen Institutionen müssten wir (als Sozialdemokraten) gemeinsam handeln? Wie realistisch ist dieses Vorhaben, welche politischen Voraussetzungen müssten gegeben sein oder erkämpft werden, um das Herzstück kapitalistischen Wirtschaftens zu einem öffentlichen Gut zu machen?

 

[…]

Wettbewerb braucht Regeln

 

Staat und Wirtschaft stehen in einer sozialen Marktwirtschaft in der gemeinsamen Verantwortung für ein nachhaltiges und stabiles Wachstum.

 

Staat und Wirtschaft stehen in jeder Gesellschaft in der Verantwortung! Die Frage ist, ob und wie diese Verantwortung wahrgenommen wird. Bei Beantwortung dieser Frage wird dann aber deutlich, dass der Satz eine Phrase ist, da er eine gemeinsame Verantwortlichkeit fordert, die es so gerade nicht gibt und auch nicht geben kann. Und dass dort, wo es in der Tat zwischen Staat und Wirtschaft konkrete Gemeinsamkeiten z. B. im personalen Bereich gibt, Verantwortungsbereitschaft für das allgemeine Interesse am wenigsten zu erwarten ist. 

 

nachhaltiges und stabiles Wachstum: sollten Sozialdemokraten nicht fordern, sondern nachhaltiges und stabiles Wirtschaften.

 

Aber Märkte brauchen faire Regeln, damit sie funktionieren.

 

Märkte funktionieren auch ohne faire Regeln, was immer darunter verstanden wird. Wenn gemeint ist, dass die auf dem Markt Handelnden fairen Handel miteinander treiben sollen, dann muss für Regeln gesorgt werden, die unfaires Handeln einschränken, erschweren usw. und je nach Lage gewisse Handlungen verbieten.

 

Diesen ordnungsrechtlichen Rahmen kann nur der Staat setzen. Wir wissen, dass dies in den globalisierten Bereichen der Wirtschaft nur noch im europäischen Rahmen möglich ist. Darum haben wir zentrale wirtschafts- und finanzpolitische Zuständigkeiten auf die Europäische Union übertragen. Und deshalb setzen wir uns für eine enge wirtschafts- und finanzpolitische Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten ein.

 

Resümee: der Staat kann keinen ordnungsrechtliche Rahmen (Regeln) für den wesentlichen globalisierten Bereich der Wirtschaft (Markt) setzen. Was bleibt, ist unser Einsatz dafür, dass die Staaten sich auf unsere Vorstellungen einigen.

Nur gut, dass wir, um  globalisierten Bereichen einen ordnungspolitischen Rahmen zu geben, nicht auch auf globale Abstimmung angewiesen sind, sondern dies innerhalb der EU tun können. Wie machen das die Afrikaner oder die Chinesen?

 

Damit die Mechanismen des Marktes funktionieren können, brauchen wir auch eine effiziente Wettbewerbspolitik. Sie muss die Entstehung und Konzentration übermäßiger wirtschaftlicher Macht – mindestens auf europäischer Ebene - verhindern.

 

Das ganze Gerede von Sozialdemokraten darüber, was der Markt braucht, bleibt phrasenhaft, solange sie nicht auch sagen, wozu und von wem Markt und Wirtschaft gebraucht werden, und wodurch sich die sozialdemokratischen Vorstellungen von Wirtschaft und Gesellschaft von denen der  Neoliberalen unterscheiden. 

Und: in unserem Grundsatzprogramm sollte eine alte Einsicht nicht vergessen werden: dass alle wirtschaftspolitischen Fragen Machtfragen sind!

 

Verbraucher und Verantwortung

 

Verantwortungsbewusste Konsumentinnen und Konsumenten sind Ausdruck einer solidarischen und demokratischen Bürgergesellschaft. Aktive Verbraucherpolitik stärkt die Nachfrageseite. Jeder verfügt mit jedem Kauf über Einfluss. Der Einzelne mag dabei schwach sein, aber die organisierte Kraft der Verbraucher ist ein wirksames Mittel, der wirtschaftlichen Entwicklung eine bessere, eine nachhaltige Richtung zu geben. Verbraucherinnen und Verbraucher, die bereit sind, qualitativ hochwertige Ware zu kaufen, sind die Pioniere neuer Märkte für innovative Produkte.

 

 

Verantwortungsbewusste Konsumentinnen...: Der Satz ist falsch, weil er unterstellt, die Verfasstheit einer bestimmten Gesellschaft (hier die, die wir anstreben) habe allgemein ein bestimmtes moralisches Verhalten ihrer Bürger zur Folge (hier: verantwortungsbewusstes Kaufverhalten), bringe es hervor und drücke es damit aus. Natürlich wäre ein solches Verhalten wünschenswert! Leider (und/oder zum Glück)  verhalten sich die Menschen aber nun einmal nicht so, wie Ideologie es erwartet. Was der falsche Satz aber leisten kann, das ist, den Blick auf die Realität zu trüben. Solange man nicht gewillt ist, die entsprechenden gesellschaftlichen „Randbedingungen“ zu untersuchen, zu berücksichtigen und ggf. zu verändern (Verteilung von Wohlstand und  Bildung, das Wirken der Massenmedien, massenpsychologisches Verhalten, Preis- und Steuerpolitik, umfassende Deklarationspflicht)– solange bleiben die Verantwortung der Konsumenten und erst recht die organisierte Kraft der Verbraucher leere Phrasen!

 

J e d e r  v e r f ü g t  mit  j e d e m  Kauf über Einfluss:

1.  Verfügen bedeutet, eine gewisse Freiheit bei einer Entscheidung zu haben. Ein Blick in die Wirklichkeit zeigt, dass dies nie bei jedem Kauf zutreffen kann, schon, weil nicht immer die Wahl zwischen verschiedenen Produkten gegeben ist.

2.  Nicht Jeder verfügt über die finanziellen Mittel, sich beim Kauf von Kriterien der Verantwortung z. B. für seine Gesundheit  usw. leiten zu lassen.

3.  Der Satz in der Bedeutung (die hier auch anklingt) Jeder Kauf hat Einfluss (z. B. auf den Profit eines Unternehmens oder auf Umweltschäden) wäre banal.

 

 

Wir wollen transparent machen, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt und Dienstleistungen erbracht werden, gerade auf globalen Märkten. Kennzeichnung ermöglicht eine bewusste Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher. Erweiterte Informationsrechte und Transparenzregeln für emanzipierte Verbraucher tragen dazu bei, dass Märkte von der Nachfrageseite her beeinflusst und kontrolliert werden. Eine unabhängige Verbraucherberatung und verlässliche Qualitätskriterien müssen Sicherheit bieten. Die öffentliche Hand muss mit ihren Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen Vorbild sein. Eine umfassende Verbraucherbildung kann die Menschen befähigen, sich in den immer komplexer werdenden Märkten zurechtzufinden und verantwortungsvolle Konsumentscheidungen zu treffen.

 

Die öffentliche Hand muss...: suggeriert, es läge an ihrem guten Willen. Es gibt aber viele Hürden, wie Finanzschwäche, Gesetze, Korruption, Bequemlichkeit, und natürlich auch Mangel an gutem Willen. Mit einfacher Forderung ist da nichts getan! Es wäre gut, wenn die öffentliche Hand sich so verhielte, auch unabhängig von der hier ins Feld geführten Vorbildwirkung, die man aus guten Gründen für fragwürdig halten darf. 

 

Dies gilt auch für den wachsenden Markt der Finanzdienstleistungen. Immer mehr Menschen werden Kapital zur persönlichen Altervorsorge anlegen. Dies wollen wir in Einklang bringen mit einer langfristig und nachhaltigen ausgerichteten Wirtschaftspolitik.

 

Immer mehr Menschen: Dass es immer mehr werden, die dies tun ist die eine Seite. Das es immer mehr werden, die dies nicht tun können, ist die unfeine ausgeblendete andere Seite. Es sind dies die  beiden Seiten des real existierenden Kapitalismus.

 

4.6 Der Vorsorgende Sozialstaat

 

Der Sozialstaat ist eine große zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gehören Demokratie und Sozialstaat zusammen. Der Sozialstaat ergänzt die bürgerlichen Freiheitsrechte durch soziale Bürgerrechte. Wohlstand und wirtschaftliche Dynamik, soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt wurden nicht trotz, sondern wegen des Sozialstaats möglich. Der Sozialstaat leistet einen eigenen produktiven Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen und den gesellschaftlichen Wohlstand sowie dessen gerechter Verteilung.

 

 

Der Vorsorgende Sozialstaat: das ist einer der neuen Begriffe (neo-)sozialdemokratischer politischer Terminologie, der im Grundsatzprogramm einen zentralen Platz einnehmen soll. Er wird hier eingeführt und soll den Begriff Sozialstaat „präzisieren“ und für den aktuellen Gebrauch ersetzen (etwa so, wie Demokratischer Sozialismus durch Soziale Demokratie ersetzt wurde). Es ist, um die dabei bemühte Argumentation zu verstehen, wichtig, schon jetzt zu wissen, um welche Art von Begriffswandlung es sich hierbei handelt.

Weiter unten wird gesagt, aus bestimmten, dort näher erläuterten, Gründen, entwickeln wir den Sozialstaat weiter zum Vorsorgenden Sozialstaat. Das heißt, dieser neue Begriff bezeichnet nicht einen neuen Sachverhalt, sondern er bezeichnet eine Absicht, ein  Programm, ist ideologischer Ausdruck für eine neue Ausrichtung der Politik der Sozialdemokratischen Partei. Da es in der Partei und in der Gesellschaft überhaupt umstritten ist, ob es sich aktuell bei der den Sozialstaat betreffenden Politik um einen zu seiner Rettung notwendigen Umbau oder um rhetorisch verbrämten Abbau handelt, darf man hier Aufklärung erwarten.

 

Wenn man einen Begriff durch einen neuen ersetzen und redlich erklären will, warum dies für notwendig gehalten wird, muss man den neuen aus dem alten entwickeln und die Gründe und Umstände der Veränderung angeben.

Was hier nun über den Sozialstaat zu erfahren ist, ist in Gestalt von großer zivilisatorischer Errungenschaft des 20. Jahrhunderts das fragwürdigste Allgemeine und damit Leere, was man über ihn noch sagen kann, ohne sofort in den Verdacht zu geraten, überhaupt nichts sagen zu wollen. Aber soviel wird vermittelt: eine so große zivilisatorische Errungenschaft wirft man nicht weg. Ist sie in Gefahr, sollte man versuchen, sie zu erhalten, zu retten.  Da die Entstehungsgeschichte des Sozialstaats nicht mehr mitgedacht und dem Vergessen übergeben wird, können sich auch die sich anbietenden Möglichkeiten für seine Rettung nur geschichtslos verengen zu alternativloser Anpassung an eben jenes System, dem die zivilisatorische Errungenschaft einst abgerungen wurde!

 

Demokratie und Sozialstaat: gehören zusammen! Nicht nur für Sozialdemokraten, sondern wesentlich! In „wirklicher“ Demokratie werden die Menschen Ausbeutung nicht dulden; andererseits wird es in Gesellschaften, die auf Ausbeutungsverhältnissen gegründet sind, Demokratie, wenn überhaupt, nur äußerst eingeschränkt geben. (Nicht von ungefähr wurde der Sozialstaat, seit es ihn gibt, von den Vertretern des Kapitals als Sozialismus diffamiert.) Dieser Dialektik entspricht die Beobachtung, dass, wo der Sozialstaat abgebaut wird oder abgebaut werden soll, die demokratische Kultur leidet und bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte eingeschränkt werden!

 

 

Der Sozialstaat leistet einen eigenen produktiven Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen... Da wird interessant sein, worin dieser eigene Beitrag besteht, haben die Menschen als gesellschaftliche Wesen doch auch ohne die  Existenz eines Staates schon teil an der Gesellschaft.

So wie oben der Sozialstaat bezeichnet wurde als eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, so werden ihm jetzt, gleichsam als einer Person, Tätigkeiten zugeschrieben(der Sozialstaat ergänzt, ermöglicht, leistet und verteilt gerecht), die in Wirklichkeit Ergebnis von gesellschaftlichen Kämpfen sind, aber als solche nun nicht mehr sichtbar.  Dies ist für den Zweck der Übung auch nicht notwendig. Im Gegenteil: dem Begriff des Sozialstaats können jetzt leichter Attribute untergeschoben werden, die als konstitutiv für den neuen Begriff erachtet  werden. Das heißt, in der hier stattfindenden ideologischen Begriffsbildung wird der historische Verlauf von Begriffsentwicklungen  umgedreht: die Tatsache, dass im Neuen das Alte dialektisch aufgehoben wird, wird hier verkehrt in den ideologischen Vorgang, ins Alte das Neue rückwirkend hinein zu interpretieren. (Wie oben schon angedeutet, ist das Verfahren das gleiche wie bei der Generierung von Sozialer Demokratie aus demokratischem Sozialismus!)

 

Um den produktiven Beitrag würdigen zu können, ist ein Blick auf die nächst anstehenden Begriffe zu werfen.

 

gesellschaftliche Teilhabe: ist wie Teilhabe ein Begriff der „Politischen Moderne“. In seiner Allgemeinheit eignet er sich für die Vortäuschung großer Versprechen. Sein gefühltes Pathos verhüllt seine Leere!

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Begriff als Weiche für die Neudefinierung des Sozialstaats. Er vollbringt das ideologische Kunststück, das Wesentliche des erkämpften Sozialstaats, das sich (u. a. unter sozialdemokratischer Verwaltung!) peu à peu verflüchtigt, in Gestalt nebulöser Begriffe scheinhaft fortleben zu lassen. Die gute Eignung für diesen Trick verdankt Teilhabe dem Umstand, dass Teilhabe Gerechtigkeit assoziieren lässt. Später stellt sich dann heraus, dass Teilhabe sich gegenüber Gerechtigkeit völlig gleichgültig verhält.

 

gesellschaftlicher Wohlstand: Es gab den Begriff der Wohlstandsgesellschaft. Der besagte, dass in der Gesellschaft jeder in einem bestimmten und von ihm für eine gewisse Zeit so akzeptierten Maß zu Wohlstand gekommen war. Man hatte einen als hinlänglich gerecht empfundenen Anteil am allgemein in der Gesellschaft erreichten Wohlstand.  Die Vermehrung dieses Wohlstands und seine gerechte Verteilung wurden als ein dynamischer Prozess gesehen. Dieser Begriff einer  Wohlstandsgesellschaft ist zur Charakterisierung der Gesellschaft des heute real existierenden Kapitalismus zu Recht unglaubwürdig geworden und aus der Mode gekommen. Gesellschaftlicher Wohlstand soll nun den verwaisten Platz einnehmen. Hier leistet er zweierlei. Einerseits kann er für eine  korrekte Beschreibung eines realen Zustands gelten (nämlich, dass gesellschaftlicher Wohlstand noch lange keiner ist, an dem alle teilhaben, so wie auch nicht alle an gesellschaftlicher Armut teilhaben), und andererseits ist er geeignet, genau diesen Umstand zu verschleiern, und diese verschleiernde Funktion sich auch dann noch zu erhalten, wenn die Rede von gesellschaftlichem Wohlstand für alle ist, da sich die Frage nach der Gerechtigkeit in dieser Form noch weniger aufdrängt.

 

gesellschaftlicher Reichtum – dieser Begriff wird hier nicht ausdrücklich erwähnt, kann aber zur Beantwortung der Frage, was unter gesellschaftlichem Wohlstand zu verstehen ist, beitragen. 

Unter gesellschaftlichem Reichtum versteht man gemeinhin den Reichtum an allem, was einer Gesellschaft durch Arbeit, Natur usw. zur Verfügung steht. Hier haben Sozialdemokraten immer die Frage nach der Aneignung und der gerechten Verteilung gestellt und für eine gerechte Beantwortung dieser Frage gekämpft.

Als gesellschaftlichen Wohlstand könnte man nun den Teil des gesellschaftlichen Reichtums bezeichnen, der angeeignet und nutzbar gemacht wird, gleichwohl ob privat, staatlich oder allgemein gesellschaftlich. Dass der Begriff gesellschaftlicher Wohlstand noch nicht dessen gerechte Verteilung enthält, wird ausdrücklich oben angemerkt:

 

„Der Sozialstaat leistet einen eigenen produktiven Beitrag für die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen und den gesellschaftlichen Wohlstand sowie dessen gerechter Verteilung.“

 

In diesem Satz hat der Entwurf also die beiden „neuen“ Begriffe gesellschaftliche Teilhabe und gesellschaftlicher Wohlstand zusammengeführt, um den „alten“ Sozialstaat zu charakterisieren. Dieser Satz nun taugt perfekt auch zur Charakterisierung des Vorsorgenden Sozialstaats dann, wenn er seinen lieblos (und vielleicht aus diesem Grunde grammatikalisch falsch) angehefteten Zusatz „sowie dessen gerechter Verteilung“ abwirft.

 

Für Sozialdemokraten müsste nun aber genau der Punkt der „gerechten Verteilung“ interessant und programmatisch relevant bleiben, denn ohne Bezug auf Gerechtigkeit bleibt das Gerede von gesellschaftlicher Teilhabe und von gesellschaftlichem Wohlstand eine ideologische Phrase!

Im Sozialstaat ist dieser Bezug auf Gerechtigkeit noch präsent – im Vorsorgenden Sozialstaat wird er noch zu suchen sein. 

 

 

Sozialstaatlichkeit ist organisierte Solidarität. In der Solidargemeinschaft stehen die Jungen für die Alten, die Gesunden für die Kranken, die Nichtbehinderten für die Behinderten, die Arbeitenden für die Arbeitslosen ein. Im Zentrum des Sozialstaats werden weiterhin staatlich verbürgte soziale Sicherung und Teilhabe, der einklagbare Rechtsanspruch auf Sozialleistungen und die rechtlich gesicherte Stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen.

 

weiterhin: Dieses Wort läutet die Wende zum Vorsorgenden Sozialstaat ein! Bis hierher wurde erzählt, was der Sozialstaat war, und ab jetzt wird gesagt, was er weiterhin sein soll (dass dies auch impliziert, was er nicht mehr sein wird, lässt sich nicht vermeiden!). Und sofort nimmt Teilhabe ihren zentralen Platz im Definitionsreigen ein! Auf diesen Begriff wurde von den Verfassern (und von der Kritik) gut vorbereitet.

 

Auch im 21. Jahrhundert bleibt es eine zentrale Frage, wie der gesellschaftliche Wohlstand verteilt wird und welche Teilhabemöglichkeiten sich damit für jeden und jede Einzelne eröffnen.

           

Wie... verteilt wird: Mit einer erstaunlichen Cleverness wird vermieden, obwohl es sich ja hier mehr als zufällig anbietet, auf die zentrale Frage, wie zu verteilen sei, auch zu antworten. Nicht von ungefähr, denn die Antwort von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müsste nach wie vor lauten: gerecht!

 

Die Behauptung der Marktradikalen, dass Ungleichheit wirtschaftlichen Fortschritt befördere, ist nicht nur inhuman, sondern auch falsch. Nur eine Gesellschaft, die das Leitbild des Wohlstands und der Teilhabe für alle verfolgt, ist eine zukunftsfähige Gesellschaft.

 

Sowie nun Verteilungsgerechtigkeit als sozialdemokratisches Prinzip unseres künftigen Vorsorgenden Sozialstaats verdrängt wurde, beginnen die affirmativ dogmatischen Sprüche: Nur eine Gesellschaft (...) ist eine zukunftsfähige Gesellschaft!

Das Leitbild: „Wohlstand und Teilhabe für alle“ ist genau das, welches die Jünger der „politischen Moderne“ sich auf ihre Fahne geschrieben haben, die sie auf ihrem erhofften Siegeszug um die Welt vor sich hertragen.

 

Gerade in Anbetracht vielfältiger Lebensweisen und flexibler Erwerbsformen wird die zentrale Funktion des Sozialstaats wichtiger, Sicherheit im Wandel zu gewährleisten. Nur wenn die Menschen wissen, dass ihre elementaren sozialen Lebensrisiken verlässlich abgesichert werden, sind sie bereit  Risiken einzugehen und mobil zu sein. Um dieses Sicherheitsversprechen zu erneuern, entwickeln wir den Sozialstaat weiter zum Vorsorgenden Sozialstaat.

 

Besser kann man die Wahrheit nicht ausdrücken: zum oben charakterisierten Leitbild kommt hinzu, dass als zentrale Funktion des Sozialstaats definiert wird, im Interesse der Wirtschaft die Menschen durch Garantierung von Sicherheit im Wandel zu ermutigen, Risiken einzugehen und mobil zu sein. Was sich hinter dem verbirgt, was da als Sicherheit im Wandel zart umschrieben wird, ist genau nicht auszumachen. Damit nicht doch zu viel versprochen wird, erfolgt sofort eine Präzisierung: es gehe lediglich noch um die verlässliche Absicherung der elementaren sozialen Lebensrisiken. Der Abbau der Erwartungen findet dezent statt auch in der Versicherung, man wolle das Sicherheitsversprechen erneuern und um dies zu können, müsse man den Sozialstaat weiterentwickeln: zum Vorsorgenden Sozialstaat. Vor dem Erfahrungshorizont der Hartz-Gesetze weiß man jedenfalls, dass vom Sicherheitsversprechen beim Lebensrisiko Arbeitslosigkeit von Sozialdemokraten nicht allzu viel zu erwarten ist.

 

Neues Leitbild

 

Das Leitbild unserer Sozialpolitik für das 21. Jahrhundert ist der Vorsorgende Sozialstaat.

 

Neues Leitbild: dies Motto provoziert einen Denkreflex, der von den Verfassern selbst vermieden wird: den Blick zurück, wo doch gerade nach vorn geblickt werden soll! Was hatte es mit unserer Sozialpolitik auf sich, dass es einer neuen bedarf, dass wir meinen, ihr eine neue Richtung geben zu müssen – und zwar für ein ganzes Jahrhundert, wo das letzte Leitbild, wenn es so etwas im alten Programm überhaupt  gab, nicht einmal für zehn Jahre sozialdemokratischer Politik getaugt haben soll, ja in Wirklichkeit schon mit Beginn der Schröderschen Kanzlerschaft ausgedient hatte?

 

Er befähigt die Menschen, ihr Leben selbst bestimmt zu meistern, indem er aktivierende, präventive und investive Ziele in den Mittelpunkt stellt. Er fördert Existenz sichernde Erwerbsarbeit, hilft bei der Erziehung, setzt auf Gesundheitsprävention und verhindert Armut. Er gestaltet den demografischen Wandel und begreift Bildung als zentrales Element der Sozialpolitik. Er fördert eine höhere Erwerbsquote von Frauen und Älteren. Er verhindert Ausgrenzung und erleichtert berufliche Integration. Er entlässt nicht aus der Verantwortung für das eigene Leben.

 

Dass die Behauptung der Neuheit, die im Begriff Neues Leitbild aufgestellt wird, Selbsttäuschung und Täuschung ist, wird deutlich, wenn man fragt:

zielte sozialdemokratische Sozialpolitik bisher nicht darauf, Mensche zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt zu meistern, förderte sie nicht Existenz sichernde Erwerbsarbeit (wenn damit nicht Arbeitgeber alimentierende staatliche Lohnzuschüsse gemeint sind), half sie nicht, Erziehung zu ermöglichen, war sie gegen Gesundheitsprävention und verhinderte nicht gerade sie Armut?

Allerdings begriff sozialdemokratische Sozialpolitik noch soziale Gerechtigkeit und nicht Bildung als ihr zentrales Element!

Entließ sie die Menschen aus der Verantwortung für ihr eigenes Leben?

Gerade das alles, was da verheißen wird unter dem neuen Logo, ist nicht neu! Neu ist die Tendenz, neu ist das, was zwischen den Zeilen steht, neu ist das, was weggelassen wird, neu sind veränderte Akzentsetzungen, die, unverdächtig erscheinend, Ausdruck einer tatsächlich schon anderen Politik sind.

Was war geschehen? Bildlich gesprochen: die Wächter der Sozialdemokratie, die nach H. Kohl in Regierungsverantwortung gekommen waren, wachten, nur zögerlich, auf und fanden den Sozialstaat, das institutionelle Ziel ihrer Sozialpolitik  geschwächt und diskreditiert vor. Geschwächt durch nicht vom Himmel gefallene Finanznot und verächtlich gemacht durch mediales Dauerfeuer von Meinungsmachern des neoliberalen Zeitgeistes: Sozialstaat als ein auf Vormundschaft zielendes, Sozialschmarotzer und Versorgungsmentalität bedienendes und Wirtschaft ruinierendes sozialismusverdächtiges Ungeheuer! Tatsächlich aber war schon lange von den Gegnern des Sozialstaates daran gearbeitet worden, ihn zu entsorgen. Unter dem Ansturm dieser „Realität“ siegte im sozialdemokratischen Establishment der Zweifel daran, dass der Sozialstaat so, als Wohlstandsgesellschaft, noch zu erhalten sei. Deshalb galt es zur Rettung einer sozialdemokratischen Identität, wenigstens den Begriff des Sozialstaats für die Zukunft „fit zu machen“.

Das war die Geburtsstunde der Idee des Vorsorgenden Sozialstaats!

[…]

 

Emanzipation, Teilhabe und Sicherheit

 

Der Vorsorgende Sozialstaat verfolgt die drei zentralen Ziele der Emanzipation, der Teilhabe und der Sicherheit.

 

Unsäglicher Gebrauch der deutschen Sprache. Hier: falscher Gebrauch des Genitivs. Der Unsinn des Originaltons springt sofort ins Auge, wenn man in der  Konstruktion die abstrakten Begriffe durch geläufigere ersetzt:

‚Der Gratulant äußert die drei zentralen Wünsche des Glückes, des Erfolges und der Gesundheit!’

Die falsche Sprechweise ist ein Indiz für die Qual dessen, der versucht, durch Konstruktionen abstrakten Inhalts, den wirklichen Begriff des Vorsorgenden Sozialstaates (nämlich den eines ramponierten Sozialstaats) zu verschleiern, um  ihn in der Sozialdemokratie gesellschaftsfähig machen zu können! 

 

 Emanzipation ist die Voraussetzung für ein selbst bestimmtes Leben aller Bürgerinnen und Bürger. Die Menschen wollen ihr eigenes Leben frei und selbst bestimmt gestalten können. Die Befreiung von Zwängen, die sich aus Herkunft und überkommenen Vorstellungen ergeben, war bereits das große Versprechen der Aufklärung und schon immer zentrales Ziel der Sozialdemokratie.

 

Für eine „sozialdemokratische“ Legitimierung des Vorsorgenden Sozialstaats wird behauptet, eines seiner zentralen Ziele sei Emanzipation, die schon immer zentrales Ziel der Sozialdemokratie gewesen sei. Letzteres ist wohl wahr. Wieso Emanzipation aber zum Ziel des Vorsorgenden Sozialstaats werden kann, aus welchem Zustand der Abhängigkeit er seine Bürger befreien soll, das bleibt im Verborgenen. Sinnvoll wird die Behauptung erst, wenn man die zynische Bedeutung unterstellt, der Vorsorgende Sozialstaat befreie seine Bürger von den alten Fesseln des Sozialstaats und ermögliche ihnen die Chancen der Teilhabe an sozialer Sicherheit eigenverantwortlich wahrzunehmen. Dies hätte allerdings mit jener Emanzipation, für die Sozialdemokraten gelitten und gestritten haben, nicht mehr das Geringste gemein.

 

Teilhabe an den sozialen Gütern der Bildung, der Existenz sichernden  Arbeit und der Gesundheit muss allen Menschen unabhängig von sozialer Herkunft, Alter oder Geschlecht von Anfang an und immer wieder aufs Neue offen stehen. Dies gilt besonders für Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten können: für Arbeitslose, Kranke, Pflegebedürftige, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, aber auch für diejenigen, die ihrerseits pflegen und Kinder erziehen.

 

Unsinn, der sich in den beiden Sätzen als Ganzem verbirgt, wird sichtbar durch Hervorhebungen im Text.

 

 Sicherheit bedeutet nicht nur den Schutz der Menschen vor existentieller Not, vor elementaren Lebensrisiken und vor Diskriminierung. Vielmehr schafft Sicherheit auch die Voraussetzungen für ein selbst bestimmtes Leben. Grundlagen von Sicherheit sind nicht nur Arbeit, materielle Güter und Rechtsansprüche, sondern auch individuell erworbene kulturelle und soziale Kompetenzen.

 

Einen Leser unseres Programms interessiert nicht die Darlegung von Aspekten unseres Sicherheitsbegriffs, sondern, was an Sicherheit sozialdemokratische Politik zu leisten sich vornimmt.

 

Sicherheit bedeutet: nicht Schutz vor! Wenn schon, dann umgekehrt: Schutz vor... bedeutet Sicherheit. Schutz ist eine Voraussetzung von Sicherheit: Wenn ich vor etwas schütze, dann schaffe ich damit Sicherheit.

 

 

selbstbestimmtes Leben: Sicherheit schaffe die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben. So allgemein gesagt ist das falsch. Das wirkliche Leben wie auch seine Logik widersprechen dem ausdrücklich.  

 

Um die Verwirrung komplett zu machen, werden noch Grundlagen von Sicherheit eingeführt. Dabei entsteht in Verbindung mit dem Vorherigen Folgendes: Der Schutz vor Arbeitslosigkeit – also vor der versagten Teilhabe am sozialen Gut Existenz sichernder Arbeit (soweit man sie unter die existenziellen Nöte zählen darf) - bedeutet Sicherheit, deren Grundlage u. a. die Arbeit ist.

 

Diese Begriffs- und Konstruktionsverrenkungen sind wenig geeignet, einen lebendigen Begriff des Vorsorgenden Sozialstaats zu vermitteln, oder die Idee der Sozialen Demokratie zu erhellen, die in ihm enthalten sein soll. Was von der Sache her ja auch gar nicht möglich ist (ramponierter Sozialstaat)! Sie sind aber vorzüglich geeignet, die Wahrheit über den Vorsorgenden Staat zu verschleiern.

 

 Damit wir diese Ziele in unserer Zeit erreichen können, muss der Vorsorgende Sozialstaat verstärkt am Bürgerstatus und weniger stark am Erwerbsstatus anknüpfen. Wir werden die Teilhabe der Menschen so früh wie irgend möglich fördern sowie Bildung und Erziehung unserer Kinder in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen. Dafür bedarf es der besseren Qualifizierung, Förderung und gesellschaftlichen Wertschätzung derjenigen, die in öffentlichen Einrichtungen wie den Kindertagesstätten, Schulen oder Tagespflegestellen wirken.

 

...am Bürgerstatus verstärkt und am Erwerbsstatus weniger stark anknüpfen... Was hat man sich darunter vorzustellen?

 

 Wir brauchen mehr und bessere sozialen Dienstleistungen und Einrichtungen. Diese können vom Staat, den Freien Wohlfahrtsverbänden, aber auch in privater Initiative bereitgestellt werden. Dabei sichern staatlich gesetzte Rahmenbedingungen die Qualität sowie den freien und gleichen Zugang für alle.

 

Eine ärmliche Vision von den sozialen Einrichtungen für das 21. Jahrhundert!

 

 Gerechtigkeit und Solidarität sind die Prinzipien der Finanzierung unseres Sozialstaates. Die einseitige Belastung der abhängig Beschäftigten bei der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben ist weder sozial gerecht noch wirtschaftlich sinnvoll. Auch weiterhin werden die paritätisch finanzierten Sozialversicherungen die zentrale Säule unseres Sozialstaates bleiben. Wir wollen die Finanzierungsgrundlage der sozialen Sicherungssysteme weiter stärken und die paritätisch finanzierten Beiträge durch eine höhere und nachhaltige gesicherte Steuerfinanzierung ergänzen. Dabei gilt für uns die Regel: Der Anteil der Beiträge muss sinken, und der Anteil der Steuern muss steigen, um eine gerechtere, ergiebigere und nachhaltigere Finanzierung des Sozialstaates zu ermöglichen.

 

Hier finden sich Sätze, von denen man sich mehr wünscht! Es scheint kein Zufall zu sein, dass der Begriff Vorsorgender Sozialstaat vermieden wird und „sozial gerecht“ aus der Versenkung auftaucht.

[…]

 

Gute Arbeit: Flexibilität braucht Sicherheit

 

Die Arbeitswelt wandelt sich.

Das ist eine Feststellung, die sowohl an Richtigkeit als auch an Trivialität nicht zu überbieten ist!

 

Flexibilität, Mobilität und soziale Risiken haben enorm an Bedeutung gewonnen.

 

Dass Flexibilität und Mobilität an Bedeutung gewonnen haben, ist nicht falsch, aber viel zu abstrakt und allgemein. Ausschlaggebend sollte hier sein, welche Bedeutung sie für den Arbeitsmarkt und die Arbeitnehmer haben.

Dass die von der Wirtschaft geforderte Flexibilität und Mobilität am Arbeitsmarkt zunehmend soziale Risiken beinhalten und diese mithin an Bedeutung gewonnen haben, ist ein Zeichen für das Versagen der Politik.

 

Trotzdem: Soziale Sicherheit und rechtlicher Schutz müssen auch in Zukunft gewährleistet bleiben. Flexibilität braucht Sicherheit. Flexibilität darf nicht zu prekären Arbeitsverhältnissen führen.

 

Formulierungen wie: Flexibilität braucht Sicherheit und Flexibilität darf nicht... sind, so hingestellt, falsch! Flexibilität braucht an sich gar nichts. Arbeitgeber brauchen für Flexibilität willige Arbeitnehmer. Flexibilität braucht also aus Sicht der Arbeitgeber eher das Gegenteil von sozialer Sicherheit: die Steigerung des sozialen Risikos für den Arbeitnehmer, oder besser, das geschickte Spiel mit der Balance der verschiedenen Risiken. Mit der Angst vor dem sozialen Risiko der Arbeitslosigkeit steigt die Bereitschaft für die Inkaufnahme des sozialen Risikos der (z. B.) Zerstörung persönlich-menschlicher Beziehungen durch Flexibilität und Mobilität.

 

auch in Zukunft: euphemistische Phrase, da gegenwärtig soziale Sicherheit abgebaut und rechtlicher Schutz unterminiert wird. Da, wie oben richtig bemerkt, soziale Risiken enorm an Bedeutung gewonnen haben, müsste auch gegensteuernde gesetzgeberische Politik  enorm an Bedeutung gewinnen. Das ist die Lücke, die von sozialdemokratischer Politik gefüllt werden müsste (zumindest als Forderung in unserem Grundsatzprogramm).

 

[…]

Der Kündigungsschutz bewahrt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Willkür.

 

So absolut gesagt ist die Aussage falsch, denn Willkür hat viele Gesichter. Sowohl zu Arbeitgeberwillkür als auch zu Kündigungsschutz darf man von einem sozialdemokratischen Grundsatzprogramm mehr erwarten als einen falschen Satz.

 

 

 Wir wollen die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs verbessern, die Durchlässigkeit der Arbeitsgesellschaft erhöhen und die Leistungsbereitschaft der Menschen unterstützen. Leistungsbereitschaft muss stärker gefördert werden und sich auch auszahlen.

 

Wie sollen mehr Menschen den sozialen Aufstieg schaffen als bisher, und  das dürfte der rationale Kern dieses Gedankens sein (und nicht eine abstrakte Möglichkeits- oder Chancenverbesserung), wo gegenwärtig eine gegenläufige Bewegung stattfindet und eine ganze Mittelschicht sich von sozialem Abstieg bedroht sieht?

 

Leistungsbereitschaft muss... sich auszahlen: Wenn dies mehr meinen soll als die Selbstverständlichkeit, dass einer, der zu Leistung willig und fähig ist, entsprechende Arbeit erhält und gerecht entlohnt wird, muss es sich um Nonsens oder um „feinen“ Hintersinn handeln! (Dass Leistungsbereitschaft als bloße Bekundung, also ohne Leistung honoriert wird fällt ins Religiöse, wo schon allein der Glaube selig macht!) Der Hintersinn demnach ist: Leistungsbereitschaft muss sich auszahlen bedeutet neoliberal und aktuell auf „sozialdemokratisch“ das genaue Gegenteil dessen, was der Satz sagt, nämlich, dass Leistungsbereite zufrieden sein sollen, wenn sie mit etwas mehr abgespeist werden, als mit dem Sozialhilfesatz, und dass, um noch eins drauf zu setzen, erwogen werden darf, den Sozialhilfesatz zu mindern!

 

 Eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen, aber auch von Älteren trägt dazu bei, Ausgrenzung zu verhindern und berufliche Integration zu erleichtern. Dadurch verbessern sich die Teilhabemöglichkeiten der Menschen und die Einnahmebasis von Steuern und Sozialversicherungen.

 

Zu würdigen, was hier an Weisheiten in so wenigen Sätzen angeboten wird übersteigt die Fähigkeiten des gesunden Menschenverstandes. Eine höhere Beschäftigungsquote von Frauen trägt dazu bei, mehr Frauen zu beschäftigen (mit all den sich für Frauen daraus ergebenden Verbesserungen ihrer Lage). Aber schafft das mehr Arbeitsplätze? Dasselbe gilt für eine höhere Beschäftigungsquote von Jugendlichen oder von Über-Fünfzig-Jährigen, und erst recht gilt dies für eine höhere ganz allgemeine Beschäftigungsquote. Aufgrund ihrer günstigen Folgen für die ganze Gesellschaft sollten wir sie sofort fordern und fördern!

 

Steigender Wohlstand aufgrund eines Anstiegs der Produktivität und des Bruttoinlandsproduktes leistet einen Beitrag zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme.

 

Steigender Wohlstand: ist nach allem Gesagten das Letzte bei der Bewältigung der demographischen Herausforderungen zu Erhoffende, denn wachsende Produktivität führt gerade nicht zu mehr Beschäftigung und dem ganzen Segen, der davon erwartet wird. Seriöse Berechnungen der für die nächsten Jahrzehnte prognostizierten Steigerung der Produktivität gehen allerdings davon aus, dass diese Herausforderungen, bei entsprechender Umverteilung, „gemeistert“ werden könnten. Die generalstabsmäßige Panikmache aufgrund der demographischen Veränderungen ist in erster Linie den Profiterwartungen der Versicherungskonzerne in Milliardenhöhe zu verdanken. Die entsprechende Politik geht dem auf den Leim und genau in die falsche Richtung.

 

[…]

Die Arbeitszeitpolitik der Zukunft muss den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Stärkung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gerecht werden. In gleicher Weise muss die künftige Arbeitszeitpolitik den Bedürfnissen der Beschäftigten nach mehr Zeitautonomie und Qualifizierungschancen sowie nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf entsprechen. Ein wichtiges Instrument, um die Ansprüche von Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Einklang zu bringen, sind Arbeitszeitkonten. Sie bedürfen aber eines ausreichenden Insolvenzschutzes und der rechtsverbindlichen Möglichkeit der Mitnahme beim Arbeitsplatzwechsel.

 

den Interessen der Unternehmen... gerecht werden: mehr kann man von einer Wirtschaftspartei nicht erwarten. Die Arbeitsproduktivität steigt unentwegt, und Sozialdemokraten haben nichts anderes zu tun, als in ihrem Programm zu fordern, den berechtigten Interessen der Unternehmen gerecht zu werden! Der Erfolg im Streben nach Höchstprofit ist der Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit. Höchstprofit ist daher das Hauptinteresse der Unternehmen, dessen Berechtigung man nicht in Zweifel ziehen wird. Wie da in gleicher Weise z.B. das Bedürfnis der Beschäftigten nach Qualifizierungschancen zum Zuge kommen soll, bleibt eher fraglich. Darauf kann nur eine gewisse, Sozialdemokraten eignende Treuherzigkeit verfallen. Haben wir vergessen, dass es sich bei dem Aufeinandertreffen von Interessen der Beschäftigten und der Unternehmen nach wie vor um einen gesellschaftlichen, einen politischen Konflikt handelt, der ausgefochten werden muss? Es ist freilich angenehmer zu glauben, dass die Sozialdemokratie den lieben Gott spielen, über den Parteien schweben, und eine harmonische Konfliktlösung herbeiwünschen kann! Haben wir vergessen, dass Sozialdemokratie Partei ist und als solche auch Partei ergreifen muss? Davon allein hängt ihre Berechtigung ab, und dazu muss sie sich auch in den keineswegs nebensächlichen Fragen von Arbeitszeitpolitik bekennen!

 

Wir setzen uns dafür ein, dass Arbeitszeit den Lebensphasen entsprechend angepasst werden kann. Gerade dies führt zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen eine humane Ausgestaltung der Arbeitszeiten und der Arbeitsbedingungen, um vor der Überforderung infolge langer Arbeitszeiten bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung zu schützen. Wir wollen Arbeitszeitmodelle fördern, die es Müttern und Vätern gleichermaßen ermöglichen, ihre Erziehungspflichten wahrzunehmen.

 

Ohne Garantierung eines Maximums an freier, frei disponibler Zeit, werden alle weiteren Forderungen zu leeren Phrasen!

 

Unser Ziel ist es, Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz zu verhindern. Dazu müssen die Übergänge zwischen den Lebensphasen besser abgesichert werden. Zugleich ist es von entscheidender Bedeutung, ob es gelingt, die individuelle Arbeitsfähigkeit und Qualifikation zu erhalten und weiter zu entwickeln.

 

... Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz zu verhindern: weckt die Illusion, man könne durch die hier dem einzelnen Individuum zugedachten Maßnahmen Arbeitslosigkeit überhaupt verhindern. 

 

[…]

Ohne höheres Wachstum wird es uns auf Dauer nicht gelingen, die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken. Sozialdemokratische Politik für Wachstum und Beschäftigung muss alle Maßnahmen der Wirtschafts- – Struktur-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik in diesem Sinne koordinieren.

 

höheres Wachstum: am höheren Wachstum, dem Lebenssaft des Kapitals, müssen sich die Geister scheiden. Die menschliche Gesellschaft braucht kein höheres Wachstum. Wir wissen schon lange, dass es Wachstumsgrenzen gibt, dass durch menschliche Vernunft nicht begrenztes Wachstum lebenszerstörend wirkt. Solange die Menschen sich vom Wachstumszwang des Kapitals beherrschen lassen, solange sie meinen, sich in einer vom Kapital beherrschten Welt einrichten zu müssen, dürfen sie getrost „alle Hoffnung dahinfahren lassen“.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen an diesem Scheideweg...                

 

Gesund leben

 

[…]

 Der medizinisch-technische Fortschritt eröffnet neue Möglichkeiten, kranke Menschen besser zu versorgen und zu heilen. Diese Fortschritte müssen allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein. Die bereits feststellbaren Elemente einer Zwei-Klassen-Medizin sind für eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmbar.

 

...für eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmbar: Das Reden von demokratischer Gesellschaft  lässt vergessen, dass Sozialdemokraten die bereits feststellbaren Elemente nicht nur hingenommen, sondern auch selbst (mit) eingeführt haben.

  

Mit dem oben skizzierten Vorsorgenden Sozialstaat ist Eigenverantwortung gesetzt; und gerade hier im Gesundheitswesen wird deutlich, dass das, was als vorsorgend am Sozialstaat deklariert wurde, eher darin besteht, dass der Staat, um sich und die Wirtschaft zu entlasten, dafür zu sorgen hat, dass die Menschen privat Vorsorge betreiben. Das scheint nicht ohne weiteres vereinbar zu sein mit dem, was unter Gesund Leben gefordert und gewünscht wird. Denn wenn das Niveau der medizinischen Versorgung in etwa gleich bleiben soll, müsste genau das Geld, das nicht mehr aus den Kassen von Staat und Unternehmen in das Gesundheitswesen fließt, in den Taschen derer wieder zu finden sein, die zu Eigenverantwortung angespornt werden. Und das ist eher utopisch.

 

Menschenwürdige Pflege

 

Die solidarischen Prinzipien der Bürgerversicherung wollen wir auch in der Pflegeversicherung anwenden. Die soziale Pflegeversicherung muss weiterentwickelt werden, indem ihre Leistungen dem sich ändernden Bedarf angepasst werden. Unser Pflegebegriff muss sich in Zukunft stärker an der individuellen Pflegebedürftigkeit ausrichten.

 

Unser Pflegebegriff: woran anders als an Pflegebedürftigkeit richtete er sich bisher aus?

[…]

Sicher und aktiv im Alter

 

Die Gesellschaft der Zukunft wird eine Gesellschaft des längeren Lebens sein.

 

Gesellschaft des längeren Lebens: und die Fantasie kennt keine Grenzen, wenn hohle Theorie zu verbalem Ausdruck kommen soll!

 

Die Menschen leben länger und bleiben länger gesund. An die Erwerbsphase schließt sich im Gegensatz zu früheren Zeiten eine dritte aktive Lebensphase mit neuen Möglichkeiten an. Dies eröffnet für unsere Gesellschaft neue Chancen, stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen. Wir wollen, dass ältere Menschen, aktiv und kreativ am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

 

ältere Menschen – in der dritten aktiven Lebensphase? Mit jedem Einkauf wird am wirtschaftlichen Leben teilgenommen, mit jedem Bankgeschäft, aber auch mit  ehrenamtlicher Tätigkeit und mit Schwarzarbeit, ob wir das wollen oder nicht. Was bedeutet hier, kreativ am wirtschaftlichen Leben teilhaben zu können?

  

Es ist eine Errungenschaft des Sozialstaates, dass ältere Menschen ihr Leben frei von materieller Not gestalten können.

Damit die Menschen auch zukünftig im Alter über ein Einkommen verfügen, das ihren Lebensstandard sichert, muss die gesetzliche Rentenversicherung die tragende Säule der Alterssicherung bleiben. Sie muss allerdings durch Einkünfte aus betrieblicher Alterssicherung sowie freiwilliger, aber staatlich geförderter privater Vorsorge ergänzt werden.

 

So schön kann man ausdrücken, dass die Errungenschaft des Sozialstaates durch die Errungenschaften des Vorsorgenden Sozialstaates ersetzt werden sollen!

Woher die Gewissheit, dass die privaten Versicherer zur Rettung des Sozialstaates kräftig an einer freiwilligen, staatlich geförderten privaten Vorsorge verdienen müssen?

 

 Wir wollen die gesetzliche Rentenversicherung von einer Versicherung der abhängig Beschäftigten zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickeln, in die auch Selbstständige sowie Beamtinnen und Beamten einbezogen sind, und so den veränderten Bedingungen des Erwerbslebens anpassen. Dabei halten wir am Erwerbseinkommen als Maßstab für die Rentenhöhe fest.

 

Wäre es nicht einfacher zu sagen: Alle Arten von Einkünften werden zur Finanzierung der sozialen Systeme, hier der Rentenkasse, herangezogen?! 

 

 Die Beitragsbezogenheit der Rente muss durch das Ziel der Armutsvermeidung ergänzt werden. Sicherungslücken im Alter durch Lebensphasen, in denen keine Erwerbstätigkeit möglich ist, dürfen nicht entstehen.

Voraussetzung für eine eigenständige Alterssicherung der Frauen sind eine möglichst durchgehende Erwerbstätigkeit mit Existenz sicherndem Einkommen sowie die Gleichstellung von Männern und Frauen beim Berufszugang und beruflichem Aufstieg. Solange dies nicht gewährleistet ist, wird die bedarfsorientierte soziale Grundsicherung als Ergänzung zur gesetzlichen Rente Altersarmut verhindern.

 

Dass die Verfasserinnen ihre Interventionen im Text nicht bereichert haben durch die Forderung nach Anerkennung von weiblicher und männlicher Kindererziehungs- und Hausarbeit als gesellschaftliche Arbeit und nach deren entsprechender Vergütung, sondern stattdessen eine möglichst durchgehende Erwerbstätigkeit von Frauen anstreben, ist unverständlich.

 

 

Vorsorgende Sozialpolitik in den Kommunen

 

Vorsorgende Sozialpolitik der Kommunen setzt an den Ursachen der Unterstützungsbedürftigkeit an. Die wesentlichen Prinzipien heißen: „ Hilfe zur Selbsthilfe“, „Fördern und Fordern“ und „Vorbeugen statt Nachsorgen“. In den Kommunen erhalten die Menschen zielgerichtete Hilfe, um ihre spezifische Lebenslage besser bewältigen zu können. Kommunale Sozialpolitik muss helfen, Notlagen zu überwinden. Dabei müssen die Selbsthilfekräfte organisiert und unterstützt werden.

 

wesentliche Prinzipien: diese zielen wohl kaum auf die im Wesentlichen gesellschaftlichen Ursachen der Unterstützungsbedürftigkeit (Armut). Im Gegenteil: alle diese Prinzipien sind machtlos gegenüber den gesellschaftlichen Ursachen und zielen allein auf die Ursachen, die sich im Individuum finden lassen oder von diesem selbst verschuldet sind.

 

Die Qualität des Vorsorgenden Sozialstaates erweist sich vor allem in der kommunalen Praxis, wie zum Beispiel in hochwertigen Kindergärten und Schulen, in einem lebenswerten barrierefreien Wohnumfeld für alle Generationen und in vielfältigen Angeboten für Sport und Freizeit.

 

Ein hochwertiger Kindergarten in dem sich die Qualität des Vorsorgenden Sozialstaats erweist, ist so etwas Ähnliches wie ein hochwertiges Grundsatzprogramm, an dem sich die Qualität unserer Partei erweist, und das wir alle gern lesen würden!

 

 

 Eine vorsorgende Kommunalpolitik orientiert sich an Sozialräumen. Wir erkennen diese Sozialräume als Handlungsfelder und bündeln dort Maßnahmen aus verschiedenen Politikfeldern, um den sozialen Zusammenhalt in den Kommunen zu erhalten und zu fördern. Daher praktizieren wir eine aktive Stadtteilentwicklungspolitik der Sozialen Stadt. Die Politik der Sozialen Stadt führt Fragen der Beschäftigung, des Wohnens, der Qualifizierung, des Lebensstils und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zusammen. Ein zentrales Handlungsfeld liegt darin, die Fähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger zur Zusammenarbeit, zum Miteinander und zur sozialen Vernetzung zu stärken.

 

Dieses gruselige abstrakte Sprechen von Erkennen, Bündeln, Zusammenführen, Praktizieren, und Stärken von Handlungsfeldern, Politikfeldern, Maßnahmen und Vernetzung kann nur eins bewirken: Abschreckung!

 

Durch die Förderung von Selbsthilfe, Verantwortungsübernahme und kooperative Strukturen und die hierfür erforderliche Infrastruktur wollen wir die Menschen befähigen, beteiligen und das Zusammenleben der unterschiedlichen sozialen und ethnischen Gruppen stärken.

 

Wer sind wir, und was sind das für Menschen, deren Fähigkeiten zur sozialen Vernetzung wir stärken müssen, und die wir befähigen wollen? Aber da versagt den Verfassern selbst die Fähigkeit, diesen anmaßenden Unsinn in einen inhaltlich und sprachlich sinnvollen Satzzusammenhang zu bringen!

 

[…]

4.7 Bildung in der lernenden Gesellschaft

 

Bildung entscheidet unsere Zukunft. Sie ist die große soziale Frage unserer Zeit. Bildung eröffnet Wege für jede und jeden Einzelnen. Sie erst ermöglicht dem Menschen, sich selbst bestimmt Ziele zu setzen und Träume zu verwirklichen. Sie erschließt ihm den Zugang zu einer Welt im Wandel. Sie befähigt ihn zu Demokratie und sozialer Verantwortung. Sie eröffnet ihm die Chance auf Arbeit und verbessert die soziale Sicherheit, von der Jugend bis ins hohe Alter. Vor allem Bildung sorgt immer neu für Teilhabe und soziale Aufstiegsperspektiven. Bildung ist ein Schlüssel zur freien, friedlichen, gerechten und demokratischen Gesellschaft. Sie ist eine wirtschaftliche Produktivkraft mit rasant wachsender Bedeutung. Nur Gesellschaften, die ein offenes, sozial durchlässiges und hoch entwickeltes Bildungssystem haben, prosperieren in der globalen Wissensgesellschaft.

 

Wenn wir Bildung als die große soziale Frage unserer Zeit bezeichnen, dann relativieren wir die eigentlichen großen sozialen Fragen unserer Zeit und stellen diese  dar, als könnten sie durch Bildung gelöst werden!

 

Sie befähigt...: Bildung kann zwar z. B. zum Verständnis von Demokratie und sozialer Verantwortung befähigen, aber ob der so Gebildete sich für Demokratie und soziale Verantwortung entscheidet, das bleibt unter dem Aspekt bloßer Bildung völlig offen.

 

Bildung ist ein Schlüssel zur freien... Gesellschaft: das ist ein Bild zur Festigung unseres Bildungsmythos. Aber es provoziert auch Fragen: wie gebildet muss ein Volk als Ganzes sein, um das Tor zur freien usw. Gesellschaft öffnen zu können. Und wie gebildet muss der Einzelne sein, um an dieser Gesellschaft teilhaben zu können? (Bildung sorgt immer neu für Teilhabe) Andererseits, gab es nicht eben noch in einer freien und gerechten Gesellschaft Teilhabe für alle?

 

Dass vor allem Bildung für soziale Aufstiegsperspektiven sorgt, deutet auf die Angemessenheit solcher Fragen. Auch wenn der Begriff Unterschicht derzeit gemieden wird, zeigen doch soziale Aufstiegsperspektiven an, dass es auch im Vorsorgenden Sozialstaat ein soziales Unten und Oben gibt. Bildung soll ermöglichen, hinauf zu kommen. Wohlgemerkt, es geht hier um sozialen Aufstieg, nicht um eine graduelle Wanderung durch allenfalls demokratisch gerechtfertigte Beschäftigungshierarchien.

 

Hier nimmt der Widerspruch der im Programmentwurf entwickelten Gesellschaftsvision überraschend klare Gestalt an.

Dieser Widerspruch ist einer des sozialdemokratischen Establishments: eine gerechte Gesellschaft zu wollen und an der Möglichkeit einer solchen Gesellschaft doch zu zweifeln. Die soziale Ungleichheit, ein Unten und Oben, wird letztlich akzeptiert. Gerechtigkeit wird pragmatisch auf ein gesellschaftliches Chancengeben und ein individuelles Chancennutzen uminterpretiert und reduziert.

 

Unser Bildungswesen muss von Anfang an die Gleichstellung von Mädchen und Jungen und die Integration von Zugewanderten im Blick haben.

 

Die Verfasser haben hier zwei wichtige aber anscheinend willkürlich ausgewählte Probleme benannt, aber sie im Blick zu haben, reicht nicht aus!

 

Das Wissen nimmt in einem atemberaubenden Tempo zu. Erworbene Kenntnisse sind schnell überholt. Gute Bildung ist eine dauernde Aufgabe. Menschen lernen für das Leben, vor allem aber ein Leben lang. Kein Individuum kann alles verfügbare Wissen in sich vereinigen, aber gemeinsam mit anderen können wir den größtmöglichen Nutzen für alle aus dem Wissensfortschritt ziehen. Wir wollen Freude am Lernen und Offenheit gegenüber Errungenschaften der Forschung vermitteln.

 

Wie viel Plattheiten in so wenigen Sätzen!

 

Wir wollen eine ganzheitliche Bildung. Sie richtet sich auf theoretisches Wissen, soziale Kompetenzen und beruflich verwertbare Inhalte. Sie umfasst nicht minder die ästhetische Erfahrung, die ethische Reflexion und die Wertevermittlung. Um unsere offene Gesellschaft zu stärken, brauchen wir eine Aufwertung der politischen Bildung und Erziehung zur Demokratie. Umfassende kulturelle und soziale Bildung stärkt die Persönlichkeit. Starke Persönlichkeiten sind fähig zur Toleranz und respektieren andere Kulturen.

 

Keiner, der unser Grundsatzprogramm liest will darüber belehrt werden, was Bildung ist. Zumal, wenn diese Belehrungen unablässig mit fragwürdigen Behauptungen angereichert werden wie u. a.: Starke Persönlichkeiten (...) respektieren andere Kulturen.

 

Bildung für alle

 

Wir wollen den freien Zugang zu Informationen, zu Bildung und Wissen. Eine gerechte Gesellschaft muss Chancengleichheit verwirklichen.

 

Chancengleichheit: Solange bzw. insoweit der Zugang zu Information, Bildung und Wissen über den Markt geregelt und/oder mit Gebühren und Steuern belegt wird, bleibt Chancengleichheit Illusion.

 

Jede Form der Ausgrenzung durch mangelnde Bildungschancen müssen wir überwinden. Von der frühkindlichen Bildung bis zum ersten beruflichen Abschluss müssen wir Eltern und Kindern den Weg frei machen und finanzielle Hürden beseitigen. Jeder Mensch hat das Recht auf eine gebührenfreie Ausbildung vom Kindergarten bis einschließlich des Studiums.

 

Jeder Mensch...: es gibt dieses Recht nicht von Natur aus – wir wollen es aber für alle gesetzlich einführen. 

 

 Es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass Bildung unabhängig von der Herkunft für alle gleichermaßen zugänglich ist. Die öffentlichen Ausgaben für Bildung müssen steigen. Sie müssen mit der wachsenden Bedeutung von Bildung Schritt halten. Bildungsausgaben müssen als Investitionen anerkannt werden. Investitionen in die Menschen müssen Priorität bekommen.

 

Investitionen in die Menschen? Neoliberale Redensart, die in jedem  Menschen  zuerst einen Wirtschafts- und Kostenfaktor sieht. Wir sollten sie nicht gedankenlos übernehmen!

 

Bessere Medienkompetenz schafft die Voraussetzung für einen bewussten und kritischen Umgang mit Medien.

 

Bessere Medienkompetenz: entweder beinhaltet der Begriff Medienkompetenz mehr als die Perfektion des technischen Umgangs mit den Medien, dann steht bereits Medienkompetenz für bewussten und kritischen Umgang, oder es müsste erklärt werden, was zu Medienkompetenz hinzukommen muss, um einen bewussten und kritischen Umgang mit den Medien zu erreichen. Bessere Medienkompetenz bleibt also ein phrasenhafter Ausdruck. Zudem wird keine Auskunft darüber gegeben, was außer der Schaffung von Voraussetzungen getan werden müsste, um das auch zu erreichen, wofür man die Voraussetzungen schafft.

 

[…]

Eltern spielen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine entscheidende Rolle. Wir wollen sie bei dieser Aufgabe unterstützen. Wo Eltern nicht in der Lage sind, ihren Kindern eine ausreichende Entwicklung zu garantieren, müssen das Bildungssystem und eine wachsame Kinder- und Jugendhilfe alle Anstrengungen unternehmen, um jedem Kind gleiche Entwicklungschancen zu ermöglichen.

 

Nicht, um jedem Kind, sondern, um diesen benachteiligten Kindern die gleichen Entwicklungschancen zu geben (nicht, zu ermöglichen!) wie den nicht benachteiligten. 

 

Bildung von Anfang an

 

Die Förderung von Kindern beginnt für uns bei der gezielten Unterstützung von Schwangeren und Eltern. Die ersten Wochen und Jahre des Lebens sind entscheidend. An der Seite der Eltern sind Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Krankenschwestern und Krankenpfleger die ersten, die das Wohl und die Entwicklung des Kindes fördern. Wir wollen sie gut darauf vorbereiten.

 

Wen wollen wir gut worauf vorbereiten: die Hebammen auf die Kinder, oder die Kinder auf die Hebammen?

 

[…]

 Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben erfolgreich die Abschaffung des Schulgeldes erkämpft. Jetzt fordern wir die gebührenfreie Ganztagsbetreuung für alle Kinder von Anfang an. Ab dem zweiten Lebensjahr soll es einen Rechtsanspruch auf Betreuung geben.

 

D. h. also: gebührenfreie Ganztagsbetreuung für alle(!) Kinder von der Geburt an ohne Rechtsanspruch bis zum Beginn des zweiten Lebensjahres?

Gemeinsam lernen

 

Wir wollen den Ausbau der Ganztagsschule. Kinder finden in der Ganztagsschule verlässliche Lern- und Unterrichtszeiten. Sie sind auch Zeiten des sozialen Lernens und der mitmenschlichen Erfahrung. Die Schule wird zu einem Lebensmittelpunkt von Kindern und Jugendlichen.

 

Wie viele Lebensmittelpunkte gibt es?

 

 […]

 

Die berufliche Ausbildung modernisieren

 

Die berufliche Erstausbildung ist eine wichtige Grundlage für die Berufsausübung und für das lebenslange berufliche Lernen. Sie muss deshalb auch berufsübergreifende Fähigkeiten vermitteln. Wir wollen, dass alle Jugendlichen die Möglichkeit erhalten, eine qualifizierte Ausbildung zu durchlaufen, die sie dazu befähigt, am Arbeitsleben teilzunehmen und ein selbst bestimmtes Leben zu führen.

 

Für wie bildungsbedürftig hält man den Leser, dem man den Zweck beruflicher  Ausbildung erklären zu müssen meint?

 

 […]

Das Studium und die Forschung stärken

 

[…]

Wir bekennen uns zur Verantwortung des Staates für die Hochschulen. Er hat die Aufgabe die Finanzierung der Hochschulen abzusichern.

 

Finanzierung...abzusichern: auch zur Vermeidung der Einflussnahme von Wirtschaft durch Sponsoring oder anderweitige Finanzierung auf die Freiheit von Forschung und Lehre!

 

Hochschulen sollen so weit wie möglich autonom sein. Wir wollen die Mitbestimmung all derer ermöglichen, die am Leben der Hochschule beteiligt sind.

 

so weit wie möglich: Das ist sehr dehnbar. Es sollten, wenn überhaupt, konkrete Vorstellungen eingebracht werden.

 

Forschung und Lehre bilden eine Einheit. Die Hochschulen müssen insgesamt das breite Spektrum von Lehre und Forschung anbieten. Sozial- und Geisteswissenschaften müssen ebenso gefördert werden wie Natur- und Technikwissenschaften. Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen eng zusammen arbeiten.

 

Insgesamt: soll das heißen, alle Hochschulen müssen in ihrer Gesamtheit das breite Spektrum anbieten und jede einzelne könnte sich im Extremfall auf ein Fach beschränken, oder sollte jede das breite Spektrum anbieten? Dass diese Fragen durch den Text ermöglicht werden, liegt an seiner Unentschiedenheit. Dahinter stehen Fragen nach der wesentlichen Gestaltung von Universitäten und Hochschulen, die diskussionswürdig gerade auch für die Sozialdemokratie wären.

 

 Wir wollen einen offenen Zugang zum Studium. Wir wollen den Anteil der Studierenden aus bildungsfernen Familien erhöhen. Entschluss und Talent sollen entscheiden, nicht der soziale Hintergrund. […]

 

 

bildungsferne Familie: dieser Begriff ist nicht nur zutiefst inhuman, sondern zeugt auch von theoretischer Armseligkeit, die man hier nicht erwarten sollte.

 

In welchem Milieu, in welcher sozialen Schicht wäre das Phänomen bildungsferne Familie anzutreffen oder nicht anzutreffen? Welcher Begriff von Bildung steht dahinter?

Es ist eine Tatsache, dass auch noch im Verhältnis zur abnehmenden Zahl der Arbeiterkinder die Zahl derer, die von diesen ein Studium aufnehmen, sinkt. Deshalb wäre es nach wie vor Sozialdemokraten angemessen, irgendwie auszudrücken, dass man sich mehr studierende Arbeiterkinder wünscht.

Es ist weiterhin eine Tatsache, dass eine neue Unterschicht wächst, mitunter bezeichnet als Prekariat. Auch aus dieser Schicht schaffen es zu wenige, ein Studium aufzunehmen. Unterschicht und Prekariat werden aber im sozialdemokratischen Diskurs noch schamhaft vermieden. Wegen dieses selbstverschuldeten Begriffsmangels muss man nun auf den soziologisch unseriösen Begriff  Bildungsferne Familie zurückgreifen.

Dazu kommt: die Art des Sprechens von bildungsfernen Familien enthält keinen Gedanken mehr daran, dass das Ziel der Sozialdemokratie war und ist, Bedingungen zu schaffen, die dem  „Gedeihen“ von Bildungsferne in der Gesellschaft den Boden entziehen, und dass demgemäß das eigentliche Ziel, die Senkung des Anteils von Studierenden aus sozial benachteiligten  Familien sein müsste.

 

Resümee: Die zu Recht geforderte Erhöhung ist nichts anderes als ein logisches aber unreflektiertes Ergebnis  der prekären Entwicklung unseres (demnächst Vorsorgenden) Sozialstaats – oder, mit den Worten des Entwurfs: Ausdruck für seine „Qualität“!

 

[…]

Weiterbildung in der lernenden Gesellschaft

 

Wir wollen die lernende Gesellschaft, in der Menschen sich ein Leben lang weiterentwickeln können. Wir wollen die Weiterbildung zur vierten Säule im Bildungssystem ausbauen und den Aufstieg durch Bildung für alle möglich machen.

 

Menschen können sich in jeder Gesellschaft weiterentwickeln! Illusionär aber ist ein Versprechen der Möglichkeit eines Aufstiegs für alle. Was bleibt, ist nur die Verlegung der Verantwortung für  Nichtaufstieg oder Abstieg (s. o.) in den bildungsunwilligen Einzelnen.

 

Auch diese vierte Säule steht in der öffentlichen Verantwortung. Damit die Menschen sich engagiert fortbilden, wollen wir sie durch Freistellungsansprüche und finanzielle Förderung unterstützen. Dabei müssen die besonderen Belange von Müttern und Vätern berücksichtigt werden. Wir brauchen dafür gemeinsame Lösungen der Politik, der Tarifpartner und der Betriebe. Wir werden die bestehende Arbeitslosenversicherung zu einer Beschäftigungsversicherung weiterentwickeln und damit einen Beitrag zur Finanzierung von Weiterbildung leisten. In den Hochschulen wollen wir die berufliche Weiterbildung als eigene Aufgabe entwickeln. Damit die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen bei niemandem an finanziellen Hürden scheitert, benötigen wir eine Neuordnung und Weiterentwicklung staatlicher Weiterbildungsförderung.

 

Beschäftigungsversicherung: Unausgegorene Projekte gehören nicht in ein  Grundsatzprogramm, sondern es gehören Grundsätze hinein, an dem dann solche Projekte gemessen und ausgerichtet werden können!

 

Die Teilhabe an lebenslangem Lernen sichert nicht allein die Beschäftigungsfähigkeit, sondern ist Kernelement einer erfüllten persönlichen und gesellschaftlichen Lebensführung.

 

Beschäftigungsfähigkeit? Natürlich wollen Menschen sich lebenslang beschäftigen können. Aber der Schwerpunkt liegt offensichtlich auf der wirtschaftlich verwertbaren Beschäftigungsfähigkeit. Sozialdemokraten müssen mit ihren Vorsorgenden Sozialstaats-Ideen auch jenen Menschen gerecht werden, denen der empfohlene Königsweg lebenslangen Lernens zu einer erfüllten persönlichen  und gesellschaftlichen Lebensführung versagt ist. So wie Bildung aller Erfahrung nach allein keine Garantie für ein erfülltes Leben ist, so darf Bildung auch nicht notwendige Bedingung für ein erfülltes Leben sein.  

 

[…]

4.8 Kinder und Familien stärken

 

Kinder verkörpern Freude auf die Zukunft. Sie sind das Fundament jeder Gesellschaft. Wir wollen eine Gesellschaft, die Familien mit Kindern beste Bedingungen bietet, und ein Klima der Aufgeschlossenheit und Akzeptanz gegenüber den Bedürfnissen von Kindern. In der Familie können Menschen Liebe, Geborgenheit und Halt, Orientierung und gegenseitige Unterstützung finden.

 

Kinder verkörpern(!) nicht Freude auf die Zukunft, sondern Kinder sind Bestandteil unserer Zukunftshoffnungen – vor allem aber können Kinder für Eltern und für alle, die Kindern gegenüber aufgeschlossen sind, eine große Freude in der Gegenwart sein!

 

 Eine erfolgreiche Kinder- und Familienpolitik gehört zu den Schlüsselfragen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes – sozial, wirtschaftlich und politisch.

 

Schlüsselfragen für die Zukunftsfähigkeit: Wir sollten uns nicht an der Dramatisierung der demografischen Veränderungen beteiligen, sondern mit offenem Blick in die Zukunft schauen. Warum sollte eine langsame Reduzierung der Bevölkerungsdichte Deutschlands Zukunftsfähigkeit in Frage stellen und nicht im Gegenteil dem Land auf längere Sicht gut tun?

 

Die Gründe für die anhaltend niedrige Geburtenrate in Deutschland liegen unter anderem in überholten Rollenbildern und in politischen Versäumnissen. Kinder- und Familienpolitik muss vom Rand ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Wir brauchen eine Kinder- und Familienpolitik, die Grenzen von Ressorts und Zuständigkeitsebenen überwindet.

 

Wir brauchen: wenn wir mehr Kinder wollen, nur das zu tun, was andernorts (z. B. jenseits des Rheins) längst getan wird und brauchen kein halbherziges Räsonieren über eine kinderfreundliche Gesellschaft und technokratische Empfehlungen für Grenzüberschreitung von Zuständigkeitsebenen!  

 

 Nur eine kinderfreundliche Gesellschaft kann dynamisch und wachstumsstark sein.

 

Nur eine kinderfreundliche ...: das, was für uns zutreffen mag, gewinnt nicht an Glaubwürdigkeit dadurch, dass es verallgemeinert wird. Im Gegenteil, seine Fragwürdigkeit tritt klarer hervor durch den provozierten Blick über den Tellerrand. So springt sofort China als Gegenbeispiel ins Auge.

 

Wir wollen dafür sorgen, dass jeder Mensch die Chance hat, seinen Lebensentwurf zu verwirklichen. Deshalb setzen wir auf eine Politik, die es jungen Frauen und Männern leichter macht, ihre Kinderwünsche zu erfüllen, ohne dabei ihre beruflichen Wünsche und Perspektiven zu gefährden. Das gilt besonders für die Eltern, die sich für mehrere Kinder entscheiden. Junge Menschen brauchen in der Phase der Familiengründung mehr finanzielle Hilfen, aber auch mehr Unterstützung aus der Gesellschaft und von Arbeitgebern.

 

Hierher gehörten die direkte Benennung des Skandals, dass Kinder zunehmend zu einem Armutsrisiko werden, sowie das  grundsätzliche Verständnis der Sozialdemokratie von Arbeit in der Familie als einer für die Gesellschaft notwendigen Arbeit. Eine solidarische Gesellschaft wird diese wie jede andere Arbeit auch entsprechend honorieren müssen. In einer Zeit, in der die Menschen selbst entscheiden können, ob sie Kinder in die Welt setzen oder nicht, und in der Kinderlosigkeit keine Schande mehr ist sondern materiellen Vorteil für die oder den Einzelnen bringt, stünde es Sozialdemokraten nicht schlecht zu Gesicht, den gesellschaftlichen Diskurs über dieses für unsere Gesellschaft behauptetermaßen existentiell wichtige Thema, durch entsprechende Forderungen zu beleben. Der endlose Katalog von Forderungen nach Hilfen für die unzähligen „Notfälle“ würde sich dadurch erübrigen.

 

[…]

 Die Arbeitswelt muss den Bedürfnissen der Familien Rechnung tragen. Erwerbsverhältnisse, die auf Dauer weder Planbarkeit noch wirtschaftliche Selbstständigkeit ermöglichen, erschweren jungen Menschen die Entscheidung für Kinder. Arbeitsbedingungen, die sich immer einseitiger am Ideal des allzeit verfügbaren Individuums ausrichten, gefährden stabile zwischenmenschliche Beziehungen und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.

 

Arbeitsbedingungen: Nicht diese sind es, die sich am Ideal (...) ausrichten, sondern  Menschen (Manager usw.), die sich auf die Zwänge des Marktes, Standorts usw. berufen.

 

Arbeitszeiten, aber auch betriebliche Aus- und Fortbildungszeiten müssen sich stärker an den Bedürfnissen von Eltern orientieren. Somit eröffnen wir ihnen gleiche Chancen auf eine Existenz sichernde Erwerbsarbeit, gleiche Chancen auf Karriere und Führungspositionen und die Möglichkeit für eine partnerschaftliche Teilung der Erziehungs- und Familienaufgaben. Das nutzt Familien und Unternehmen.

 

Führungspositionen: Was treibt die Verfasser, die Forderung nach betrieblich in kinderfreundlichem Sinn geregelten Arbeits- und Fortbildungszeiten mit der Ausnahmeerscheinung zu begründen, dass wir dadurch Eltern gleiche Chancen auf (je) eine Führungsposition eröffnen? Gerade Eltern, die es so weit geschafft haben,  werden gewöhnlich finanziell das Notwendige individuell regeln  können!

 

 

 Wenn Eltern sich trennen, wird dies zunehmend zum Armutsrisiko für die Kinder.

 

...für die Kinder: und für die Eltern!

 

[…]

Wir orientieren unser Familienbild an der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die meisten Menschen wünschen sich die Ehe. Wir unterstützen aber auch andere gemeinsame Lebenswege, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und alleinerziehende Eltern. Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Lebenspartner oder Generationen füreinander einstehen. Jeder hat Familie, auch Menschen ohne eigene Kinder.

 

Wir orientieren... an der... Wirklichkeit:  das darf hoffentlich als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Wichtig wäre dann aber, dieser Wirklichkeit nicht zu verfallen (und das mit Realitätssinn zu verwechseln) – denn es kommt darauf an, sie zu verändern! Mit Hilfen und Unterstützung, so wichtig sie auch sein mögen, ist da nicht viel getan! (s. o.)

 

Jeder hat Familie: Diese Phrase lässt vergessen, dass so mancher tatsächlich keine Familie mehr hat!

 

 

Unser Leitbild ist die Familie, in der Mutter und Vater gleichermaßen für den Unterhalt und die Fürsorge verantwortlich sind. Das will die große Mehrheit der jungen Menschen. Es entspricht den Bedürfnissen der Kinder nach Mutter und Vater, und es sichert die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Familien. Gleichzeitig verdient die Leistung allein erziehender Eltern mehr Anerkennung und Unterstützung.

 

Unser Leitbild: es mag Bedürfnissen entsprechen, sichert aber noch lange nichts.

 

 […]

Eine besondere Verantwortung hat der Staat für Kinder, die in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung bekommen oder sogar Gewalt erfahren. Das Elternrecht findet seine Grenzen, wo das Kindesrecht verletzt wird. Kinder haben eigene Rechte und wir wollen, dass sie  in der Verfassung verankert werden. Wenn Konflikte in der Familie in Gewalt gegen Frauen oder die Vernachlässigung von Kindern ausarten, müssen Staat und Gesellschaft eingreifen.

 

Wenn Konflikte... in... die Vernachlässigung von Kindern ausarten: dann ist das  Vernachlässigung der deutschen Sprache.

 

4.9 Nachhaltiger Fortschritt

 

Wir legen unserer Politik auf allen Feldern das Prinzip der Nachhaltigkeit zugrunde. Die nachhaltige Entwicklung schafft eine Balance von sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Zielen. Sie bezieht die Bedürfnisse künftiger Generationen in unsere heutigen Entscheidungen mit ein.

 

Umgekehrt: die Balance (das Ausbalancieren) von  sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Zielen (nachhaltige Planung) führt erst zu nachhaltiger Entwicklung, die wir anstreben.

 

 Energie ist ebenso wie Luft, Wasser und andere natürliche Ressourcen Lebensgrundlage unserer Zivilisation. Die heutige Art, mit Energie umzugehen und Ressourcen zu verschwenden, hat keine Zukunft mehr. Die Natur reagiert auf menschliche Einflüsse. Der Klimawandel gehört zu den größten globalen Gefahren. Das weltweite Wachstum des Energiebedarfs und die Zunahme des Naturverbrauchs machen rasches Umsteuern zwingend erforderlich.

 

Falsche Sätze wie dieser, dass etwas keine Zukunft mehr habe, lenken von dem ab, was zu tun ist, denn: Verschwendung hat so lange eine Zukunft, bis es nichts mehr zu verschwenden gibt, oder bis sie beendet wird! Und sie blenden die  gesellschaftlichen Bedingungen der Verschwendung aus. 

 

Die Natur reagiert...: Eine falsche Banalität nach der anderen!

 

Technologie und gesellschaftliche Verantwortung

 

Ein besseres Leben mit höherem Wohlstand ist möglich, und zwar nicht nur hier und heute, sondern weltweit und auch für kommende Generationen.

 

Nach diesem Paukenschlag positiver Prognose kann schnell das Kapitel vom Vorsorgenden Sozialstaat (und vor allem die Kritik daran) vergessen und unverzüglich noch heute und hier an die Verwirklichung des verheißenen besseren Lebens mit höherem Wohlstand gegangen werden! Alles andere wäre verlorene Zeit, denn:

 

Die ökologischen und sozialen Probleme der modernen Welt können wir mit den Mitteln der modernen Welt lösen. Das Wissen und das Können der Menschheit eröffnen Möglichkeiten, die lange als undenkbar galten. Wir können Krankheiten besiegen, die unheilbar waren. Wir können den Hunger bekämpfen. Wir können mobil sein mit einem Bruchteil der ehemals erforderlichen Antriebskraft.

 

Bruchteil: Es ist kaum zu glauben, dass ein Wunder, das ja zuweilen Sozialdemokraten an sich beobachten mögen, in einem Abschnitt, der u. a. von Technologie handelt, Erwähnung findet: dass sich ihre Körper heute nur mehr mit einem Bruchteil der ehemals erforderlichen Antriebskraft bewegen lassen!

 

Die Wirtschaft kann wachsen, ohne die Natur zu zerstören. Das alles ist möglich, wenn wir unser Können entschlossen und vernünftig nutzen.

 

Das alles ist möglich, wenn...: Keine Erinnerung mehr daran, dass das, was alles (und für alle) möglich ist, erkämpft werden muss, und keine Frage der Technik oder des technischen Könnens ist; dass es Hunger, als soziales Problem, nie und nirgendwo hätte geben müssen und auch heute nicht gäbe, wenn ... Um dieses WENN und um das WIE muss es im Programm einer Partei gehen, die sozial und demokratisch sein will - und um nichts anderes!

 

[…]

Ressourcensicherung, Klimaschutz und natürliche Lebensgrundlage

 

Ressourcenverfügbarkeit ist die Voraussetzung für alle wirtschaftlichen und zivilisatorischen Aktivitäten. Deshalb ist die Sicherung der Ressourcenbasis ein existentielles Grunderfordernis für jedwedes Gemeinwesen. Aus Gründen internationaler Zusammenarbeit und der Friedenssicherung muss die Ressourcensicherung in einer Weise erfolgen, die anderen Gesellschaften nicht die für diese ebenso unverzichtbaren Ressourcen nimmt. Das gilt für Energie, Rohstoffe, Wasser und Bodenfruchtbarkeit.

 

 Die Nutzung von Energie- und Rohstoffen erfolgt in modernen Gesellschaften durch deren Umwandlung mit entsprechenden Technologien. Dabei entstehen unvermeidlich Verluste. Enthalten die Ressourcen Schadstoffe, so werden diese bei der Umwandlung freigesetzt und gefährden damit die Gesundheit der Menschen und die natürlichen Lebensgrundlagen, je mehr solche Ressourcen genutzt werden. Seit Beginn des Industriezeitalters wurde in wachsendem Maße auf begrenzt vorhandene und damit erschöpfliche Ressourcen gesetzt. Beim Einsatz fossiler Energien kommt hinzu, dass diese schadstoffhaltig sind und wegen der ständig gesteigerten Bedarfsmengen zur globalen Umweltkrise geführt haben, die den Fortbestand der Zivilisation gefährdet, insbesondere in Form von Klimakatastrophen. Die Atomenergie erschien vielen als die große Hoffnung für das nahende postfossile Zeitalter. Sie kann diesen Hoffnungen aus vielerlei mittlerweile erkannten Gründen nicht entsprechen, unter anderem wegen unverantwortlicher Unfallrisiken und der Hinterlassenschaft atomaren Mülls für zehntausende von Jahren. Keine Generation darf kommende Generationen für derartige Zeiträume eine solche Last aufbürden.

 

erschöpflich: eine neue Wortschöpfung: dabei sind die Wortressourcen noch keineswegs erschöpft. Es gibt zwar unersprießliche und ersprießliche Wortschöpfungen, aber nicht unerschöpfliche und erschöpfliche Geduld. Die Geduld wird auch im Folgenden strapaziert:

das Setzen auf begrenzte Ressourcen macht diese erschöpflich! (Ein Kuchen z. B., als begrenzt vorhandene Ressource,  erschöpft sich nicht dadurch, dass die Kaffeegäste auf ihn setzen, sondern indem sie ihn essen.)

Beim Einsatz fossiler Energien kommt hinzu, dass diese schadstoffhaltig sind! (Seit wann ist Energie schadstoffhaltig?)

Der Fortbestand der Zivilisation wird durch die globale Umweltkrise insbesondere in Form von Klimakatastrophen gefährdet, und aus der großen Hoffnung (Singular) der vielen auf die Atomenergie  werden Hoffnungen (Plural), die die Atomenergie nicht erfüllen kann. Und zwar wegen unverantwortlicher (gemeint: nicht verantwortbarer) Unfallrisiken. 

 

Für uns ist es deshalb eine Schlüsselaufgabe für das 21. Jahrhundert, den Wechsel von erschöpflichen zu unerschöpflichen und von schadstoffhaltigen zu schadstofffreien Ressourcen konsequent zu realisieren. Unser Ziel ist das solare Zeitalter.

 

Angesichts der umfassenden Potentiale und bereits vorhandener Technologien ist das nicht nur möglich. Es ist auch die große Chance, die zivilisatorischen Fortschritte der modernen Wirtschaftsentwicklung aufrecht zu erhalten und die gesamte Menschheit daran teilhaben zu lassen.

 

Zweifellos: Wir sind die Partei der Chancen und der Ziele!

Hier wird dies mit entwaffnender Stringenz entwickelt: Unser Ziel ist das solare Zeitalter! Wir eilen von Zielen zu Zielen. Oben war es noch die Soziale Demokratie samt Vorsorgendem Sozialstaat. Was es damit auf sich hat, wurde schon angemerkt. Sollen wir uns nun noch lange mit „Staat“ und „Gesellschaft“ herumplagen, wo doch ein ganzes Zeitalter winkt, das alle relevanten Probleme für alle Menschen löst? Das solare Zeitalter ist u. a. angesichts bereits vorhandener Technologien möglich. Und in diesem  Wechsel zur Solarenergie liegt die große Chance, die gesamte Menschheit mit den (bereits ebenfalls vorhandenen) zivilisatorischen Fortschritten der modernen Wirtschaftsentwicklung zu beglücken! Das ist unser hier erklärtes Ziel!

Und der Weg dorthin: Möglichkeiten realisieren und Chancen wahrnehmen! Es fehlt allerdings noch eine kleine Voraussetzung: wir Sozialdemokratinnen müssen den Rest der Menschheit davon überzeugen!

Was unter den zivilisatorischen Fortschritten der modernen Wirtschaftsentwicklung zu verstehen ist und wie sie ohne die offenkundigen Rückschritte im menschlichen, sozialen und kulturellen Bereich zu haben sind, bleibt offen, denn die Reflexionen zum solaren Zeitalter sind abgehoben von jeglichen gesellschaftspolitischen Zusammenhängen. Diese Abstinenz ist nur zu erklären durch die völlige, vielleicht auch bewusstlose Befangenheit in neoliberaler Wirtschaftsgläubigkeit. Das aber ist nicht gerade das, was von sozialdemokratischen Grundsätzen zu erwarten wäre!

 

Wer mit geschärftem Ohr dem Satz von der großen Chance nachlauscht, kann in all dem optimistischen Getöse die verzweifelten Dissonanzen einer großen verdrängten Angst deutlich vernehmen. Es ist nicht die Angst, einen Hauptgewinn zu verpassen, sondern es ist die realistische Angst, alles zu verlieren – wenn nicht!... Das blitzt kurz auf im Wunsch: aufrecht zu erhalten ... – man überliest dies leicht, denn sofort folgen Menschheitsbeglückungsfantasien, die so wenig zum Ernst der Lage passen.

 

 

Voraussetzung dafür ist ein breiter Strukturwandel zu neuen dezentralen Formen der Energiebereitstellung. Die größte Brücke dahin ist die Effizienz- und Einsparrevolution, die zu wesentlich vermindertem Energieeinsatz und Umwandlungsverlusten führt. Damit ist es möglich, den tatsächlichen Energieeinsatz der Menschen bis zum Jahr 2020 zu halbieren und bis Mitte des Jahrhunderts um den Faktor 4 zu senken. Dies und der gleichzeitige Wechsel zu erneuerbaren Energien erfordert vielfältige neue Technologien und ermöglicht das Entstehen zahlreicher neuer Arbeitsplätze in Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsberufen sowie in der Land- und Forstwirtschaft. Wir leisten damit den wichtigsten Beitrag zur Vermeidung internationaler Ressourcenkonflikte, für die wirtschaftliche Entwicklung der bisher nicht industrialisierten Welt, und zur Überwindung existenzieller Energieabhängigkeiten, die ganze Staaten erpressbar gemacht haben. Erneuerbare Energien sind überall die jeweils größten und auf Dauer verfügbaren heimischen Energiepotentiale. Gleichzeitig senken wir den Wasserverbrauch und leisten damit einen Beitrag zur Überwindung von Wasserkrisen, weil die Förderung und der Einsatz atomarer und fossiler Energieressourcen einen großen Wasserbedarf erfordern.

 

Auf dem Weg zum solaren Zeitalter, das wird denn doch präzisiert, sind noch „Brücken“ zu überqueren. Als die größte Brücke dahin wird eine Effizienz- und Einsparrevolution ausgemacht. Da man auch hier glaubt, gesellschaftspolitische Fragen komplett aussparen zu können, bleibt völlig im Nebel, wie diese „Revolution“ über die weltgeschichtliche Bühne gehen soll. Ob die Sozialdemokratie in den voraussehbaren dramatischen Kämpfen um die letzten Ressourcen wirklich eine positive gestalterische Kraft sein wird, lässt sich an den hier skizzierten Beiträgen, die wir zu leisten gedenken, nicht erkennen!

 

[…]

 Durch die Veränderung des Klimas rückt die unvermeidbare Gefahr von Naturereignissen immer mehr ins Bewusstsein. Niemand kann wirklich vor Elementarschäden wie Hochwasser, Stürmen oder Schneelast sicher sein. Darum brauchen wir mehr Vorsorge und eine planmäßige Schadensabsicherung.

 

Schneelast: Da sollten wir Nägel mit Köpfen machen, ehe der nächste Winter einbricht! Denn langfristig erledigt dieses Thema für uns die Klimaerwärmung. Hierbei könnte der Vorsorgende Sozialstaat denn doch eine erste Bewährungsprobe bestehen.

 

Mobilität und Lebensqualität

 

Sich frei bewegen und weite Distanzen in kurzer Zeit überwinden zu können, ist für viele Menschen ein großer Gewinn. Unsere Kultur ist vom persönlichen Lebensalltag bis hin zur wirtschaftlichen Arbeitsteilung auf dem Weltmarkt ohne Mobilität nicht denkbar. Die Verkehrswirtschaft ist ein Wachstumsträger. Die Logistik bietet Lösungen für komplizierte Herausforderungen bei der Güterversorgung.

 

 Wir fördern notwendige und gewünschte Mobilität. Sie ist aber kein Selbstzweck. Wo Wege überflüssig sind, wollen wir sie durch bessere Logistik und eine klügere Siedlungsentwicklung vermeiden. Wir investieren auf hohem Niveau in unsere Verkehrsinfrastruktur. Dabei gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit. Vorrang haben daher die ökologisch jeweils günstigsten Verkehrsträger und kombinierten Verkehre. Wir wollen einen modernen und leistungsfähigen Schienenverkehr. Er hat für das Zusammenwachsen Europas eine große Bedeutung. Er sichert die Lebensqualität der Städte und Regionen. Der Öffentliche Personennahverkehr bleibt für uns eine öffentliche Aufgabe. Wo er fehlt, das zeigen die Erfahrungen vieler außereuropäischer Städte, sind Luftverschmutzung und Flächenverbrauch die Folge. Bus und Bahn müssen wirtschaftlicher werden. Aber wir werden sie mit öffentlichen Mitteln unterstützen.

 

 Das Auto wird in unserer Zeit neu erfunden.

 

            Dafür hat die SPD einen feinen Sinn!

 

Der alte Gegensatz zwischen dem motorisierten Individualverkehr und der Umwelt beginnt sich deutlich zu entschärfen.

 

Der alte Gegensatz: mag sich in Deutschland entschärfen. Weltweit wird er sich weiter verschärfen.

 

[…]

Wir setzen uns dafür ein, dass die Kraftfahrzeugsteuer künftig nach dem Kohlendioxid-Ausstoß bemessen wird.

 

Die höhere Besteuerung in der Regel älterer Fahrzeuge, trifft vor allem jene, die sich kein neues leisten können, also den ärmeren Teil der Bevölkerung! Ist dies beabsichtigt?

[…]                            

Schutz der Natur und der Tiere

Muss heißen: Natur- und Tierschutz (wenn nicht Heiterkeit aufkommen soll)!

 

Wir wollen unser nationales Naturerbe schützen und bewahren. Dazu ist es nötig, Naturschutz konsequent durchzusetzen und den immer noch wachsenden Flächenverbrauch durch Infrastruktur, Wirtschaft und Wohnen deutlich zu reduzieren. Wir brauchen Räume der Erholung und Muße. Die Bewahrung der Natur in ihrer einzigartigen Vielfalt und ihrem  faszinierendem Artenreichtum ist für uns unverzichtbarer Beitrag, um die Lebensqualität für uns und unsere Kinder und Enkel dauerhaft zu erhalten. Für uns gilt die ethische Verpflichtung zum pfleglichen Umgang mit der Natur auch dort, wo kein unmittelbarer Nutzen für die Menschen daraus folgt. Wir wollen Pflanzen und Tiere besser schützen. Wir wollen von der Natur lernen und ihre Kräfte für ein besseres Leben nutzen.

 

...auch dort...: nicht auch dort, sondern gerade dort!

 

 Zum effektiven Schutz der Meere und Küstenregionen brauchen wir durchsetzbare Sicherheitsstandards in Schifffahrt und Schiffbau ebenso wie eine verantwortliche und nachhaltige Fischerei-Politik.

 

Wir brauchen nicht durchsetzbare(!) Sicherheitsstandards, was im Allgemeinen auf Kompromissformeln hinausläuft, sondern Kraft, Macht und Mittel (und dazu Willen,  Überzeugungskunst und Verhandlungsgeschick), um die  notwendigen  Sicherheitsstandards durchzusetzen!

 

Artgerechte Haltung muss eine Selbstverständlichkeit in einer Gesellschaft werden, die sich den respektvollen Umgang mit Tieren zum Ziel erklärt hat.

 

Die Gesellschaft hat sich auch die Erzielung von Maximalprofit auf ihre Fahnen geschrieben. Deshalb bedarf es auch da (s. o.) des Willen und der nötigen  Kraft, entsprechende Standards mit gesetzlichen Regelungen durchzusetzen!

 

(nebenbei: nicht sich etwas zum Ziel erklären, sondern – zum Ziel setzen!)

 

[…]

Entwicklung ländlicher Räume

 

[…]

 

Nachhaltige Landwirtschaft

 

Die Bedingungen für die Landwirtschaft in Deutschland werden sich weiter wandeln. Die Internationalisierung der Agrarmärkte setzt sich weiter fort. In der Europäischen Union setzen wir uns dafür ein, die finanziellen Transferleistungen für die Landwirtschaft an ihrem Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kulturlandschaften auszurichten und eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume zu ermöglichen. Neue Marktchancen entstehen für anspruchsvolle Lebensmittel, nicht zuletzt aus ökologischer Erzeugung, und für nachwachsende Rohstoffe.

 

anspruchsvolle Lebensmittel: es gibt keine anspruchsvollen Lebensmittel, sondern nur hohen Ansprüchen genügende Lebensmittel! Anspruchsvoll sollte der Kunde sein.

(Es kann allerdings anspruchsvolle Texte geben - das wären Texte, die Ansprüche an den Leser stellen).

 

Wir befördern eine Landwirtschaft, die diesen wachsenden Bedarf decken kann und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft schont. Der kulturelle Reichtum vieler Nationen zeigt sich auch in den Landschaften, die durch die agrarische Nutzung durch den Menschen entstanden sind. Diesen Reichtum wollen wir bewahren. Landwirte und Verbraucher haben einen Anspruch auf gentechnikfreien Anbau.

 

Landwirte haben einen Anspruch auf das Recht gentechnikfreien Anbaus. Verbraucher haben einen Anspruch auf gentechnikfrei angebaute  Lebensmittel (und andere gentechnikfrei produzierte  Waren).

 

 Wir wollen eine Landwirtschaft, in der sich eine umwelt- und tiergerechte Produktion lohnt.

 

lohnt: eine solche Produktion lohnt sich immer! Zahlt sich aber nicht (immer) für die Produzenten aus. Das gilt es zu ändern!

 

Landwirtinnen und Landwirte benötigen mehr eigene wirtschaftliche Spielräume, um ihre Tätigkeit am Markt auszurichten. Genossenschaften, neue Formen der Kooperation innerhalb von Vermarktungsketten und andere klassische Zusammenschlüsse landwirtschaftlicher Unternehmen bieten hier die Chance, Marktpositionen gerade im Verhältnis zu einem stark konzentrierten Lebensmitteleinzelhandel zu verbessern.

 

Der Beitrag der Sozialdemokratie wäre, die entsprechenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu schaffen! Ohne diese bleiben kluge Ratschläge und Ideen an die Adresse der Produzenten leere Phrasen!

 

 Ein so verstandener Fortschritt steht im Einklang mit den Interessen zukünftiger Generationen und der Natur. Er stellt die Weichen langfristig in Richtung einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise.

 

D. h.: wenn wir den Fortschritt nur recht verstehen, dann wird alles gut!

 

 

 

 

 

5. Unser Weg                                                     

 

Wir gehen voran. Wir überlassen anderen das Beharren und Lamentieren, die Verleugnung von Realitäten, den Egoismus und den Populismus.

 

Dieses Vorangehen bleibt merkwürdig unentschieden. Vom Charisma des einstigen „Brüder zur Sonne, zur Freiheit!“ ist trotz Aussicht auf das solare Zeitalter nichts mehr zu verspüren.

Der zweite Satz klärt auf: unser Vorangehen dient der Abgrenzung von jenen, die beharren und lamentieren, die wirklichkeitsblind sind und  egoistisch und die dem Populismus frönen. Wir gehen voran, um die sie (im Wahlkampf) hinter uns zu lassen.

 

 Wir sind die Partei der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität. Die Einheit dieser drei Grundwerte, vereint im politischen Ziel der Sozialen Demokratie, unterscheidet uns von allen anderen Parteien und politischen Interessen.

 

„Deshalb müssen wir in Zukunft neue Wege gehen und ein modernes Verständnis von Gerechtigkeit entwickeln, das Solidarität und Eigenverantwortung neu ausbalanciert, die Lasten gerecht zwischen Jung und Alt verteilt und allen mehr Teilhabechancen einräumt. Dabei steht für uns (…) fest: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander.“

 

Was unterscheidet diese hier zitierten Zeilen aus einem Papier, mit dem die CDU zur Diskussion um ihr Grundsatzprogramm einlädt, von unserem Text?

Inhaltlich nicht viel mehr als die Behauptung, dass wir die Partei dieser Grundwerte sind und uns von allen anderen Parteien unterscheiden, und dass diese Grundwerte bei uns exklusiv als „Einheit (...)vereint im politischen Ziel der sozialen Demokratie“ aufgehoben sind! (Wie diese Einheit in einem politischen Ziel vereint sein kann, ist nicht zu hinterfragen, denn es handelt sich offensichtlich um ein Mysterium!)

 

Christdemokraten betonen bekanntermaßen die Freiheit: „Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit!“

An uns wäre es, dem tätigen Moment in dieser Einheit, der Solidarität, den Vorrang zu geben, denn  Freiheit und Gerechtigkeit finden erst in Solidarität jene Praxis und Rechtfertigung, welche für die Sozialdemokratie von ihren Anfängen an unabdingbar war. Allein diese Konstellation der drei Grundwerte könnte heute, und heute wieder erst recht,  unserer Partei eine authentische Identität verleihen!

 

Für die Werte und Ziele der Sozialen Demokratie wollen wir die Menschen in unserem Land gewinnen.

 

Und wenn wir die Menschen für die Ziele der Sozialen Demokratie gewonnen haben...?

 

 Wir schaffen das Bündnis für Soziale Demokratie. Eine Partei kann immer nur so stark sein wie die Menschen, die ihre Werte und Ziele teilen und unterstützen. Wir werben für ein politisches Bündnis, das alle Teile der solidarischen Bürgergesellschaft zusammenführt. Wir wollen Frauen und Männer, junge und alte Menschen für unsere Idee begeistern.

 

Und wenn wir die Menschen, die wir gewonnen, im Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und begeistert haben...?

 

Wir sind die Partei für das ganze Deutschland. In unserer Partei bündeln sich die Erfahrungen von eineinhalb Jahrhunderten Geschichte, von Ost und West, von Nord und Süd, von Frauen und Männern, von Alt und Jung, von verschiedenen Lebenslagen und Gruppen. Dies ist unsere Stärke.

 

Dass wir eine gesamtdeutsche Partei sind bezweifelt keiner, auch wenn dies nicht im Programm steht. Falls aber gemeint sein soll, wir seien die Partei für alle in Deutschland lebenden Bürger, dann wäre dies ein Ausdruck jenes Missverständnisses von Sozialdemokratie, das sich durch diesen ganzen Programmentwurf zieht und das hier kritisiert wird.

 

Erfahrungen: Die Erfahrungen, auf die sich eine sozialdemokratische Partei zu Recht, und teilweise auch mit Stolz berufen könnte, sollten schon etwas mit ihrer eigenen Geschichte zu tun haben! Diese Erfahrungen kann man dann zur Kenntnis nehmen und aus ihnen lernen. Nur insoweit dies tatsächlich geschieht, nur insoweit dies in Äußerungen „der Partei“, im Denken, Reden und Handeln ihrer Mitglieder zum Ausdruck kommt, kann man davon sprechen, dass sich in unserer Partei die Erfahrungen bündeln, oder besser, dass sie in ihr leben.  In diesem Entwurf bleibt dies Behauptung!

 

Als linke Volkspartei wollen wir Verantwortung für unser ganzes Land übernehmen – im Bund, in den Ländern und in den Kommunen.

 

 

Und wenn wir die Menschen, die wir gewonnen, im Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und begeistert haben, und wir als linke Volkspartei für das ganze Deutschland die Verantwortung für unser ganzes Land übernommen haben...?

 

Linke Volkspartei: Hier darf dieser Begriff noch einmal auftauchen, um aus einer rhetorischen Verlegenheit zu helfen: eigentlich soll nur gesagt werden, dass wir regieren wollen! Das stereotype Aufzählen (Wir sind die Partei...) ist hierbei nicht  durchzuhalten. Dass wir als Volkspartei Verantwortung übernehmen wollen, wäre vor dem Godesberger Programm geradezu sensationell gewesen. Heute hätte es keinerlei programmatisches Interesse mehr. Was macht nun den Spruch: Als linke Volkspartei wollen wir Verantwortung für unser Land übernehmen akzeptabel? Vermutlich und paradoxerweise gerade der Fakt, dass wir keine linke Partei mehr sind. Die Raffinesse, dass „die Sozis“ noch einmal sich, für den Moment der Verantwortungsübernahme, in ein linkes Kostüm werfen wollen, erregt nachsichtige Heiterkeit bei den einen und nährt letzte Illusionen bei den anderen.

 

 

 Wir sind die Partei der engagierten Bürgerinnen und Bürger. Als soziale Bewegung sind wir mit unseren vielen Hunderttausend Mitgliedern selbst Teil einer solidarischen Bürgergesellschaft, in der Bürgerinnen und Bürger Verantwortung für ihr Gemeinwesen übernehmen und eine lebendige Demokratie schaffen. Gerade die ältere Generation ist eine unverzichtbare Kraft dieser Bürgergesellschaft. Wir wollen die Aktiven in den Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen für die Soziale Demokratie gewinnen. Wir kämpfen gemeinsam mit allen Frauen und Männern, die sich für echte Gleichstellung einsetzen. Wir werben dafür, dass alle Menschen, die unser Land verbessern wollen, sich als Mitglieder der SPD für ihre Ideen engagieren.

 

Und wenn wir nun alle Menschen gewonnen, im Bündnis für Soziale Demokratie zusammengeführt und begeistert haben und als linke Volkspartei die Verantwortung für unser ganzes Land übernommen haben...? Dann sollte es überflüssig sein, weiter darüber zu räsonieren, dass wir die Partei der engagierten Bürgerinnen und Bürger sind! 

 

... sich für ihre Ideen engagieren.: Missverständlich ist,  ob wir dafür werben, dass alle Menschen sich in der SPD für ihre eigenen Ideen, wie das Land zu verbessern sei, engagieren sollen, oder ob alle Menschen, die unser Land verbessern wollen, sich in der SPD für die Ideen der SPD engagieren sollen. Wahrscheinlich soll beides möglich sein, und es handelt sich um eine produktive Unschärfe der Formulierung!

 

Wir sind die Partei der Arbeit und der Wertschöpfung. Die Soziale Demokratie verbindet alle produktiven Kräfte unseres Landes: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Frauen und Männer, die ein Unternehmen leiten, die Selbstständigen im Handwerk und in den freien Berufen. Wir treten ein für die Interessen der arbeitenden Menschen und derjenigen, die von der Teilhabe an Arbeit ausgeschlossen sind. Wir wollen gemeinsam mit ihnen die Arbeitsgesellschaft der Zukunft gestalten.

 

Und wenn wir alle Menschen guten Willens gewonnen, zusammengeführt und begeistert haben, und wir als linke Volkspartei für das ganze Deutschland die Verantwortung übernommen haben, und die Soziale Demokratie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Unternehmerinnen und Unternehmern unseres Landes verbunden haben wird...? Dann werden auch die Widersprüche von Kapital und Arbeit verschwinden - und von der Teilhabe an Arbeit Ausgeschlossene wird es nicht mehr geben!

 

 Wir sind die Partei der Bildung, der Wissenschaft und des Fortschritts. Wissen heißt freie Entfaltung des Menschen. Wissen ist eine Produktivkraft von wachsender Bedeutung für unsere Gesellschaft. Wir suchen das Bündnis mit all denen, die Wissen mehren, Wissen vermitteln und zum Wohl aller Menschen nutzbar machen. Wir wollen einen Fortschritt in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Idee der Sozialen Demokratie zieht ihre Kraft auch aus den Impulsen der Wissenschaften aller Disziplinen.

 

Sich vorzustellen, wie die Idee der Sozialen Demokratie ihre Kraft aus den Impulsen der Wissenschaften aller Disziplinen zieht, gibt Impulse für eine Reihe erheiternder Gedankenspiele (Pathologie, Stomatologie, Theologie, Meteorologie...)!

 

 Wir sind die Partei der Kultur. Die Idee der Sozialen Demokratie findet ihren Ausdruck in der Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern, von Denker und Kreativen. Wir wollen mit ihnen gemeinsam Kritik üben, wo Kritik nötig ist, und Ideen für ein gutes Leben entwickeln.

 

Eine kühne Vision, die an die Forderung von SED-Kulturpolitikern erinnert, Kunst habe die Ideen des Sozialismus auszudrücken. Die Idee der Sozialen Demokratie aber wird, nach Rezeption unseres Programms, als das Selbstverständliche freiwillig in den Werken der Künstler, in den Arbeiten der Kreativen und im Denken der Denkerinnen und Denker erscheinen, so dass man sich um Kultur und Gesellschaft in der Sozialen Demokratie keine Sorgen machen muss.

 

gemeinsam Kritik üben: Da fehlt noch? - Selbstkritik!

 

 Wir sind die Partei der internationalen Solidarität. Wir treten entschlossen ein für die Interessen auch der benachteiligten Weltregionen. Wir arbeiten für Frieden und globale Gerechtigkeit. Wir unterstützen internationale soziale Bewegungen in ihrem Einsatz für eine bessere Welt. Menschen aller Kulturen und Religionen finden in der Sozialen Demokratie ihre politische Heimat. Als Mitglied der Sozialistischen Internationale und der Sozialdemokratischen Partei Europas sind wir Teil einer starken politischen Familie, mit der wir für die Idee der Sozialen Demokratie streiten.

 

Wir sind die Partei...: Das Phrasenhafte an diesen Parolen tritt hier besonders deutlich hervor. Der Begriff der internationalen Solidarität hatte in der Geschichte von Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie immer eine klare Bedeutung, die sich aus der schlichten Erkenntnis speiste, dass die Proletarier in allen Ländern einen gemeinsamen Gegner haben. Internationale Solidarität drückte demnach die Gewissheit aus, dass gegenseitige Unterstützung und gemeinsamer Kampf  über die Ländergrenzen hinweg, Voraussetzungen für die Erreichung des Ziels einer besseren Gesellschaft sind. Von dieser  Bedeutung wurde Internationale Solidarität hier gründlich gereinigt.

 

Wir treten entschlossen ein...: Die Beteuerung der Entschlossenheit wird von einem unverständlichen auch getrübt. Wo denn sonst als in benachteiligten Weltregionen hätte unsere Solidarität im internationalen Maßstab tätig zu werden? Bei genauem Hinsehen muss man erkennen, dass die Interessen von benachteiligten „Regionen“ nicht identisch sind mit den Interessen der in diesen Regionen benachteiligten Menschen! Diesen hat unsere Solidarität zu gelten, und nicht denen, die noch am ärmlichsten Feuer sich zu wärmen wissen.

 

Wir unterstützen internationale soziale Bewegungen: Welche?

 

Menschen aller Kulturen...: es wird der Gedanke nahe gelegt, dass, wenn Menschen aller Kulturen und Religionen nur unsere Ideen der Sozialen Demokratie aufgriffen, bei ihnen,  wie bei uns, sich alles zum Besten wenden würde!

Andere Völker belehren oder beglücken zu wollen, gehörte noch nie zu den besten deutschen Traditionen.

 

 

 Wir sind die Partei der solidarischen Mitte. Unsere Partei hat Hunderttausende Mitglieder, aber es gibt Millionen von Menschen, die so denken und empfinden wie wir.

 

Hunderttausende Mitglieder...: Vergessen wir es nicht, vorerst haben wir Hunderttausende verloren – aus unserer Mitte! Und Millionen Wähler!

 

Viele Menschen wollen unabhängig von ihrer eigenen Lebenslage eine bessere und gerechtere Gesellschaft. Um gleiche Rechte für die Benachteiligten durchzusetzen, braucht es die Solidarität derer, die weniger auf gesellschaftliche Unterstützung angewiesen sind. Die solidarische Mitte hat die Soziale Marktwirtschaft möglich gemacht und sie wird das Land auch in Zukunft mit ihrer Leistung und ihrer Solidarität zusammenhalten.

 

Die solidarische Mitte hat...: So funktioniert Mythenbildung, weit entfernt von den historischen Realitäten...

 

 

Wir wollen die solidarische Mitte in unserem Land verbreitern und für die Soziale Demokratie gewinnen.

 

solidarische Mitte: wie wir diese verbreitern wollen, und wo wir dann als „linke“ Volkspartei in ihr unseren Platz zu suchen haben werden, bleibt ein logisches und topografisches Geheimnis. Oder anders: dass dies ein „Geheimnis“ ist, enthüllt die Untauglichkeit des Begriffes solidarische Mitte für eine identifizierbare politische Standortbestimmung einer sozialdemokratischen Partei

 

 

Wir wollen die Mehrheit in unserem Land davon überzeugen, dass soziale Gerechtigkeit die eigentliche Bestimmung des Menschen ist und allen Nutzen bringt.

 

 

die eigentliche Bestimmung des Menschen: „Das ist ein zu weites Feld...“

 

 

Wir richten den Blick nach vorn.

 



[1] Ein offener Brief von Klaus Harpprecht - „Lieber Herr Platzek“ in Cicero 12/2005

[2] Hubertus Heil: „Jede Zeit braucht ihre Antworten“ in Berliner Republik        3/2004

[3] Peter Glotz: „Wie weiter mit der SPD?“ in Cicero 9/2005

[4] Peter Glotz : ebenda